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Springende Gene im Reis entdeckt  
  Eine amerikanisch-japanische Forschergruppe hat das Erbgut der beiden Unterarten der Reispflanze unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Das Reisgenom enthält so genannte Transposons - springende Gene, die im Verlauf der Evolution ihren Platz im Erbgut beliebig wechseln können.  
Susan Wessler und ihr Team von der University of Georgia konnten im Rahmen ihrer Studie eine molekularbiologische Weltpremiere für sich verbuchen. Sie beschrieben eine völlig neue Klasse von springenden Genen.

Eine terminologische Kuriosität am Rande: Die Transposons springen nicht nur gleichsam wie Tischtennisbälle durch das Genom - sie heißen auch so: "Ping" und "Pong".
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"An active DNA transposon family in rice"
Die Arbeit "An active DNA transposon family in rice" von Ning Jiang, Zhirong Bao, Susan R. Wessler und Mitarbeitern erschien in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature" (Band 421, S. 163-167).
->   Nature
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Reis - Objekt wissenschaftlicher Begierde
Die Reispflanze ist ein Objekt der Begierde genetischer Grundlagenforschung. Mehrere Konzerne und Forscherkonsortien ringen um die Entzifferung des Erbgutes des unscheinbaren Grases.

So drängen sich an vorderster Stelle einflussreiche Firmen wie etwa Monsanto und Syngenta neben Wissenschaftlern des Beijing Genomics Institute oder des International Rice Genome Sequencing Project (IRGSP).

Ziel des wissenschaftlichen Wettstreits: Die endgültigen Sequenzdaten des Reisgenoms - und die damit verbundenen wissenschaftlichen (bzw. finanziellen) Meriten.
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Oryza sativa - eine Pflanze als Wirtschaftsfaktor
Eingedenk der ökonomischen und agrikulturellen Rolle, die der Reis - oder Oryza sativa, wie er wissenschaftlich genannt wird - weltweit spielt, überrascht das wissenschaftliche Gedränge wohl eher nicht. Einige Zahlen hierzu: Crealien (wie Reis, Mais und Weizen) bedingen 60 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Produktion, jährlich werden mehr als 500 Millionen Tonnen Reis geerntet, mehr als ein Drittel der Menschheit deckt mindestens 50 Prozent ihres Energiebedarfs über den Konsum von Reis.
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Genomentschlüsselung - Abschluss ist Geschmacksfrage
Ab welchem Zeitpunkt das Reisgenom als endgültig entschlüsselt bezeichnet werden kann, hängt vom angestrebten Zahlenwert des so genannten Deckungsgrades der Sequenzdaten ab - und ist somit bis zu einem gewissen Grad eine Geschmacksfrage. Festzustellen bleibt:

Die vom IRGSP angestrebten >99,99 Prozent wurden noch nicht erreicht, als Meilenstein sind jedoch zwei Veröffentlichungen im April des Jahres 2002 zu nennen, als zwei Forscherkonsortien Datensätze mit den Deckungsgraden 92 Prozent bzw. 93 Prozent publizierten.
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Die beiden Veröffentlichungen erschienen im Wissenschaftsmagazin "Science" (Band 296, auf den Seiten 79-92 und 92-100).
->   Science
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Aktive Sequenz gefunden
Das Forscherteam um Susan Wessler durchforstete nun die zugänglichen Genomdaten der beiden Unterarten Oryza sativa, ssp. japonica und ssp. Indica. Dabei griffen sie u.a. auf die Datenbank des "Rice Genome Reserach Program" (RGP) zurück.

Das Ergebnis ihrer computerunterstützten Analyse: Das Erbgut der Reispflanze wird von einer völlig neuartigen Klasse springender Gene bevölkert: So genannte "miniature inverted-repeat transponsable element", kurz MITE genannt. Eine 430 Basenpaare lange Sequenz rückte dabei in das Zentrum ihres Interesses.

Zunächst stellte sich heraus, dass diese in beiden Arten in hohen Kopienzahlen vorkam und sich während der Versuche sogar in einer Unterart vermehrte. Das Problem dabei: Die erwähnte Sequenz codiert für kein Protein und kann sich somit nicht selbständig im Erbgut bewegen bzw. vermehren.
->   Zur Datenbank des RGB
"Ping" und "Pong" als molekulare Helfer
Daraus schlossen die amerikanischen Genetiker: Es muss andere Transposons geben, die der entdeckten omnipräsenten Sequenz quasi unter die Arme greifen. Zwei Kandidaten wurden identifiziert, Wessler und ihre Mitarbeiter gaben ihnen den Namen "Ping" und "Pong". Ob sich die Forscher dabei vom Tischtennissport inspirieren ließen, ist indes nicht bekannt.
Ergebnisse stützen Stresstheorie
Die in Wesslers Arbeitsgruppe erzielten Resultate sind aus mehreren Gründen interessant. Zum einen unterstützen sie eine Theorie, die von der Nobelpreisträgerin und Entdeckerin der "jumping genes", Barbara McClintock, begründet wurde.

Gemäß dieser Ansicht werden Transposons vor allem unter Stressbedingungen aktiviert. Das war genau bei jenen Reissorten der Fall, die an extreme klimatische Bedingungen angepasst waren. Wessler sieht darob Konsequenzen für die zukünftige Pflanzenzucht.
Konsequenzen für den Menschen?
Zum anderen betreffen die Ergebnisse auch den Menschen bzw. die Erforschung von dessen Erbgut: "Wir wissen, dass die Mehrheit der genomischen DNA höherer Lebewesen von Transposons stammt: Mehr als 45 Prozent beim Humangenom und bis zu 95 Prozent bei manchen Pflanzen, wie z.B. der Iris", so Wessler.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   University of Georgia
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01.01.2010