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Physikalische Sensationen des Jahres 2002  
  Das "American Institute of Physics" hat eine Liste der bemerkenswertesten physikalischen Ereignisse des Jahres 2002 veröffentlicht. Auf Platz Eins konnten sich ex aequo platzieren: Die endgültige Lösung des so genannten Neutrino-Rätsels sowie die Herstellung großer Mengen von Anti-Wasserstoff-Atomen.  
Auf den Plätzen folgen weitere Klassiker aus der Welt der Quanten, Felder und Atome: Das Wanken des zweiten Hauptsatzes der Wärmelehre, neue Erkenntnisse um die kosmische Hintergrundstrahlung sowie ein prominenter Betrugsfall an den Bell-Laboratories.
Ranglisten zum Jahresende
Ranglisten und Rankings sind nicht nur beliebte verkaufsfördernde Mittel von Boulevard-Magazinen. Auch wissenschaftliche Vereinigungen und Fachzeitschriften bedienen sich, zumindest gegen Jahresende, dieses publizistischen Stilmittels - und bestimmen die Creme de la Creme der diesjährigen Forschung.

So auch das "American Institute of Physics", eine Nonprofit-Institution, die sich die Förderung und Verbreitung physikalischer Erkenntnisse an ihre Fahnen geheftet hat.
->   American Institute of Physics
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Zwei naturwissenschaftliche Erkenntnisse waren den amerikanischen Physik-Gourmets im Rahmen ihrer Jahresrückschau eine besondere Erwähnung wert: Auf ihrer Internet-Newsleiste "Physics News Update" wurde die endgültige Lösung des so genannten Neutrino-Rätsels mittels des "Sudbury Neutrino Observatory" an erster Stelle genannt. Das Prädikat "top physic story" teilt sich dieses Ereignis mit der Produktion von Anti-Wasserstoff-Atomen am Forschungszentrum CERN.
->   Zur kompletten Liste in Physics News Update
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Neutrinos: Rätselhafte Teilchen
Im Teilchen-Zoo der Mikrophysiker gehören die Neutrinos wohl zu den geheimnisvollsten Partikeln. Bereits im Jahr 1930 postulierte der österreichische Physiker Wolfgang Pauli die Existenz von leichten, neutralen Teilchen, um die scheinbare Verletzung der Energieerhaltung im so genannten Betazerfall erklären zu können.

Bis zum Zeitpunkt ihres ersten experimentellen Nachweises hatten diese Partikeln nur den Rang eines theoretischen Postulats, weswegen sie auch "Geisterteilchen" genannt wurden. Dieser gelang erstmals im Jahr 1956 durch die Physiker Reines und Cowan.
Das Mysterium
Allerdings waren damit noch nicht alle Schwierigkeiten beseitigt: Man konnte das kosmische Teilchen zwar nachweisen, allerdings in viel geringeren Mengen, als es vom Standard-Erklärungsmodell (dem "solar standard model") vorhergesagt wurde.

Der theoretische Schluss daraus: Die Neutrinos mussten sich auf ihrer langen Reise zur Erde dergestalt verändert haben, dass sie von den Detektoren nicht mehr registriert werden konnten.
Die Lösung
Neutrinos treten in drei Klassen auf: Myon-, Tau- und Elektron-Neutrinos. Eine der wichtigsten Erkenntnisse der letzten Jahre ist es, dass die Teilchen ihre Klassenzugehörigkeit offensichtlich verändern können. Dies erklärt auch die zu niedrige Nachweisrate, da man mit den irdischen Detektoren nur Elektron-Neutrinos erfassen kann.
Der Nachweis
Heuer gelang es erstmals, die Teilchen bei ihren Umwandlungen in flagranti zu beobachten. Dabei verwendeten die Physiker Daten, die mittles des "Sudbury Neutrino Observatory" (SNO) sowie des "Kamiokande Experiments" in Japan generiert wurden.

Die theoretische Analyse habe "starke Hinweise" auf eine "Geschmacks-Transformation" ergeben (Anm.: die Neutrino-Klassen werden im Englischen auch als "flavors" bezeichnet), so die SNO-Wissenschaftler in ihrem Artikel.
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"Direct Evidence for Neutrino Flavor Transformation"
Der Artikel "Direct Evidence for Neutrino Flavor Transformation from Neutral-Current Interactions in the Sudbury Neutrino Observatory" des SNO-Teams erschien in den "Physical Review Letters" und ist als Volltext am wissenschaftlichen Preprintserver "arxiv.org" abrufbar.
->   Zum Artikel
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Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Neutrinos - Botschafter aus dem All
->   Physiker: Auch Anti-Neutrinos dürften sich verändern
Blicke in die Antiwelt
Das zweite Highlight des Jahres 2002 ist nach Ansicht des "American Institute of Physics" die Herstellung von Antimaterie im großen Stil. Zwei Forschungs-Kollaborationen mit den Namen "ATHENA" und "ATRAP" duellierten sich dabei am Europäischen Zentrum für Nuklearforschung CERN um die höchsten Zahlen an produzierten Anti-Wasserstoff-Atomen.

Das Besondere an diesen Forschungen in der geheimnisvollen Gegenwelt: Die Antimaterie war "kalt", d.h. nur wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt (ca. minus 273 Grad Celsius).
Innovation: Kalte Teilchen
Dies ist deswegen von Vorteil, weil bei solch niedrigen Temperaturen auch Folgeuntersuchungen lanciert werden können. Mittels Laseruntersuchungen will man in Zukunft winzige Unterschiede zwischen Materie und Antimaterie aufspüren.

Dadurch möchte man wiederum verstehen lernen, warum das Universum aus Materie besteht, aber wenig auf die Existenz einer antimateriellen Gegenwelt hindeutet.
Zwei konkurrierende Forschergruppen
Im Oktober dieses Jahres berichtete die ATRAP-Kollaboration in der Fachzeitschrift "Physical Review Letters" von der Herstellung von 1.400 "kalten" Antiwasserstoff-Atomen

Bereits einen Monat zuvor veröffentlichten die ATHENA-Forscher ein Manuskript, demzufolge über 50.000 Antiwasserstoff-Atome produziert worden seien. Allerdings äußerten die Leiter der ATRAP-Gruppe - gemäß der verständlichen Konkurrenz zwischen Forschern gleichen Faches - leichte Zweifel an der Validität der ATHENA-Daten.

Das American Institute of Physics wählte hierbei eine salomonische Lösung und adelte beide Kollaborationen durch Aufnahme in ihre Bestenliste.
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Erstmals große Mengen an Antimaterie erzeugt
->   Antimaterie: Ein erster Blick in die Gegenwelt
Weitere Physik-Top Storys
Eine Auswahl weiterer Themen aus der Liste der "AIP top storys" des Jahres 2002:

- Die Zurücknahme der Entdeckung der Elemente 116 und 118 eines Forscherteams aus Berkeley, nachdem deren Daten nicht reproduziert werden konnten.
->   Elemente 116 und 118: Entdeckung zurückgezogen
- Die Veröffentlichung von Briefen, die Niels Bohr während des zweiten Weltkrieges an Werner Heisenberg geschrieben hatte. Dies brachte Licht in die Frage, ob Heisenberg Bohr zur Mitarbeit am deutschen Atombombenprojekt überreden wollte.
->   Niels Bohrs Briefe sollen den "Krimi" auflösen
- Der Nachweis, dass der zweite Hauptsatz der Thermodynaik im Rahmen kleiner Raumzeit-Intervalle gerbochen werden kann. Alllerdings mit einer gewichtigen Einschränkung: Ein "perpetuum moblie" ist trotzdem nicht möglich.
->   An den Grenzen der Thermodynamik
- Der Betrugsfall um den deutschen Physiker und Nobelpreis-Kandidat Hendrik Schön.
->   Top-Physiker zieht acht "Science"-Fachartikel zurück
- Sowie neue Erkenntnisse zur kosmischen Hintergrundstrahlung.
->   Das erste Licht des Universums
 
 
 
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01.01.2010