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Projekt IMST² als Ausweg aus der Bildungskrise  
  In internationalen Vergleichsstudien rangieren österreichische Schüler in den naturwissenschaftlichen Fächern im unteren Mittelfeld. Sind sie weniger begabt als ihre Altersgenossen in Finnland und Japan? Oder liegt es am Unterricht, an der didaktischen Vermittlung des Stoffes? Um dieses Problem anzugehen, haben sich Wissenschaftler und Lehrer aus insgesamt 120 österreichischen Schulen zur Plattform "IMST²" zusammengeschlossen: Die Reforminitiative will den heimischen Mathematik- und Naturwissenschaftsunterrichts weiterentwickeln.  
IMST steht für "Innovations in Mathematics, Science and Technology Teaching".

Konrad Krainer vom Institut für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung der Universität Klagenfurt: "Die Idee von IMST² ist, dass der Erfahrungsschatz der Lehrer mit den Forschungsresultaten der Wissenschaft vernetzt wird. IMST² ist ein Unterstützungsprojekt, wo sich Lehrerteams bilden, um Innovationen im Unterricht zu entwickeln. Sie diskutieren ihre Erfahrungen und lernen von einander."
Ein offenes System für "Hilfe zur Selbsthilfe"
IMST² ist eine Plattform. Ihr Ziel ist es, ein offenes System zu schaffen, das unabhängig von Institutionen oder Personen Hilfe zur Selbsthilfe anbietet. Die Reforminitiative vernetzt das Wissen und die Erfahrung der Lehrer und der Wissenschaftler Österreichweit.

In Seminaren, auf Kursen und im Internet werden offenen Fragen diskutiert und Alternativen erarbeitet. Der Lehrer wird zum Forscher. Im Dialog mit den Universitäten kann er für seinen Standort die optimale Unterrichtsform entwickeln. Und die Fachkräfte von IMST² stehen ihm zur Seite.
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Erster Schritt: Eine Bestandsaufnahme der Situation
Der erste Schritt ist eine Bestandaufnahme: Wie läuft der Unterricht - und was kommt bei den Schülern an? Die Situation ist ungewohnt: Schüler werden um ihre Meinung gefragt, und Lehrer hören zu. Denn nur die Schüler können die Qualität des Unterrichts beurteilen. Das traditionell hierarchische Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern wird neu definiert. Das erfordert von beiden Seiten Mut und Engagement.

Werner Specht vom Zentrum für Schulentwicklung in Graz: "Ein wesentliches Merkmal des gesamten IMST²-Projektes ist das Modul der Evaluation. Es werden immer wieder Reflexionsschleifen eingebaut, Rückmeldungen über die eigenen Handlungen. Daran sieht man, was funktioniert - und was nicht."
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Was ist guter Unterricht?
In Österreich wird nach wie vor in den naturwissenschaftlichen Fächern hauptsächlich im so genannten "Frontalunterricht" gelehrt. Schüler bekommen erzählt - und das sollen sie sich merken.

Untersuchungen der Lernpsychologie haben allerdings ergeben, dass Wissen nur dann angewandt werden kann, wenn sich die Schüler oder Studenten damit konkret verbinden können. Das heißt: Wissen braucht die konkrete Erfahrung. Dazu gehört auch ein praxisbezogener Unterricht.

IMST² unterstützt Lehrer und Lehrerinnen auch finanziell bei konkreten Projekten. Zum Beispiel beim Aufbau des Laborunterrichts.
Wichtig: Lebensbezug und Mitspracherecht
Die Pilotstudie IMST² hat gezeigt, dass Schüler dann motiviert arbeiten, wenn sie das vermittelte Wissen zu ihrer Lebenspraxis in Beziehung setzen können. Schüler sollen auch mitreden dürfen, wenn es um die konkrete Auswahl des Stoffes geht. Dem Lehrer, der Themen anbietet, bleibt die letzte Entscheidung.

Welche didaktische Vermittlung führt aber zum Ziel? Hier gibt es keine generellen Rezepte. Denn jeder Standort, jede Schülergruppe braucht etwas anderes, sagt Werner Specht vom Zentrum für Schulentwicklung in Graz. IMST Quadrat hilft, individuell auf die Schüler zugeschnittene Unterrichtsprofile zu entwickeln.
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Selbstverständnis: Systemintervention
Ein praxisbezogener naturwissenschaftlicher Unterricht heißt: die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer neu zu bewerten - und sie für diese Anforderungen auszubilden. IMST² versucht diese Lücke im österreichischen Bildungssystem zu schließen, indem Praktiker, Studenten und Wissenschafter in gemeinsamen Projekten vernetzt werden. IMST² versteht sich aber nicht als Fortbildungslehrgang für Lehrer, sondern als Systemintervention. In der Schule der Zukunft sollen Lehrender und Lernender ein Team bilden.
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Schwachstellen im heimischen Bildungssystem
Die beiden internationalen Studien: TIMSS 1995 und PISA 2000 haben Schwachstellen im österreichischen Bildungssystem aufgezeigt. Eine davon ist das unterschiedliche Leistungsniveau von Burschen und Mädchen.

Während österreichische Mädchen im Lesen besser sind und den Sinn von Texten schneller erfassen als Burschen, liegen die Mädchen in den Naturwissenschaftlichen Fächern hinter ihren männlichen Kollegen. Die Ursachen dafür wurden in IMST² nicht erhoben.
Geschlechter-Unterschied muss nicht sein
Doch dass Mädchen nicht generell in Mathematik schlechter sind als die Burschen, zeigen die Ergebnisse der PISA-Studie in Island, Neuseeland, Russland und den USA. Hier erreichen die Schülerinnen höhere Werte als ihre männlichen Kollegen. In den skandinavischen Ländern ist das Leistungsniveau von Burschen und Mädchen praktisch gleich.

IMST² unterstützt Lehrer und Lehrerinnen, die ihren Unterricht individuell an die Bedürfnisse der Schüler anpassen wollen. So kann auch der Unterschied im Leistungsniveau zwischen Buben und Mädchen ausgeglichen werden.
IMST²: Kommunikation und Vernetzung
IMST² ist ein Impuls, zu kommunizieren. In den vier Schwerpunktprogrammen: Grundbildung, Schulentwicklung, Lehr- und Lernprozesse sowie Praxisforschung unterstützt IMST² die Lehrer und Lehrerinnen.

Sie werden ermutigt, selbst Studien zu erstellen und diese im breiten Rahmen zu diskutieren. Anleitungen für den Unterricht erhalten sie nicht. Was hilft sind die Erfahrungen der Kollegen.

IMST² heißt aber auch: Vernetzung mit den Universitäten. Und hier dient das Know-how der Lehrer den Fachdidaktikern als Grundlagenmaterial. Die Universitäten selbst stellen den IMST²-Teilnehmern auch internationale Studien und Fachleute zu Verfügung.

Ein Beitrag von Margarethe Engelhardt-Krajanek für die Sendung "Dimensionen" am 6. Februar 2003 um 19.05 Uhr in Radio Österreich 1.
->   Radio Österreich 1
->   Alles über IMST² auf der Homepage des Projektes
Mehr zum Thema Schule in Österreich in science.ORF.at:
->   Österreichs Schüler am längsten in der Klasse
->   Alle Beiträge zur PISA-Studie im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010