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Saisonales Stimmungstief: Wenn der Winter depressiv macht  
  Etwa fünf Prozent der Bevölkerung leiden in der dunklen Jahreszeit an einer so genannten saisonal abhängigen Depression - kurz SAD, auch bekannt als Winterdepression. Häufig allerdings wissen die Betroffenen jahrelang nicht, warum sie sich immer wieder über Monate hinweg antriebslos und traurig fühlen. Eine Spezialambulanz am Wiener AKH will den Patienten mit der richtigen Diagnose und Therapie helfen.  
Die Winterdepression äußerst sich in vermehrtem Schlafbedürfnis, Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, Reizbarkeit, grundloser Traurigkeit und Heißhunger auf Kohlehydrate wie Süßigkeiten, Nudeln oder Kartoffeln.
Häufig viel zu spät erkannt
Bei manchen Patienten sind Antriebslosigkeit und Depressionen so stark, dass sie nicht mehr arbeiten können, soziale Kontakte abbrechen und gar an Selbstmord denken.

Das größte Problem ist, dass die Betroffenen meist jahrelang leiden, ohne zu wissen, was die Ursache ihrer Beschwerden ist und dass es Abhilfe dagegen gibt.

Dieter Winkler von der Ambulanz für Saisonal abhängige Depression am Wiener AKH kennt dieses Problem aus der täglichen Praxis: "Im Durchschnitt dauert es zehn Jahre von Beginn der Beschwerden, bis die Patienten zu uns kommen und erfahren, was mit ihnen los ist."
Die Ursachen der Winterdepression
Eine Winterdepression entsteht durch eine Funktionsstörung im Serotoninsystem des Gehirns. Bei Menschen mit Winterdepression sind die Schwankungen des Serotoninspiegels stärker als bei Menschen, die nicht unter saisonal abhängiger Depression leiden.

Das heißt, der Serotoninspiegel ist im Herbst und Winter so niedrig, dass Depressionen und andere Störungen - diese Störungen jedoch in unterschiedlicher Kombination und in unterschiedlichem Schweregrad auftreten.
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Neurotransmitter Serotonin: Botenstoff im Gehirn
Serotonin ist ein Neurotransmitter - also ein Botenstoff im Gehirn - der Stimmung, Appetit und Schlaf reguliert und damit das Verhalten und physiologische Prozesse beeinflusst. Serotonin unterliegt generell saisonalen Schwankungen und ist bei Menschen, die auf der nördlichen Halbkugel leben, im Herbst und Winter am niedrigsten.
->   Allgemeine Informationen zur Winterdepression
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Eindeutige Diagnose: Fragebogen klärt auf
Ob tatsächlich eine Winterdepression oder eine andere depressive Störung vorliegt, lässt sich mit einem speziellen Fragebogen herausfinden.

Typisch für Winterdepressive ist, dass sie sich jedes Jahr um etwa die selbe Zeit plötzlich antriebslos fühlen und depressiv werden - obwohl sie während des Frühjahrs und Sommers überaus aktiv sind und viele soziale Kontakte haben.

Viele Patienten geben sogar an, dass sie im Winter eine völlig andere Person seien und im Sommer nicht mehr verstehen könnten, warum sie im Winter an Selbstmord gedacht hätten.
Die Auswahl der richtigen Therapie
Wenn die Diagnose feststeht, können die Ärzte aus verschiedenen Therapien auswählen. Vielen Betroffenen hilft bereits eine Lichttherapie, die schon nach wenigen Tagen wirkt.

Dafür sollen sich die Patienten jeden Tag - am besten morgens - für etwa eine halbe Stunde vor eine spezielle Lampe mit hellem weißem Licht setzen und einmal in der Minute kurz direkt ins Licht schauen. Das Licht der Lampe entspricht dem vollen Spektrum des Sonnenlichts, allerdings ohne UV-Licht.
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Solarium hilft nicht: UV-Strahlung
Ins Solarium zu gehen ändert nichts an der Winterdepression, weil das Licht nur über das Auge auf den Stoffwechsel im Gehirn wirkt. Im Solarium darf man jedoch nicht ins Licht schauen, weil die UV-Strahlung Augenschäden hervorrufen könnte.
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Neues Medikament im Test am Wiener AKH
In schwereren Fällen oder wenn die Lichttherapie nicht hilft, gibt es verschiedene Medikamente, die den Stoffwechsel im Gehirn regulieren.

Am Wiener AKH wird derzeit ein neues Medikament getestet, das den Melatoninstoffwechsel reguliert. Es soll den Schlaf normalisieren und die Stimmung erhöhen. Patienten, die das neue Medikament genommen haben, spürten schon nach wenigen Wochen eine deutliche Verbesserung ihres Allgemeinbefindens.
Experte empfiehlt auch Änderung des Lebensstils
Siegfried Kaspar von der Universitätsklinik für Psychiatrie am Wiener AKH, der die saisonal abhängige Depression seit etwa 20 Jahren erforscht, empfiehlt seinen Patienten aber auch eine Änderung des Lebensstils:

"Die Betroffenen sollten sich im Winter nicht zu viel vornehmen, nach Möglichkeit jeden Tag spazieren gehen, sich in den Bergen aufhalten oder einen Urlaub im Süden machen."
20 Prozent - zumindest leicht - betroffen
Bei etwa fünf Prozent der Bevölkerung tritt die Winterdepression in schwerer Form auf, weitere 15 Prozent spüren in manchen Wintern leichte Symptome und würden laut Siegfried Kasper von vermehrtem Aufenthalt in der Sonne oder einer Lichttherapie profitieren.

Zwei Drittel der Betroffenen sind Frauen. Die saisonal abhängige Depression tritt zumeist im Alter zwischen 20 und 25 Jahren das erste Mal auf und verschwindet etwa ab dem 50. Lebensjahr wieder. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Beschwerden auch mit dem Hormonhaushalt in Zusammenhang stehen.

Ein Beitrag von Sonja Bettel für die Sendung "Modern Times" vom 24. Jänner 2003 - in ORF2.
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01.01.2010