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Wie sicher ist Wiens "Wasserreserve Karst"?  
  140 Millionen Kubikmeter Wasser liefern Hochschwab, Rax und Schneeberg pro Jahr über die Hochquellleitungen nach Wien. Aber wie anfällig sind diese Karstquellen für Umweltverschmutzung oder Sabotage? Um dies zu klären, arbeiten Geologen, Botaniker und Hydrologen im Auftrag der Wiener Wasserwerke an einem aufwendigen Forschungsprojekt.  
Verwundbare Quellen
Tschernobyl war der Auslöser. Der radioaktive Fallout legte sich 1986 auch auf das Karstmassiv des Hochschwab. In einigen der derzeit 17 gefassten Quellen war plötzlich Radioaktivität nachweisbar, in manchen hingegen nicht.

Untersuchungen zeigten, dass manche Quellen 40 Jahre altes Wasser zutage fördern, andere hingegen nur ein paar Tage junges. Genau dieses schnell durchfließende Wasser macht die Quellen auch verwundbar.
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Karstwasser hat besondere Qualität
Im Gegensatz zu Oberflächenwasser versickert Karstwasser im Boden, sucht sich dann seinen Weg durch Felsklüfte und sprudelt erst später wieder aus dem Massiv heraus. Für die Wassergüte hat das erhebliche Vorteile: Oberflächenwässer nehmen meist Kohlenstoff mit und müssen aufwendig gereinigt werden, beim Karstwasser hingegen wird nur eine Sicherheits-Chlorierung durchgeführt, um etwaige Keime im Wasser abzutöten.
->   Wiener Wasser im Überblick (Stadt Wien)
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Geologische Kartierung klärt auf
Um wenigstens eine Ahnung zu haben, welchen Weg das Wasser durch die Karsthöhlen, Klüfte und Gänge im Berg nimmt, wurde das Massiv in zehnjähriger Arbeit geologisch kartiert. Am Beginn steht dabei eine Begehung des Massivs - Karst entsteht an geologischen Störzonen, wo Wasser Hohlräume aus Kalk- und Dolomitschichten herauslöst.

Mit Hilfe von Satelliten- und Luftbildaufnahmen versuchen die Geologen die Entstehung eines Gebirges zu rekonstruieren und können so auch Wahrscheinlichkeiten für Klüfte im Inneren angeben. Die Neukartierung des Hochschwab-Massivs hat es zum Beispiel möglich gemacht, geologisch zu erklären, warum Wasser an einer Stelle versickert und erst 15 Kilometer entfernt wieder zu Tage tritt.
Wasser erdbebensicher?
Das Hochschwab-Gebiet ist geologisch noch aktiv. Der südliche Teil der Alpen reibt sich am nördlichen und wandert mit einer Geschwindigkeit von zwei bis drei Millimeter pro Jahr Richtung Osten. Erdbeben sind also nicht ausgeschlossen. Laut dem Geologen Kurt Decker würde eine Erderschütterung die Wasserausschüttung im Karst aber nicht gefährden.
Entscheidende Rolle der Vegetation
Auch wenn viel von Kalkgestein die Rede ist: Hochschwab, Rax und Schneeberg sind bewachsen. Die Vegetation spielt für die Wasserqualität dabei eine erhebliche Rolle. Sie dient als Filter und Buffer - im Karst selber wird das Wasser dann kaum mehr gereinigt. Mit Hilfe der Vegetation lassen sich auch Wasserbilanzen errechnen - wieviel Niederschlag tatsächlich an den Quellen herauskommt.

An und für sich ist diese Vegetation, die von den Latschen dominiert wird, sehr stabil. Aber einmal verletzt, erholt sie sich kaum mehr. Schließlich werden manche alpinen Gräser bis zu 1.000 Jahre alt. Ist der Bewuchs einmal weg, verschwindet bald auch der Boden - und damit ein wichtiger Wasserbuffer.
Wald dient als Wasserspeicher
Aus diesem Grund besitzt die Stadt Wien auch einige hundert Quadratkilometer Wald in ihren Quellgebieten, - um die Wasserwirtschaft durch die richtige Waldwirtschaft zu unterstützen. Ein Windwurf in den 60er Jahren hat gezeigt, welche Folge Monokulturen haben. Quadratkilometerweise entwurzelte der Wind damals Bäume - die Folge: Boden wurde ausgewaschen, Trübstoffe tauchten in den Quellen auf und sogar überdurchschnittlich viele Keime. Das Wasser aus manchen Quellen wurde ungenießbar.
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Mischwälder ideal
Gestufte, standortangepasste Mischwälder, wie sie auch vom Institut für Waldbau der Universität für Bodenkultur beim Karstforschungsprojekt untersucht werden, sollen die Karst-Quellen besser schützen. Damit wird der Wald stärker und stabiler, er kann mehr speichern. Im Fall von Schnee heißt das zum Beispiel: der Schnee liegt länger im Baum-Schatten am Boden und schmilzt nicht unter den ersten Sonnenstrahlen ab. Wasserspitzen, so wie im Frühjahr bei der Schneeschmelze üblich, können so etwas gebremst werden.
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Satellitentechnologie liefert Information ...
Bis zur Hälfte der Niederschläge, so der Karstforschungsleiter Gerhard Kuschnig von den Wiener Wasserwerken, fällt nicht als Regen, sondern in Form von Schnee. Um abzuschätzen, wann und wie viel davon als Karstwasser zur Verfügung stehen wird, nutzen die Wasserwerke modernste Satellitentechnologie.

Mit Hilfe innovativer Fernerkundung berechnen sie die Schneedecke und können dadurch die Wasserversorgung Wiens besser managen.
... zu Wasser und Schneefall
Auch der Hydrologe Hermann Stadler von Joanneum Research bekommt seine Wasserdaten via Weltraum. In einem Versuchsbetrieb sendet eine Messstation in einem entlegenen Hochschwab-Tal Wasserdaten via LEOs (Low Earth Orbiting Satellites) an seinen Rechner in Graz.

Die nur 800 Kilometer hoch kreisenden Satelliten brauchen nur wenig Sendeenergie und sind auch aus engen Tälern erreichbar. So wird sich in Zukunft noch viel schneller als heute etwa auf Verunreinigungen im Wasser reagieren lassen, indem etwa eine problematische Quelle statt ins Trinkwasser in einen Bach geleitet wird.
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Ein Beitrag von Franz Zeller für die Ö1-Dimensionen vom 8. Jänner 2003, 19.05 Uhr in Radio Österreich 1
->   Ö1
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->   Wiener Wasserwerke (Stadt Wien)
->   Institut für Hydrologie und Geothermie, Joanneum Research
->   science.ORF.at: 2003 ist das "Jahr des Wassers"
 
 
 
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01.01.2010