News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 
Gemütlichkeit als Objekt der Forschung  
  Behagliche Wärme am flackernden Kaminfeuer oder folkloristisch-spießige Kleinbürgerlichkeit: Gemütlichkeit ist wissenschaftlich betrachtet ein Phänomen, das zwei Bedeutungsebenen aufweist - Klischee und Atmosphäre.  
Zu diesen beiden Bedeutungsebenen gebe es überraschend einheitliche Assoziationen über alle gesellschaftlichen Schichten, sagt Volkskundlerin Brigitta Schmidt-Lauber in einem dpa-Gespräch. Die Hamburgerin hat die deutsche Gemütlichkeit zum Thema ihrer Forschung und Habilitation gemacht, im kommenden Jahr sollen die Ergebnisse als Buch erscheinen.
...
Das negative Klischee
"Das Klischee des gemütlichen Deutschen ist eher negativ besetzt", erläutert Schmidt-Lauber vor einem Fachvortrag am Donnerstag in Münster. Es sei als Stereotyp meist in der Kleinbürgerlichkeit oder bajuwarischen Folklore angesiedelt. "Alle Befragten wussten genau, was damit gemeint ist, aber keiner bezieht es auf sich", berichtet sie. Als überraschend einheitlich empfand die Wissenschaftlerin in ihrer Feldstudie auch die Begriffe und Assoziation, die Menschen verschiedenen Alters, Geschlechts und unterschiedlicher Herkunft mit einem gemütlichem Umfeld verbinden.
...
Gemütlichkeit findet in der Freizeit statt
"Obwohl jeder für sich selbst eine ganz eigene Atmosphäre der Gemütlichkeit schaffen würde, ist das Bild im Kopf ähnlich", sagt Schmidt-Lauber. "Gemütlichkeit findet fast ausschließlich in der Freizeit statt und hat mit Wärme, Wohlfühlen und Harmonie mit anderen zu tun", sagt sie.
"Gemütlich" ist unübersetzbar
Aussagen wie "meine Eltern richten sich grauenvoll ein - aber es ist gemütlich" seien ebenso kein Widerspruch wie die Charakterisierung eines wenig privaten Raums wie einer Kneipe als gemütlich. Die Deutschen verstehen, was gemeint ist. Im Kontakt mit Ausländern gilt das Wort gemütlich indes als unübersetzbar.
Ursprünge in der Biedermeierzeit
Entstanden sei der damals eher negativ belastete urdeutsche Begriff der Gemütlichkeit bereits zur Biedermeierzeit Mitte des 19. Jahrhunderts. Er hänge eng mit dem Bürgertum zusammen, das sich - enttäuscht, seine politischen Ambitionen nicht durchgesetzt zu haben - in seine Privatheit zurückzog, erläutert die Volkskundlerin.
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Wie werden wir in der Zukunft wohnen?
->   NS-Volkskunde und Fotografie in Südtirol
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010