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Wie man Zugvögeln den Weg zeigt  
  Biologen der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau in Oberösterreich wollen im kommenden Herbst eine Gruppe von Waldrappen mit Leichtflugzeugen nach Italien geleiten. Das Projekt ist die Voraussetzung dafür, eine der meist bedrohten Vogelarten der Welt wieder freilebend in Österreich anzusiedeln.  
Waldrappe - schwarze Ibisvögel mit nacktem Kopf und Federschopf - waren einst am Mittelmeer und im Alpenraum weit verbreitet. Heute gibt es nur mehr etwa 200 freilebende Tiere in Marokko, die jedoch durch geplante Ferienclubs gefährdet sind.
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Gefährliche Nähe zu Menschen
Die Waldrappe sind wahrscheinlich mit den ersten Viehhaltern in den Alpenraum eingewandert. Weiden, Äcker und Gärten boten ihnen ausreichend Möglichkeit, im Boden nach Würmern und Insekten zu stochern. Als Felsenbrüter nisteten sie gerne auf Burgen und Klausen und waren zum Beispiel am Grazer Schlossberg oder am Salzburger Mönchsberg anzutreffen. Die Jungvögel galten an fürstlichen Tafeln als Delikatesse und dienten als lebende Zielscheiben. Durch die intensive Jagd waren sie bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts fast ausgerottet.
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Langsamer Anstieg der Population
Um die Waldrappe vor dem Aussterben zu retten, werden sie seit etwa 40 Jahren in Zoos gehalten, unter anderem im Tiergarten Schönbrunn, im Alpenzoo Innsbruck und im Cumberland Wildpark in Grünau. In Gefangenschaft konnte die Population sukzessive auf etwa 2000 Tiere weltweit aufgebaut werden.
Fliegen, wohin?
In den vergangenen Jahren wurde versucht, Waldrappe wieder wildlebend in Österreich anzusiedeln, doch die Gene machten den Forschern einen Strich durch die Rechnung: Die Waldrappe haben den instinktiven Drang, im Herbst in wärmere Regionen zu fliegen.

Die Richtung, die sie dafür einschlagen sollten, müssen sie aber von ihren Eltern lernen. Vögeln, die in Gefangenschaft aufgewachsen sind, fehlt dieses Wissen.

Eine Gruppe freilebender Waldrappe aus Grünau wurde das zum Verhängnis: Sie flogen Mitte August gemeinsam ab, allerdings nicht in den warmen Süden, sondern nach Norden und Osten. Ein Teil der Vögel kam dabei ums Leben, ein Teil konnte wieder eingefangen und zurückgeholt werden.
Menschen "fliegen vor", Vögel "fliegen nach"
Jetzt wollen ihnen Biologen der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau im Almtal die Zugroute "vorfliegen". Für das Projekt wurden elf frisch geschlüpfte Waldrappe auf menschliche Ziehmütter geprägt - ganz nach dem Vorbild von Konrad Lorenz.
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Konrad Lorenz
hat die Nachfolgeprägung von Jungvögeln entdeckt. Seine berühmten Graugänse wurden nach dem Schlüpfen von ihm gefüttert und betreut und haben ihn damit als Vater betrachtet, dem sie überallhin folgten.
->   Nobelpreisträger Konrad Lorenz
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Fliegen lernen
Im Mai 2002 schlüpfen elf Waldrappe aus verschiedenen Tiergärten auf dem Flugplatz Scharnstein in Oberösterreich und werden von drei Wissenschaftlerinnen aufgezogen.

Den Vögeln werden zu Beginn die Motorengeräusche der Leichtflugzeuge von Band vorgespielt. Sobald die Vögel flügge sind, lernen sie, den Leichtflugzeugen nachzulaufen und später nachzufliegen. Es dauert eine Weile, bis sie verstehen, dass ihre Mütter in den Flugzeugen sitzen, doch nach etwa einer Woche klappt es.
Aufbautraining mit Flugzeugen
Bis Mitte August fliegen die Waldrappe immer längere Strecken hinter den Leichtflugzeugen her. Da die Fluggeräte etwas zu schnell für die Vögel sind, müssen die Piloten immer wieder einen Kreis fliegen, um die Tiere aufholen zu lassen. Im Prinzip funktioniert die Methode jedoch.

Diesen Winter verbringen die handaufgezogenen Waldrappe im Alpenzoo Innsbruck, wo sie weiter von ihren Ziehmüttern betreut werden.
Der Flugplan
2003 sollen weitere junge Waldrappe von Hand aufgezogen und trainiert werden, im August wollen die Biologen dann mit der gesamten Gruppe in fünf Tagesetappen von jeweils 200 Kilometern nach Italien fliegen.

Die Waldrappe sollen den Winter gemeinsam mit ihren Betreuerinnen im Parco della Maremma in der Toskana verbringen und im Frühjahr 2004 wieder nach Oberösterreich zurückfliegen.

Um den Flug zu erleichtern, möchten die Biologen langsamere Leichtflugzeuge anschaffen, sofern sie dafür Sponsoren finden.

Sonja Bettel, Modern Times
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Mehr darüber in Modern Times, 20. 12. 2002,
22.35 Uhr ORF 2
->   Modern Times
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->   Waldrapp-Projekt
->   Konrad-Lorenz-Forschungsstelle Grünau
->   Alpenzoo Innsbruck
 
 
 
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01.01.2010