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Dysphagie: Wenn das Schlucken zur Qual wird  
  Solange es reibungslos abläuft, ist sich niemand bewusst, dass es lebensnotwendig ist: das Schlucken. Tatsächlich aber ist eine so genannte Schluckstörung - medizinisch "Dysphagie" genannt - weiter verbreitet, als viele glauben. Dabei ist der Transport von Nahrung und Speichel gestört - die Folgen können gravierend sein: Wenn förmlich jeder Bissen im Hals stecken bleibt, die Nahrung immer wieder hochkommt oder in die Lunge gelangt, besteht Lebensgefahr.  
"Circa 12 bis 20 Prozent der Patienten in Akutspitälern leiden an Schluckstörungen, in Pflegeheimen sind es mehr als die Hälfte. Ab 65 Jahren zählen durch Schluckstörung hervorgerufene Lungenentzündungen (Aspirationspneumonie)zur vierthäufigsten Todesursache", warnt Doris-Maria Denk, Leiterin der Schluckambulanz am AKH in Wien.
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Definition der Schluckstörung
Das Schlucken hat drei wesentliche Aufgaben zu erfüllen:
1. Aufnahme und Transport der Nahrung
2. Abtransport von Speichel
3. Schutz der tiefen Atemwege vor Aspiration ("Einatmen" von Nahrung oder Speichel).
Als Schluckstörung oder Dysphagie wird eine Störung der Aufnahme und des geregelten Transportes der Nahrung vom Mund in den Magen bezeichnet.
->   Weitere Informationen in www.dysphagie-forum.de
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Die Folgen: Mangelernährung, Austrocknung, ...
Als Folge von Schluckstörungen kann es zu Mangelernährung und Austrocknung kommen. Die häufigste und auch lebensgefährliche Auswirkung von Schluckstörungen ist, wenn Nahrung, Speichel, Flüssigkeit oder Magensaft in die Luftwege gelangen.

Passiert dies ständig, kann es zu schweren, lebensbedrohenden Entzündungen der Bronchien oder Lunge kommen.
Die natürlichste Sache der Welt
Schlucken gehört zu den häufigsten Bewegungsvorgängen im Körper. Gesunde Erwachsene schlucken ca. 580 bis 2000 mal pro Tag. Das bedeutet: im Wachzustand - mit Ausnahme der Mahlzeiten - wird rund einmal pro Minute geschluckt. Im Tiefschlaf wiederum schlucken wir praktisch gar nicht.

50 Muskelfunktionsgruppen, fünf Hirnnervenpaare, sowie vier Zervikalnerven müssen beim Schlucken durch das Zentralnervensystem koordiniert werden. Es handelt sich also um einen sehr komplexen und damit auch störanfälligen Vorgang.
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Dysphagie: Eine Vielzahl möglicher Ursachen
Schluckprobleme können ihre Ursache in Mundhöhle, Rachen und/oder Speiseröhre haben. Bei jungen Menschen treten Schluckstörungen zumeist in Folge von Unfällen auf.

Bei älteren Menschen sind es vor allem Schlaganfall und andere neurologische Erkrankungen, die die Schuld an der Störung des Schluckablaufes tragen. Psychogene Ursachen sind dagegen relativ selten - und der Übergang zu Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie ist meist fließend.
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Die "Schluckanamnese" gibt erste Hinweise
Um die Ursache aufzuspüren ist neben einer exakten Differentialdiagnostik eine funktionelle Analyse des gesamten Schluckweges von der Mundhöhle bis in den Magen erforderlich.

Zuerst erfolgt die "Schluckanamnese¿: Die Patienten werden nach ihren Lebensumständen, Essgewohnheiten, Vorerkrankungen, Medikamenten - dämpfende Arzneien können den Schluckreflex herabsetzen - und nach Beschwerden beim Schlucken befragt. Das gibt erste wichtige Hinweise.
Diagnose mit modernsten Methoden
Nach Spiegeluntersuchung und klinischer Beobachtung können endoskopische Untersuchungen folgen. Diese Verfahren sind heute sehr ausgereift, für den Patienten wenig belastend und geben genauen Aufschluss über die Art der Schluckstörung.

So z.B. die transnasale Endoskopie: "Ein dünnes, flexibles Endoskop mit einer kleinen, angekoppelten Kamera wird durch die Nase eingeführt. Der Patient schluckt Nahrung unterschiedlicher Konsistenz. Per Video kann dann die Schluckfunktion überprüft werden", erklärt Expertin Denk von der AKH-Schluckambulanz.

Mit Hilfe der Röntgenvideokinematographie des Schluckaktes wird die visuelle Verfolgung des Nahrungsbissen von der Mundhöhle bis in den Magen ermöglicht. Für den Patienten verläuft dies wie eine ganz normale Röntgenuntersuchung.
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An wen wenden sich Betroffene? - Das "Schluckteam"
Die erste Anlaufstelle ist der niedergelassene Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Er wird die Erstabklärung vornehmen und die weiteren Untersuchungen koordinieren. Auf Grund der Vielzahl der am Schluckakt beteiligten Strukturen wird die weitere Diagnose zumeist mit Hilfe eines interdisziplinären Netzwerkes gestellt.

In der "Schluckgruppe" arbeiten Vertreter folgender Disziplinen zusammen: Radiologie, Neurologie, Innere Medizin (Pulmologie, Gastroenterologie), Zahnheilkunde/Kieferchirurgie, Chirurgie, Dermatologie, Pädiatrie, Psychosomatik/Psychiatrie, Logopädie, Physiotherapie und Diätetik.
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Die Schlucktherapie: Rehabilitation steht im Vordergrund
Während früher in der Therapie oft radikale chirurgische Eingriffe gemacht wurden, steht heute die Schluckrehabilitation im Vordergrund. Es handelt sich dabei um ein maßgeschneidertes Funktionstraining, das zumeist von Logopäden durchgeführt wird.

HNO-Ärztin und Phoniaterin Denk: "Rund zwei Drittel der schluckgestörten Patienten kann man heute damit rehabilitieren. Das Schlucktraining ist zwar aufwändig und oft langwierig, aber wenn die Patienten dann wieder selbst essen können, lohnt das die Mühe."
Modifikation der Nahrung ebenfalls wichtig
Auch diätetische Maßnahmen sind von großer Wichtigkeit. "Die gleichzeitige Gabe zweier unterschiedlicher Konsistenzen - wie z.B. eine Nudelsuppe - kann für die Betroffenen verheerend sein", erläutert Expertin Denk.

So kann eine Modifikation der Nahrung, wie ein Eindicken oder Verdünnen - je nach Art der Störung - den Patienten beim Schlucken helfen. Erst wenn alle therapeutischen Bemühungen nichts fruchten, wird versucht, durch schonende Operationen eine Verbesserung zu erzielen.

Barbara Urban, Ö1-Radiodoktor
->   Die HNO-Abteilung am AKH Wien
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Die Ö1-Sendung zum Artikel: Experten zu Gast
Am Montag, dem 27. Jänner, sind die Medizinerinnen und Expertinnen für Schluckstörungen Doris-Maria Denk und Sylvia Schwarz bei "Radiodoktor" Wolfgang Enenkel zu Gast. Interessierte können zwischen 14.05 und 14.40 Uhr unter der Telefonnummer 0 800 22 - 69 79 anrufen und Fragen stellen.

Eine kostenlose Infomappe zur Sendung kann bestellt werden unter: ORF Redaktion Radiodoktor, Postfach 1000, Kennwort Gastritis, Sodbrennen & Co, 1040 Wien oder E-Mail: radiodoktor@orf.at
->   Radio Österreich 1
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01.01.2010