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Alkohol als Aphrodisiakum? Studie beweist hormonelle Wirkung  
  In den medizinischen Wissenschaften ging man bis dato davon aus, dass starke Alkoholisierung zur Minderung des Testosteronspiegels führe. "Stimmt nicht", meinen amerikanische Forscher nun in einer aktuellen Publikation. Sie fanden heraus, dass der Konsum von Alkohol unter gewissen Bedingungen auch das Gegenteil auslösen kann: Nämlich einen sprunghaften Anstieg des Sexualhormons.  
Mit diesem Ergebnis haben Robert H. Purdy und seine Mitarbeiter vom Scripps Research Institute eine Regel widerlegt, die bislang als universell gültig angesehen wurde.

Die Versuche wurden zwar an Ratten durchgeführt, die amerikanischen Forscher spannen aber auch eine interpretative Tangente zum menschlichen Verhalten: Damit könne etwa die Zunahme von Aggression oder Libido bei Trunkenheit erklärt werden, so die Wissenschaftler.
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"Ethanol Increases Testosterone in Rat Brain"
Die Studie "Acutely Administered Ethanol Participates in Testosterone synthesis and Increases Testosterone in Rat Brain" von Ahmed A.- Alomary, Robert H. Purdy et al. wurde in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Alcoholism: Clinical & Experimental Research" (BAND 27, Nummer 1, auf den Seiten 38-43) veröffentlicht.
->   Alcoholism: Clinical & Experimental Research
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Bisherige Studien relativiert
Die Wirkung von Alkohol auf den Hormonhaushalt von Mensch und Tieren ist ein intensiv untersuchtes Forschungsgebiet. Die überwiegende Mehrzahl aller bislang vorgenommenen Studien kam zu folgendem Ergebnis: Alkohol senkt die Ausschüttung von Testosteron.

Das Forschungsteam um Robert H. Purdy konnte nun zeigen, dass dem nicht immer so sein muss. Im Gehirn und Blut von Ratten konnte eine Zunahme von Testosteron nachgewiesen werden.
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Testosteron
Testosteron wird oft als "das männliche Sexualhormon" bezeichnet. Diese Bezeichnung ist insofern irreführend, als es auch im Blut der Frau nachzuweisen ist, allerdings in geringeren Konzentrationen. Die Bildung erfolgt in den Hoden bzw. Eierstöcken, der Nebennierenrinde sowie in der Leber. Testosteron bewirkt bei beiden Geschlechtern eine Vermehrung der Muskelmasse, eine Senkung des Cholesterinspiegels sowie eine Steigerung des Eiweißaufbaus. Beim Mann sind die Spermatogenese sowie Muskel-, Stimmband- und Genitalwachstum direkt von diesem Hormon abhängig.
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Das Nachweisprinzip
Purdy und seine Mitarbeiter verabreichten im Rahmen ihrer Studie Ratten eine Dosis von 2g Ethanol/ kg Körpergewicht. 30 Minuten danach wurde der Testosterongehalt im frontalen Cortex sowie im Blutplasma gemessen.

Die direkte Wirkung auf den Stoffwechsel wurde mit einer besonderen Form des Alkohols erreicht, bei dem Deuterium - ein Wasserstoffatom mit einer höheren Masse - anstelle eines "normalen" Wasserstoffs eingebaut wurde. Der Nachweis erfolgte dann per Massenspektrometrie.
Ergebnis: Vervierfachung des Hormonspiegels
Das Ergebnis: die untersuchten Nager wiesen einen sprunghaften Anstieg der Testosteronproduktion im Gehirn (Faktor vier) und Blut (Faktor drei) auf. Die amerikanischen Forscher zeigten sich darob sehr überrascht:

Ihr Ergebnis stehe nicht nur im Gegensatz zum bisherigen Status quo des Wissens, sondern auch zu Studien, die die selbe Arbeitsgruppe an einer anderen Rattenspezies durchgeführt hatte.
Konsequenzen: Weitere Parameter von Bedeutung
Robert Purdy schließt daraus, dass die Gleichung "Alkoholkonsum reduziert die Reproduktionsfähigkeit" bisher zu undifferenziert angenommen worden sei. Offensichtlich seien auch weitere Parameter (Dosis, individuelle Physis etc.) zu berücksichtigen, so Purdy.

Der Forscher weiter: "Unsere Studie hat gezeigt, dass der Konsum von Alkohol - zumindest unter gewisssen Bedingungen - den Testosterongehalt in Gehirn und Blut akut erhöhen kann. Dies kann wiederum zu gewissen Verhaltenseffekten führen, die mit dem Testosterongehalt verbunden sind: So etwa erhöhte Libido oder Aggression."
Von Ratten und Menschen
Purdy schreckt auch nicht davor zurück, die Ergebnisse auf den Menschen umzulegen: Die widersprüchlichen Resultate von verschiedenen Tierstudien könnten auch ähnliche individuelle Differenzen beim Menschen widerspiegeln, so der Studienautor.
Ambivalente Wirkung ...
Dass Alkohol durchaus ambivalente Wirkungen auf den Organismus haben kann, zeigt auch eine weitere Studie der aktuellen Ausgabe von "Alcoholism: Clinical & Experimental Research": Eine Arbeitsgruppe um Joel Elbich von der Mount Sinai School of Medicine konnte zeigen, dass Alkohol sowohl als Sedativum, wie auch als Stimulans wirken kann.
... auch in psychischer Hinsicht
Damit ist wiederum die Anfälligkeit für Suchtprobleme verbunden: Menschen, die ein Persönlichkeitsmerkmal aufweisen, das als "behavioral undercontrol" bezeichnet wird, verspüren öfter den positiven Effekt des Alkohols (Stimulation, Euphorie). Allerdings sind solche Persönlichkeitstypen auch anfälliger, suchtartiges Verhalten zu entwickeln, so die Conclusio von Elbich und seinem Team.
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01.01.2010