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Die Aufklärung der DNA-Struktur - 50 Jahre danach  
  Am 25. April 2003 feiert eine der denkwürdigsten Publikationen in der Geschichte der Naturwissenschaften ihren 50. Geburtstag: Vor einem halben Jahrhundert haben James Watson und Francis Crick die Struktur der DNA aufgeklärt - und damit das so genannte biotechnologische Zeitalter eingeläutet. Aus diesem Anlass widmet die aktuelle Ausgabe von "Nature" der DNA ganze 58 Seiten.  
Das Wissenschaftsmagazin beleuchtet darin historische, biologische sowie gesellschaftliche Implikationen rund um jenes Molekül, das wohl als Ikone der biowissenschaftlichen Moderne bezeichnet werden kann.
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Publikationsreigen: "The eternal molecule"
Der Reigen an Publikationen zum 50. Jahrstag der denkwürdigen Veröffentlichung von Watson und Crick wird durch den Überblicksartikel "The eternal molecule" der "Nature"-Herausgeber Carina Dennis und Philip Campbell eröffnet (Nature, Band 421, Seite 396). Danach folgen Reprints jener drei - mittlerweile klassischen - Originalartikel von James Watson, Francis Crick sowie Maurice Wilkins und Rosalinde Franklin, die Meilensteine zur Aufklärung der DNA-Struktur gesetzt haben.

Es schließen sich 15 Kommentare namhafter Autoren zu verschiedenen Themenschwerpunkten an. Hier kommen z. B. zu Wort: Der bekannte Lehrbuchautor Bruce Alberts (Seiten 431-35)sowie Svante Pääbo, Direktor am Leipziger Max-Planck Institut für evolutionäre Anthropologie (Seiten 409-12), u. a. m.
->   "Nature"-Schwerpunkt: 50 Jahre DNA (kostenfrei)
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"Auf den Schultern von Riesen"
"Wenn ich weiter gesehen habe als andere, so deshalb, weil ich auf den Schultern von Riesen stehe", kommentierte einmal Newton jene wissenschaftlichen Umwälzungen, die seine Gravitationstheorie ausgelöst hatte.

Diese Aussage kann als Paraphrase des wissenschaftlichen Arbeitens schlechthin gelesen werden: Die Erkenntnisse werden dadurch vorangetrieben, dass sich einzelne Forscher auf die Vorarbeit anderer stützen. Dies wiederum ist nur deshalb möglich, weil Wissen innerhalb der Forschergemeinde als frei verfügbares Gut behandelt wird.
Fritz Miescher - Entdecker der DNA
Dies gilt nicht zuletzt auch für die denkwürdige Veröffentlichung von dem amerikanischen Biologen James Watson und dem britischen Physiker Francis Crick. Die "Riesen", auf deren Schultern sie saßen, hören auf die Namen Fritz Miescher, Oswald Avery, Erwin Chargaff und Rosalinde Franklin.

Bereits im Jahr 1869 isolierte der schweizer Biochemiker Johann Friedrich Miescher eine organische Substanz aus dem Zellkern von weißen Blutkörperchen und benannte sie als "Nuklein" (von lat. "nucleus"). Später erkannte man, dass es sich hierbei um zwei Substanzen handelte. Eine davon: Die Nukleinsäure, heute kurz als DNA bezeichnet.
Oswald Avery - Nachweis der Erbsubstanz
Bis in die 40er Jahre führte die DNA das Dasein eines wissenschaftlichen Mauerblümchens. Damals war man der Überzeugung, dass Proteine als Träger der Erbsubstanz fungieren, dem gemäß widmeten sich die meisten Forscher der - heute so bezeichneten - "Proteintheorie der Vererbung".

Der kanadische Bakteriologe Oswald Theodore Avery war es schließlich, der - entgegen dem damals herrschenden Paradigma - zweifelsfrei nachweisen konnte, dass die DNA der Träger der Erbinformation ist. (Siehe hierzu die Erinnerungen von Averys Co-Autor Maclyn McCarty im aktuellen "Nature", S.406).
Chargaff und Franklin - unbelohnte Pioniere
Damit war die grundlegende Frage nach dem genetischen Material beantwortet, es folgte die empirische Knochenarbeit. Diese leistete der österreichisch-amerikanische Biochemiker Erwin Chargaff, der durch langwierige Forschungen zeigen konnte, dass die Bausteine der DNA charakteristische ganzzahlige Verhältnisse bilden.

Schließlich steuerte Rosalinde Franklin im Jahr 1951 Röntgenstrukturdaten bei, ohne die es für Watson und Crick unmöglich gewesen wäre, ihr DNA-Modell zu konstruieren (siehe hierzu den Kommentar von Franklins Biografin Brenda Maddox, "Nature" 421, S.407-8).
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Nobelpreis: Die Ironie der Auszeichnung
Watson und Crick erhielten im Jahr 1962 gemeinsam mit Maurice Wilkins den Nobelpreis für Medizin. Die erwähnten Pioniere der DNA-Forschung, Avery, Chargaff und Franklin, hätten diesen ohne Zweifel auch verdient gehabt, gingen aber aus unterschiedlichen Gründen leer aus.

Der amerikanische Wissenschaftssoziologe Robert K. Merton bezeichnete diese den offiziellen Preisverleihungen inhärente Ungerechtigkeit einmal als "Phänomen des 'einundvierzigsten Sitzes'" - und bezog sich dabei auf die auf 40 Mitglieder beschränkte Academie francaise. Deren Begrenzung schloss automatisch eine Reihe talentierter Frauen und Männer von akademischen Ehrungen aus. Was für die französiche Akademie gilt, trifft nicht minder für die Verleihung des Nobelpreises zu.
->   Die Nobelpreisträger 1962
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Bild: Nature

Die Nobelpreisträger 1962; von links: Maurice Wilkins (Medizin), Max Perutz (Chemie), Francis Crick (Medizin), John Steinbeck(Literatur), James Watson (Medizin) und John Kendrew (Chemie).
Watson und Crick - Revolutionäre der Biologie ...
Watson und Crick schlugen in ihrem denkwürdigen paper "A Structure for Deoxyribose Acid" ein räumliches Modell der DNA vor, das mit den bis dahin bekannten chemischen und physikalischen Daten im Einklang stand.

Die eigentliche Sensation war aber, dass mit ihrem Doppelhelix-Modell auch die Vermehrung des Erbmaterials einer Erklärung zugeführt wurde.
... und Großmeister des Understatements
Bild: Nature
Das Doppelhelix-Modell der DNA aus der Originalarbeit von Watson und Crick.
Dies deshalb, weil darin die Bausteine der DNA spezifische Paarungen eingehen. Von diesem Punkt aus liegt der Gedanke an einen Reißverschluss-artigen Kopiermechanismus nicht mehr weit: "It has not escaped our notice that the specific pairing we have postulated immediately suggests a possible copying mechanism for the genetic material", lautet der vielzitierte und auffallend bescheidene Schlusssatz aus Watsons und Cricks Arbeit.

Natürlich handelt es sich dabei um eine durchaus kokette Form der Bescheidenheit. Denn in Wahrheit waren sich die Autoren sehr wohl bewusst, dass sie damit den Keim für eine Revolution gesetzt hatten. Eine biotechnologische Revolution, deren Ergebnisse heute den Alltag von Wissenschaft und Gesellschaft prägen.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Die Arbeit von Watson und Crick kostenlos im Volltext (Brown University)
->   Mehr zur Struktur der DNA (University of Arizona)
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01.01.2010