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Eingewanderte Arten "flüchten" vor Parasiten  
  Tiere und Pflanzen, die aus fremden Ländern einwandern, können eine echte Bedrohung für Ökosysteme darstellen. Denn die Invasoren sind bisweilen so "erfolgreich", dass ihre Vermehrung epidemische Ausmaße annimmt. Warum das so ist, erklären nun zwei aktuelle Studien: Eingewanderte Arten entgehen in fremden Ökosystem dem Konkurrenzdruck ihrer Parasiten - und genießen dadurch mitunter einen uneinholbaren Vorsprung im vielzitierten "Kampf ums Überleben".  
Diese Erkenntnis ist insofern bemerkenswert, als man intuitiv annehmen sollte, dass heimische Arten an ihre angestammten Lebensbedingungen besser adaptiert sind als Einwanderer aus fremden Ländern. Zwei "Nature"-Publikationen zeigen, dass das Gegenteil der Fall ist - die Flucht vor Parasiten macht's möglich.
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"Parasites lost"
In der aktuellen Ausgabe von "Nature" (Band 421, 6.3.2003) beschäftigen sich drei Artikel mit dem Thema invasiver Arten: "Introduced species and their missing aparsites" von Mark E. Torchin, Kevin D. Lafferty und Mitarbeitern behandelt das Problemfeld von zoologischer Seite (S. 628-30), "Release of invasive plants from fungal and viral pathogens" von Charels E. Mitchell und Alison G. Power aus botanischer Perspektive (S. 625-27). Keith Clay steuert mit "Parasites lost" noch Überblicksinformationen im Rahmen eines Kommentars bei. (S.585-6).
->   http://www.nature.com
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Invasoren kosten jährlich Milliarden
Tier- und Pflanzenarten, die aus fremden Ländern in neue Lebensräume einwandern, sind nicht nur ein Thema für Biologen, sondern auch für Ökonomen:

Allein invasive Pflanzen kosten die US-Wirtschaft jährlich 33 Milliarden Dollar, Tiere nicht eingerechnet. Wie der Onlinedienst der BBC vermeldet, bewegen sich die Kosten, die am afrikanischen Kontinent durch (biologische) Invasoren hervorgerufen werden, in ähnlichen Größenordnungen.
->   BBC: Alien species 'cost Africa billions'
Paradox: Bessere Leistung trotz "Auswärtsspiels"
Aus biologischer Sicht scheint dieser Sachverhalt zunächst paradox. Denn warum sollten Tier- und Pflanzenarten, die an fremde Ökosysteme angepasst sind, gegenüber den ansässigen Spezies einen Vorteil genießen?

Oder salopp formuliert: Warum können Invasoren ganze Ökosysteme überrollen, obwohl sie doch - biologisch - ein "Auswärtsspiel" zu führen haben?
Parasiten sind Klotz am Bein
Die seit längerem vermutete Antwort lautet: Tierische und pflanzliche Immigranten könnten jenem gewaltigen Konkurrenzdruck ausweichen, der von den Parasiten in ihren angestammten Lebensräumen erzeugt wird.

Ein Forscherteam um Mark E. Torchin von der University of California, Santa Barbara, konnte diese Hypothese nun verifizieren. Die amerikanischen Biologen untersuchten 26 verschiedene Arten, darunter Weich- und Krustentiere, Fische, Vögel, Säugetiere, Amphibien und Reptilien.
In der Fremde konkurrenzlos
Das Ergebnis: Die Exoten wurden im Schnitt von nur halb so vielen parasitierenden Arten heimgesucht. Zudem war auch der Anteil der befallenen Individuen geringer. Wie die untenstehende Abbildung der Strandkrabbe Carcinus maenas eindrücklich zeigt: In der Fremde lebt man mitunter - ökologisch gesehen - wie Gott in Frankreich.

 
Bild: Jeff Goddard, UCSB

Während die europäische Variante von Carcinus maenas (links) unter dem Konkurrenzdruck ihrer Schädlinge nur eine geringe Körpergröße erreicht, wächst die in die USA ausgewanderte Form (rechts) zu bemerkenswerten körperlichen Ausmaßen heran.
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"Parasiten wie Krypton für Superman"
Studienleiter Kevin D. Lafferty hat für diese Erkenntnis einen anschaulichen Vergleich aus der Populärkultur parat: "Parasiten haben auf invasiven Arten jene Wirkung, die Krypton auf Superman hatte." Nur das Vorzeichen sei in diesem Fall gewissermaßen umgekehrt: Denn während Superman seine entfesselten Kräfte ausschließlich in einen guten Dienst stellte, könnten invasive Arten eine Spur der Zerstörung nach sich ziehen, so Lafferty.

Haben sich die fremde Arten einmal etabliert, dann bezeichnet man sie auch als Neophyten bzw. Neozoen: Österreichische Beispiele hierfür sind etwa Kartoffelkäfer, Reblaus, Götterbaum oder die Spanische Wegschnecke.
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Bestätigung von botanischer Seite
Zu ganz ähnlichen Resultaten führte eine Studie zweier Wissenschaftler der Cornell University, Ithaca. Die beiden Ökologen Charles E. Mitchell und Alison G. Power untersuchten 473 aus Europa in die USA eingewanderte Pflanzenspezies.

Sie fanden heraus, dass die Exoten zu 84 Prozent weniger Pilz- und 24 Prozent weniger Virusinfektionen aufwiesen.
Vorsprung im Wettrennen
Zudem konnten sie nachweisen, dass genau jene Arten die fremden Ökosysteme gleichsam überrollt hatten, die mit dem geringsten Parasitenbefall auf ihre lange Reise gegangen waren.

Offensichtlich ein wichtiger Vorsprung in jenem evolutionären Wettrennen, bei dem man bekanntlich laufen muss, um an der Stelle zu bleiben.

Robert Czepel, science.ORF.at
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Invasoren im Tier- und Pflanzenreich
->   Global-Strategie gegen fremde Tier- und Pflanzenarten
->   Artenvielfalt kontra Invasion:
 
 
 
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01.01.2010