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Vogel-Urahn: Dinosaurier, der mit vier Flügeln glitt  
  Gleich mit vier Flügeln ausgerüstet glitten einige Vorfahren der heutigen Vögel vor mehr als 120 Millionen Jahren von Baum zu Baum. Das schließen chinesische Forscher aus Vergleichsanalysen mehrerer Dinosaurierfunde. Demnach besaß ein von dem Team nun präsentierter Saurier an den vorderen wie auch an den hinteren Gliedmaßen ein dichtes Federkleid - und zudem einen gefiederten Schwanz.  
Das rund ein Meter lange Tier namens Microraptor gui werfe ein neues Licht auf die Evolution der Vögel, schreiben die Forscher um den Evolutionsbiologen Xing Xu vom Institut für Vertebratenpaläontologie und Paläoanthropologie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in "Nature".
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"Four-winged dinosaurs from China"
Die Studie ist in unter dem Titel "Four-winged dinosaurs from China" in der aktuellen Ausgabe von "Nature" erschienen: Bd. 421, S. 335 - 340, vom 23. Jänner 2003 (doi:10.1038/nature01342). In dem begleitenden "News and Views"-Artikel "Palaeontology: Dinosaurs take to the air" (S. 323¿324; doi:10.1038/421323a) beleuchtet ein Evolutionsbiologe die Ergebnisse der chinesischen Forscher.
->   Der Originalartikel in "Nature" (kostenpflichtig)
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Fliegen: Gelernt aus dem Gleitflug
Bild: Xing Xu.
Skelett des Microraptor gui
Nach Meinung der Forscher bekräftigen ihre Ergebnisse eine fast 100 Jahre alte Theorie, nach der sich die ersten Vögel nicht vom Boden in die Lüfte erhoben, sondern das Fliegen aus dem Gleitflug heraus entwickelt haben.

Auf Grund des Körperbaus und der Anordnung der Federn schließt das Team von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking, dass der Dinosaurier ähnlich wie ein Eichhörnchen zwischen den Bäumen hin- und herglitt.

Der Microraptor gui hat laut Studie vor etwa 124 bis 145 Millionen Jahren in den Bäumen gelebt. Auch die gemeinsamen Vorfahren von Vögeln und Microraptor seien Vierflügler gewesen, schreiben die Forscher in "Nature".
Vögel und Dinos: Die Suche nach dem Bindeglied
Nach Ansicht von Experten stammen die heutigen Vögel alle von einem gemeinsamen Vorfahren ab - einem Dinosaurier, der vor rund 225 Millionen Jahren im Mesozoikum gelebt haben soll.

Die Suche nach diesem Vogel-Dino-Bindeglied ist im vollen Gange, nachdem sich der letzte spektakuläre Fossilienfund als Fälschung herausgestellt hat.

Zwar wurden schließlich - zusammen mit den Dinosauriern - die meisten Vogelarten vor rund 65 Millionen Jahren ausgelöscht, dennoch halten viele Wissenschaftler diese für die einzigen wahren, noch lebenden Verwandten der Dinosaurier.
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Der lange Streit um die Entwicklung des Fliegens
Die Debatte um die Evolution des Fliegens ist bereits im 19. Jahrhundert geführt worden - die Theoretiker spalten sich grob in zwei verschiedene Richtungen: Während eine Gruppe davon ausgeht, dass sich die Fähigkeit bei auf dem Boden lebenden Dinosauriern entwickelt hat, glauben andere wiederum, dass sie zunächst bei auf Bäumen lebenden Tieren entstand.

Nach These eins haben sich bei zweibeinigen Dinosauriern geflügelte Schwingen entwickelt, die es diesen irgendwann erlaubten, zu fliegen. Die Zwischenstufe wird etwa damit erklärt, dass die Flügel zunächst der schnelleren Laufgeschwindigkeit - also dem Antrieb - dienten. Die Anhänger von These zwei jedoch gehen davon aus, dass in Bäumen lebende Tiere sich von Ast zu Ast schwangen - und Gleitstrukturen für eine weichere Landung entwickelten, die irgendwann schließlich zu Flügeln wurden, die auch das Fliegen erlaubten.
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Wiederbelebung einer umstrittenen These
Bild: Portia Sloan (Nature)
Rekonstruktion der Morphologie des Sauriers
In einer Entwicklung hin zu den heutigen Vögeln haben sich die hinteren Flügel wieder zurückgebildet, vermuten die Wissenschaftler. Mit der Vorstellung eines vierflügeligen Sauriers untermauern sie einen Vorschlag des amerikanischen Naturforschers William Beebe.

Dieser hatte bereits 1915 dafür plädiert, dass die Ahnen der Vögel in den Bäumen lebten und irgendwann vom Gleitflug in aktives Flügelschlagen übergingen.

Bisher war diese Theorie rein spekulativ geblieben. Andere Experten gehen davon aus, dass das Fliegen vom Boden aus entstanden ist. Dieser Theorie zufolge hätten die Vogel-Vorfahren mit kräftigen Hinterbeinen Anlauf genommen und sich dann mit schlagenden Flügeln aufgeschwungen.
Andere Studie: Flügel-Evolution am Boden
Eine jüngst erschienene Studie zur Evolution des Fliegens - publiziert im Fachmagazin "Science" vom 17. Jänner - will ebenfalls diese alte Streitfrage der Evolutionsbiologie klären - die Antwort des US-Ornithologen Kenneth Dial gibt allerdings der zweiten These recht.

Demnach entwickelten sich Flügel bei am Boden lebenden Sauriern. Die Zwischenstufe - eine Art "Stummelflügel", die das Fliegen noch nicht ermöglichten - halfen laut Dials Theorie den Urvögeln dabei, große Steigungen sicher zu bewältigen.

Nach Ansicht des Biologen von der University of Montana zeigt sich dieses Verhalten auch heute noch - bei Hühnern, Rebhühnern und anderen Vögeln, die zwar Flügel haben, aber dennoch nicht oder kaum fliegen können.
->   Mehr dazu in science.ORF.at: Neue Studie will Evolution der Flügel klären
Mehr zur Evolutionsbiologie der Vögel in science.ORF.at:
->   Archaeoraptor als Vogel-Dino-Bindeglied - eine Fälschung
->   120 Mio. alte Urvögel verspeisten bereits Samen
->   Urzeitliche Abdrücke von Vögeln oder Sauriern?
 
 
 
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01.01.2010