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ORF ON Science :  News :  Kosmos 
 
Astronomischer Jahresrückblick: Dunkle Materie, Supernovae und Co.  
  Auch im vergangenen Jahr haben Wissenschaftler weltweit an den Rätseln des Weltalls geforscht - dabei stand die geheimnisvolle Dunkle Materie ebenso im Blickpunkt wie Supernovae, Schwarze Löcher und andere kosmische Phänomene. Ernst Dorfi, Thomas Lebzelter und Elke Lohinger von der neugegründeten Österreichischen Gesellschaft für Astronomie und Astrophysik (ÖGAA) haben für science.ORF.at einen Blick zurück geworfen und die wichtigsten astronomischen Ereignisse des Jahres 2002 zusammengefasst.  
Ein Gastbeitrag der ÖGAA (Teil I)
Von Ernst Dorfi, Thomas Lebzelter und Elke Lohinger
Unter Verwendung der Sammlungen der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie (WAA)

Mit den Nobel-Preisen 2002 für Physik an Raymond Davis Jr., Masatoshi Koshiba und Riccardo Giacconi wurden die Entdeckungen in zwei neuen astronomischen "Beobachtungsfenstern" gewürdigt.
Nobelpreise für Neutrino- und Röntgen-Astronomie
Sowohl die Eigenschaften der Neutrinos selbst, ihre Produktion durch Kernreaktionen im Sonneninneren, als auch der Neutrinoblitz der Supernova 1987A markieren die Geburtsstunde der Neutrinoastronomie, die erstmals den Blick in die dichtesten Sternregionen eröffnet hat.

Durch die Entwicklung von Röntgen-Satelliten hat sich unser Bild des Universums radikal verändert und erweitert. Erstmals konnte man die Physik von Neutronensternen, Schwarzen Löchern, extrem heißen Plasmen, Galaxienhaufen und Quasaren auf gesicherte Beobachtungsbefunde stellen.
->   Mehr zum Physik-Nobelpreis 2002 im science.ORF.at-Archiv
->   Beobachtung des Sudbury Neutrino Observatory
Das ganze Universum
Sämtliche Messungen des Jahres 2002 an fern explodierenden Supernovae untermauern die Tatsache, dass sich unser Universum ausdehnt, und immer schneller ausdehnt. Um dies zu erreichen, muss zusätzliche Energie vorhanden sein, die so genannten Dunkle Energie und schon am Beginn des 20. Jahrhunderts von Einstein als kosmologischen Konstante in die allgemeine Relativitätstheorie eingeführt.

Über deren Ursache rätseln nach wie vor Astronomen und Physiker. Die wahrscheinlichste Erklärung liefert die Quantentheorie über die Nullpunktsenergie des Vakuums, deren Wert mit den astronomischen Messungen allerdings um mehr als 100 Größenordnungen differiert.

Theoretische Überlegungen von zwei Kosmologen der Stanford University besagen, dass die kosmologische Konstante eventuell nicht konstant ist, was in einer Zukunft von etwa 10 Milliarden Jahren in einer Umkehrung der Bewegung und in einem Zusammenfallen des gesamten Universums mündet, eine Wiederauferstehung des Big Chrunch.
->   spaceflightnow.com: 'Runaway universe' may collapse in 10 billion years
->   New Scientist: Universe might yet collapse in 'big crunch'
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Dunkle Materie bleibt im Dunkeln
Auch wenn die Natur der Dunklen Materie im Dunkeln liegt, so erlauben es die Bewegungsverhältnisse bzw. die Verteilung des heißen Gases um Galaxien und Zwerggalaxien die typische Skala der Dunkle Materie zu erkennen. Alles deutet auf nicht wechselwirkende, exotische Teilchen hin.
science.ORF.at: Rätsel fehlender Materie im Universum gelöst?

Die kosmische Landschaft ist geprägt durch die Dunkle Materie. Die Struktur ist nun erstmals auch zwischen den Galaxien durch UV- und Röntgenbeobachtungen von intergalaktischem Gas zugänglich. Mit Temperaturen zwischen 300.000 und fünf Millionen Grad absorbiert es das Licht weit entfernter Quasare und verrät damit beispielsweise, dass unsere Milchstraße zusammen mit der benachbarten Andromeda-Galaxie in ein solches heißes Gasfilament eingebettet sind. Als Überbleibsel aus der Frühzeit des Kosmos macht dieses extrem dünne Gas den wichtigsten Anteil an der gesamten sichtbaren Materie aus. Damit ist ein weiterer Puzzlestein zum Verständnis unseres Universums gefunden.
Chandra Discovers "Rivers Of Gravity"

Ohne den genauen Zustand des Intergalaktischen Mediums zu kennen, müssen alle Theorien zur Strukturbildung im frühen Universum bruchstückhaft bleiben. Endlich ist es gelungen, den Schatten dieses Gases zwischen den Galaxien zu messen.
FUSE Observes the Intergalactic Medium
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Formenreiche Welt der Galaxien
Die Wechselwirkung von Galaxien hält immer wieder neue Überraschungen bereit. Die Galaxie NGC4622 in einer Entfernung von 100 Millionen Lichtjahren "schleppt" ihre Spiralarme nicht nach, sondern rotiert "verkehrt" in Richtung der sich öffnenden Arme. Derartige bizarre Rotationsverhältnisse sind wahrscheinlich das Ergebnis einer Kollision mit einer kleineren Begleitgalaxie.
->   science.ORF.at: Hubble entdeckt verkehrt drehende Galaxie
Kollisionen kosmischer Ausmaße
Eine Kollision kosmischen Ausmaßes ereignet sich, wenn ganz Galaxienhaufen zusammenstoßen und dabei zu noch gewaltigeren Strukturen verschmelzen. Heißes Gas mit Temperaturen von 100 Millionen Grad zeigt sich von diesem Zusammenprall schockiert.
->   Chandra: A Bow Shock in a Merging Galaxy Cluster
Immer bessere Ergebnisse durch immer bessere Technik
Immer tiefere Einblicke in das frühe Universum, in die Zeit zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall, also der Frühzeit der Galaxienentstehung, ermöglicht die stetig bessere Instrumentierung der Riesenteleskope.

Aufnahmen mit mehr als 100 Stunden Belichtungszeit enthüllen junge Galaxien mit unterschiedlichsten Morphologien und geben Auskunft zur Entstehung ganzer Galaxienhaufen. Mit der nächsten Generation von Teleskopen werden tatsächlich die ersten Sterne im Universum zu sehen sein.
->   ESO: Deepest Infrared View of the Universe
->   ESO: UVES Investigates the Environment of a Very Remote Galaxy
->   hawaii.edu: Galaxy's Light Pushes Back Dark Ages of the Universe
Das Schicksal des Gases
Während die Sterne einer Galaxie eine Kollision mit einer anderen Galaxie unbeschadet überstehen, entgeht das interstellare Gas nicht seinem Schicksal und wird auf Temperaturen von Millionen Grad komprimiert.
->   Chandra: When Worlds Collide - Observing Titanic Merger
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Zwerge dominieren die Welt der Galaxien
Zwerge dominieren die Welt der Galaxien, denn sowohl nach ihrer Zahl als auch durch die Entwicklung der Sterne in ihnen verändern sie wesentlich die chemische Zusammensetzung der Materie im Weltraum. Infolge ihrer Kleinheit kann durch Supernova-Explosionen aufgeheiztes und an schweren Elementen angereichertes Gas leichter in das intergalaktische Medium entweichen.
->   Chandra: Dwarf Galaxy Gives Universe A Breath of Fresh Oxygen
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Wohin man blickt, Schwarze Löcher
Alle Zweifel sind ausgeräumt, die Bewegung der Sterne im Zentrum unserer Milchstraße verraten die Existenz eines zentralen Schwarzen Loches mit 2,6 Millionen Sonnenmassen. Der Stern S2 umkreist dieses Monster in nur 15 Jahren und erreicht dabei die unvorstellbare Geschwindigkeit von 18 Millionen Kilometern pro Stunde.
->   Max-Planck-Gesellschaft: Massenmonster im Herzen der Milchstraße
->   ESO: Surfing a Black Hole
Relation zwischen Sternenanzahl und Masse des Lochs
Schwarze Löcher existieren auch in den Zentren von Kugelsternhaufen. Beispielsweise kann M15, ein Mitglied unserer Milchstraße, mit 4.000 Sonnenmassen aufwarten. G1, der größte bekannte Kugelsternhaufen überhaupt und Teil unser Nachbargalaxie Andromeda verbirgt uns im Zentrum ein Schwarzes Loch mit 20.000 Sonnenmassen.

Bemerkenswert ist die Relation, die zwischen der Anzahl der Sterne und der Masse des zentralen Schwarzen Loches gilt. Sowohl unsere Milchstraße als auch die massereichsten Elliptischen Galaxien mit Milliarden Sonnenmassen im zentralen Schwarzen Loch gehorchen dieser Korrelation.
->   hubblesite.org: Hubble Discovers Black Holes in Unexpected Places
->   hubble.edu: Black Holes Shed Light on Galaxy Formation
Magnetfelder entziehen Rotationsenergie
Ein schnell rotierendes Schwarzes Loch in unserer Milchstraße mit etwa zehnfacher Sonnenmasse prägt dem einfallenden Gas seine Raum-Zeit-Struktur auf. Dabei wird mit Hilfe von Magnetfeldern dem Schwarzen Loch Rotationsenergie, einem gigantischen Schwungrad vergleichbar, entzogen.
->   ESA: A black-hole flywheel in the Milky Way
Kollision massereicher Schwarzer Löcher
Die Kollision von massereichen Schwarzen Löchern gehört zu den spektakulärsten Ereignissen in unserem All. Teilchen mit höchsten Energien in Form von Jets, mit nahezu Lichtgeschwindigkeit ausgeschleuderte Materie, lassen die Herzen aller Radioastronomen höher schlagen.
->   Scientists Detect "Smoking Gun" of Colliding Black Holes
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Auch in extrem gasarmen Umgebungen möglich
Dem scharfen Röntgenblick moderner Teleskope entgeht kein Schwarzes Loch, da sich das heiße Gas vor dem Verschlucken mit Röntgenstrahlung vom Universum verabschiedet. Das dies unerwarteterweise in der extrem gasarmen Umgebung von alten Elliptischen Galaxien möglich ist, hat sich bei den Chandra-Beobachtungen des Galaxienhaufens A2104 herausgestellt.
->   Chandra: Surprising Black Hole Activity In Galaxy Cluster
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Neutronensterne und die Kollision von Materie
Das Zusammenspiel des Hubble-Space-Teleskops und des Chandra-Röntgenteleskops entlarvt die dramatische, nahezu lichtschnelle Kollision von Materie und Antimaterie in der Umgebung eines schnell rotierenden Neutronensterns.

Diese hochenergetischen Teilchen, durch den Pulsar im Zentrum des Krebsnebels erzeugt, sind für das gesamte Synchrotron-Leuchten des Krebsnebels verantwortlich.
->   Chandra: Space Movie Reveals Shocking Secrets Of The Crab Pulsar
->   science.ORF.at: NASA präsentierte Farbfilm vom Krebsnebel
RX J185635-375: Ein ultrakompakter Quarkstern?
In zahlreichen Wellenlängen beobachtet, weigert sich die Quelle mit der Bezeichnung RX J185635-375 schon länger ihre Geheimnisse preiszugeben. Die Röntgen-Beobachtungen im letzten Jahr nährten die Spekulation, dass wir eventuell einen ultrakompakten Quarkstern vor uns haben. Aus Quarks aufgebaut, wäre er demnach dichter und kleiner als ein Neutronenstern.
->   ESO: The Mystery of the Lonely Neutron Star
->   Chandra: Cosmic X-rays Reveal Evidence For New Form Of Matter
->   Erklärung: What is a quark star?
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Teil zwei des astronomischen Jahresrückblicks der neugegründeten Österreichischen Gesellschaft für Astronomie und Astrophysik erscheint am Montag, den 30. Dezember 2002 in science.ORF.at.
->   Österreichische Gesellschaft für Astronomie und Astrophysik
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Weitere aktuelle Jahresrückblicke in science.ORF.at:
->   "Science": Wiener unter Top Ten der Wissenschaft 2002
->   Physikalische Sensationen des Jahres 2002
 
 
 
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01.01.2010