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Menschen: Ähnlicher als sie oft glauben  
  Ob Nord oder Süd, ob West oder Ost, ob Okzident oder Orient: Menschen sind einander - zumindest genetisch betrachtet - viel ähnlicher, als es oft den Anschein hat. Dies bestätigt die größte Studie, die weltweit je durchgeführt wurde. Sie lässt auch Rückschlüsse auf die Migrationsgeschichte der Menschheit zu.  
Etwa 95 Prozent aller genetischen Variationen existieren innerhalb einer Bevölkerung, nur drei bis fünf Prozent zwischen verschiedenen.

Die Ergebnisse der in "Science" publizierten Studie geben auch neue Hinweise auf antike Migrationsbewegungen der Menschen.
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Die Studie ist unter dem Titel "Genetic Structure of Human Populations" in der aktuellen Ausgabe von "Science" (Bd. 298, S. 2381) erschienen.
->   Die Studie (kostenpflichtig)
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Suche nach "Mikrosatelliten"
Das Team um Marcus Feldman von der Stanford's School of Humanities and Sciences analysierte die DNA von 1056 Versuchspersonen aus 52 Populationen in den fünf Hauptregionen der Welt: Afrika, Eurasien (Europa, Mittlerer Osten, Zentral- und Süd-Asien), Ozeanien, Ostasien und Amerika.

Sie suchten nach so genannten Mikrosatelliten - kurzen DNA-Abschnitten, die in bestimmten Mustern vorkommen und von Generation zu Generation vererbt werden. Sie fanden 377 solcher Mikrosatelliten, die in der Populationsbiologie als genetische Marker verwendet werden.
Genetische Bruchstücke charakterisieren Population
Wie sich aus der Untersuchung der Erbsubstanz von Menschen aus mehreren Kontinenten ergab, weist ein und derselbe Mikrosatellit vier bis 32 verschiedene Typen auf.

Feldman und sein Team nehmen daher an, dass winzige genetische Eigenschaften zur Charakterisierung von Bevölkerungen ausreichen und die physischen Unterscheidungsmerkmale - wie Hautfarbe oder Schädelform - bedingen.
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DNA - Träger der Erbinformation
Die DNA, Desoxyribonukleinsäure, ist der Träger der genetischen Information und besteht nach J. Watson und F. Crick aus einem Doppelstrang. Die kleinsten Bausteine nennt man Nukleotide. Sie bestehen aus einer Base (Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin), einem Zucker und einem Phosphatanteil. Die individuelle Variabilität der Erbsubstanz liegt in der Abfolge der Basenpaare gespeichert. Die DNA ist in einzelne Abschnitte, die Gene, unterteilt, die jeweils für die Bildung eines bestimmten Proteins zuständig sind. Das Zusammenspiel mehrerer Gene für die Ausbildung eines Merkmals ist noch nicht restlos erforscht.
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DNA verrät geografische Herkunft
Obwohl die verschiedenen Bevölkerungen einander derart genetisch ähnlich sind, wollten die Forscher herausfinden, ob sich durch eine DNA-Analyse die geografische Abstammung eines Menschen ablesen lasse. Dazu entfernten Feldman und sein Team die Etiketten von den DNA-Proben der mehr als tausend Versuchspersonen und machten sich auf die Suche nach signifikanten Clustern der Mikrosatelliten.

Während die Typen dieser genetischen Marker geografisch weit verstreut sind, variieren ihre Frequenzen weltweit, so Feldman - womit sich Aussagen über die lokale Herkunft ihrer Träger treffen lassen.
Geografische Zuordnung möglich
Das Ergebnis: Den Versuchspersonen konnte der richtige Herkunftskontinent zugeteilt werden - am schwierigsten gestaltete sich dies in Eurasien. Verantwortlich dafür, so die Wissenschaftler, sei die dortige komplexe Wanderungs-, Eroberungs- und Handelsgeschichte der letzten Jahrtausende. Nur die Basken in Spanien - eine geografisch und sprachlich isolierte Population - waren von anderen europäischen Gruppen genetisch unterscheidbar.

Die vorliegende Studie stützt neue genetische Arbeiten zu Wanderungsbewegungen des Menschen und bestätigt Wanderungsmuster zwischen Europa und Westasien, Europa und Zentralamerika und anderen Kontinenten.
Rückblick auf die Migrationsgeschichte
Durch die Analyse des genetischen Erscheinungsbildes von Menschen aus allen Teilen der Welt können Genetiker auch die Hauptmerkmale unserer Geschichte rekonstruieren, so ein Begleittext zur Science-Studie: unseren afrikanischen Ursprung, die Migrationen aus Afrika, die Bewegungen und Ansiedlungen in Eurasien und Ozeanien sowie das Bevölkerungswachstum von Amerika.
Herkunft auch von medizinischer Bedeutung
Einzelne Krankheiten treten verschieden häufig in unterschiedlichen Bevölkerungen auf. Die Abstammung einer Person liefere daher einen wichtigen Hinweis für die individuelle Anfälligkeit für eine bestimmte Krankheit, schreiben die Forscher.

Neben der Befragung von Patienten über ihre familiäre geografische Herkunft halten sie genetische Tests für sehr nützlich. Beide Ergebnisse stimmten im Großen und Ganzen überein - das Patienteninterview ist deshalb als zulässiges medizinisches Werkzeug anzusehen.
->   Stanford's School of Humanities and Sciences
->   science.ORF.at: Ethno-Genetik zwischen Hoffnung und Missbrauch
 
 
 
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01.01.2010