News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima .  Gesellschaft 
 
Handel mit Treibhausgasen: Übung macht den Meister  
  Ab 2005 soll der Handel mit Emissionsrechten EU-weit starten, so der Beschluss der Europäischen Kommission. Unternehmen können dann - um die ihnen vorgegebenen Schadstoff-Reduktionen im Rahmen des Kyoto-Protokolls zu erfüllen - Emissionsrechte von anderen Firmen zukaufen, die bereits mehr Treibhausgase "einsparen" als sie müssten. Ein Planspiel zeigt nun deutlich: Der komplexe Handel mit den Treibhausgasen will geübt sein.  
Übung macht den Meister, lautet das Resümee der Simulation, bei der 12 Unternehmen im Auftrag des baden-württembergischen Ministeriums für Umwelt und Verkehr den Handel mit Treibhausgasen - genauer gesagt mit Kohlendioxid (CO2) - erprobt haben.
Neun Jahre Emissionshandel durchgespielt
Die Teilnehmer haben am Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe insgesamt neun Jahre Emissionshandel durchgespielt - im Zeitraffer an drei Nachmittagen.

Die Simulation hat einen realen Hintergrund: Geht es nach dem Willen der Europäischen Kommission, so fällt der Startschuss für den europaweiten zwischenstaatlichen Emissionsrechte-Handel bereits 2005 - spätestens dann werden viele Firmen sich mit der Thematik befassen müssen.
...
Der Hintergrund: Emissionsreduktion a la Kyoto
Auf der UN-Klimakonferenz in Kyoto (Japan) haben die Industriestaaten sich 1997 darauf geeinigt, die Emissionen der sechs Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW) und Schwefelhexafluorid (SF6) im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 gegenüber den Werten des Jahres 1990 um 5,2 Prozent zu senken.

Seit damals wird immer wieder um die Umsetzung des so genannten Kyoto-Protokolls gerungen. Ein Punkt: Der zwischenstaatliche Handel mit Emissionsrechten. Stößt ein Staat mehr Schadstoffe aus, als er laut Vereinbarung dürfte, so kann er von anderen Firmen, die ihre Emissionen unter das ihnen zustehende Maß gedrückt haben, Verschmutzungsrechte ankaufen. Ab 2005 soll nun eine erste Phase des Emissionsrechtehandels starten - dabei können Unternehmen so genannter energieintensiver Branchen EU-weit mit den Schadstoffrechten Handel treiben.
->   Mehr dazu in science.ORF.at
...
12 reale und drei "virtuelle" Firmen als Teilnehmer
Das Fraunhofer-Insitut hat deswegen schon jetzt "Ernst gemacht" und 12 Unternehmen zu einem Planspiel eingeladen: Alle Firmen seien mit "echten Daten ihres Energieverbrauchs und Kohlendioxidausstoßes" an den Start getreten, erklärte Joachim Schleich gegenüber science.ORF.at.

Hinzu kamen drei virtuelle Unternehmen, sodass die Gruppe aus insgesamt 15 Teilnehmern bestand. Parallel zum Planspiel mit der Unternehmensgruppe wurde zur Kontrolle an der Universität Karlsruhe dieselbe Spielvariante mit Studenten durchgeführt, die jeweils eines der (anonymisierten) Unternehmen verkörperten.
Zurückhaltung zu Beginn der Simulation
Wie Projektleiter Schleich erzählt, seien die Unternehmen zu Beginn deutlich zurückhaltender gewesen, was die Verwendung des Emissionsrechte-Handels anging und hätten stärker in die konkrete - allerdings teilweise sehr viel teurere - Reduktion von Kohlendioxid investiert.
Häufigerer Handel, wachsende Risikobereitschaft
Erst am Ende wurde das Planspiel von den Unternehmen durchaus positiv beurteilt - sie hatten im Verlauf der Simulation den Handel mit Emissionsrechten immer häufiger genutzt, die Risikobereitschaft wuchs. Die Reduktionsziele konnten eingehalten bzw. erreicht werden.

Trotzdem bescheinigt Joachim Schleich den Firmen noch "eine gewisse Scheu", den Handel aktiv zur Effizienzsteigerung und zur Kosteneinsparung zu nutzen. Die studentische Kontrollgruppe dagegen habe mit denselben Voraussetzungen bessere Ergebnisse erzielt.
"Das System muss verstanden werden"
Wie Schleich sagt, müsse vor allem das System des Emissionshandels, müssten die Spielregeln verstanden werden. Es sei um die möglichst realitätsnahe Abbildung der Situation gegangen, so der Experte weiter: Die in der Realität zu treffenden strategischen Entscheidungen sollten in dem Planspiel abgebildet werden.

Dabei konnten die Unternehmen wichtige Erfahrungen für den zukünftigen realen Handel mit Emissionsrechten machen: Sowohl das zu beobachtende Marktgeschehen als auch eine Befragung der Teilnehmer nach Abschluss des Planspiels zeigte laut Endbericht des ISI, dass sich im Spielverlauf bei allen Teilnehmern bestimmte Lerneffekte eingestellt hatten.
Deutliche Lerneffekte bei den Teilnehmern
Vor allem die Entwicklung einer eigenen Strategie wurde demnach von 75 Prozent der Planspiel-Unternehmen genannt. Fast ebenso bedeutsam seien die Erfahrungen bei der Sammlung und Erfassung von Emissionsdaten gewesen.

In einigen Unternehmen wurden nach Angaben des Fraunhofer-Instituts im Rahmen der Simulation bereits Strukturen geschaffen, die bei einem zukünftigen Handel mit Emissionsrechten verwendet werden können.

Die Unternehmen gaben auch an, neue Erkenntnisse bei der Identifizierung von kostengünstigen "Minderungsmaßnahmen" - also Maßnahmen zur Reduktion des Schadstoffausstoßes - gewonnen zu haben.
Ermutigende Ergebnisse - dennoch Handlungsbedarf
Die Ergebnisse seien ermutigend, dennoch bestehe dringender Handlungsbedarf, so das Fazit des ISI: Unternehmen, die vom EU-Emissionsrechtehandel betroffen sein werden, sollten sich bereits jetzt darauf vorbereiten.

Denn wer schon heute damit beginne, eigene Strategien und Strukturen zu entwickeln, die spätestens ab 2005 für den EU-weiten Handel mit Emissionsrechten genutzt werden können, werde sich dann eindeutigt im Vorteil befinden.

"Wer die Spielregeln nicht beherrscht, wird keine Effizienzgewinne erzielen", warnt Projektleiter Joachim Schleich vom ISI alle Unternehmen, die das Thema Emissionsrechte-Handel bisher auf die lange Bank geschoben haben.
->   Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI)
->   Der Endbericht des ISI (pdf-Dokument, 164 Seiten)
->   Eine Zusammenfassung des Endberichtes (pdf-Dokument, 33 Seiten)
->   Vorschlag für eine EU-Richtlinie für den Emissionshandel (23.10.2001)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Dritte Welt als Öko-Ruhepolster für die Industrienationen?
->   Der Handel mit den Treibhausgasen
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima .  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010