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Dioxine und Lebensmittelsicherheit
Von Helmut Tausch
 
  Im Sommer 1999 fand man in Belgien stark erhöhte Dioxingehalte in Hühnerfleisch und Eiern. Die dadurch in ganz Europa ausgelösten Untersuchungen brachten bis in jüngste Vergangenheit weitere Vorfälle zutage. Selbst Lachse werden durch Dioxine zum Gesundheitsrisiko.  
Produkt von Verbrennungsprozessen
Offensichtlich verlagert sich die Dioxin-Problematik vom Umwelt- in den Lebensmittelbereich.

Dioxine entstehen hauptsächlich bei Verbrennungsprozessen. Dank verbesserter Technik und strenger Überwachung konnte jedoch der Dioxinausstoß etwa aus Abfall-Verbrennungsanlagen drastisch gesenkt werden.

Weitere Quellen sind thermische Verfahren der Metallgewinnung und -verarbeitung (wie die Wiederaufbereitung von Altmetallen). Aber auch bei der Produktion, Verwendung und Entsorgung chlor-organischer Verbindungen treten Dioxine herstellungsbedingt als Verunreinigungen auf.
Hohe Beständigkeit
Bekannte Beispiele sind die einst verbreitet z.B. als Trafo-Öle eingesetzten polychlorierten Biphenyle (PCB) und das Fungizid Pentachlorphenol (PCP). Beide sind seit Jahren in den entwickelten Ländern verboten; auch eine weitere Dioxinquelle, die Chlorbleiche in der Papierindustrie, wurde hier längst durch andere Verfahren ersetzt.

Auf Grund der hohen Beständigkeit chlor-organischer Verbindungen werden wir jedoch noch geraume Zeit und in den entlegensten Gebieten mit ihren Rückständen konfrontiert sein.
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Dioxine
"Dioxine" sind eine Gruppe von 210 ähnlich gebauten organischen Chlorverbindungen. Von diesen sind allerdings "nur" 17 wirklich toxisch und auch die - strukturbedingt - in unterschiedlichem Ausmaß.

Am giftigsten ist das "Seveso-Dioxin" 2,3,7,8-TCDD, mit dem man seit der Chemie-Katastrophe im italienischen Seveso im Jahr 1976 extreme Gefährdung von Umwelt und Gesundheit assoziiert. Darüber hinaus wurde diese Substanz 1997 durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als krebserzeugend beim Menschen eingestuft.
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Richtwerte: Wie deutet man Analysenergebnisse?
Die WHO erachtet eine Dioxin-Aufnahme von 1 - 4 pg TEQ je kg Körpergewicht und Tag als tolerierbar (1 pg ist 1 billionstel Gramm, also 0,000 000 000 001 g). TEQ steht für "Toxizitätsäquivalent" und sagt aus, welcher Menge an 2,3,7,8-TCDD die in einer Probe gefundenen Dioxine hinsichtlich ihrer biologischen Gesamtwirkung entsprechen.

Das TEQ ist also keine simple Konzentrationsangabe, es beschreibt vielmehr das Gefährdungspotential einer Probe und erleichtert damit wesentlich den Vergleich und die Bewertung von Untersuchungsergebnissen.
Über die Nahrung in den Körper
Als Bewohner eines industrialisierten Landes sind wir einer durchschnittlichen Hintergrundbelastung ausgesetzt, die dem obigen Richtwert nahekommt.

90 bis 95 Prozent dieser Belastung gelangen über die Nahrung in den Körper, vorwiegend durch Fleisch und Milchprodukte. In Reaktion auf den belgischen Futtermittelskandal wurden auch in Österreich Vorsorgeaktions- und Eingriffswerte festgelegt, z.B. 2 pg TEQ pro Gramm für Futtermittel, 5 pg TEQ pro Gramm Fett für Hühner- und 2 pg TEQ pro Gramm Fett für Schweinefleisch.
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Langsam abgebaut
Aufgenommene Dioxine werden sehr langsam abgebaut und reichern sich in Fett-, Leber- und Hautgewebe an. Als Hinweis auf das Belastungsausmaß ist daher die sehr fettreiche Muttermilch gut geeignet. Anhand dieses Indikators wurde erfreulicherweise eine Halbierung des Dioxingehalts in den letzten 10 Jahren festgestellt - ein greifbarer Erfolg der Bemühungen zur Emissions-Eindämmung.
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Herkunft feststellbar?
Je nach Quelle variiert das Mengenverhältnis der verschiedenen Dioxine: So konnte als Ursache der Futtermittelverunreinigung in Belgien PCB-hältiges Altöl identifiziert werden, das als Beimengung zu Recycling-Fett in die Produktionskette "geraten" war.
Untersuchungen in Österreich
Bei den durch diesen Vorfall europaweit ausgelösten Untersuchungen wurden in Österreich kaum betroffene Produkte gefunden; hingegen entdeckte man einige Futtermittel mit signifikantem Dioxingehalt, der aber relativ niedrig im Vergleich zu den inkriminierten belgischen Produkten war und ein vollkommen anderes "Muster" aufwies.

Tatsächlich konnte hier als Ursache der mineralische Futtermittelzusatz Kaolinit ermittelt und unverzüglich aus dem Verkehr gezogen werden. Die in Deutschland gelegene Lagerstätte dieses Tonminerals ist übrigens nach bisherigen Erkenntnissen geogen, d.h. ohne menschliches Zutun mit Dioxinen verunreinigt.
Analytischer Nachweis
Die Gefährlichkeit dieser Substanzklasse geht glücklicherweise meist mit extrem niedrigen Konzentrationen (Größenordnung: ein Teil in einer Billion!) einher, der analytische Nachweis erfordert daher beträchtliches Know How und eine entsprechend hochwertige Ausrüstung.

Die Mitarbeiter des Seibersdorfer Dioxinlabors - das auch als österreichisches Referenzlabor für Dioxine in Lebensmitteln fungiert - verfügen über langjährige Erfahrung auf diesem Spezialgebiet und über Analysengeräte nach dem letzten Stand der Technik.
Konsequenzen
Das durch die erwähnten und andere Vorfälle gesteigerte Qualitätsbewußtsein auf dem Lebensmittelsektor hatte immerhin zur Folge, daß nicht nur die Kontrollen verbessert, sondern auch entsprechende Forschungsprojekte in Angriff genommen wurden.

So wurden im Tätigkeitsbereich des Autors zwei Projekte initiiert, die zur Festlegung wissenschaftlich gesicherter Vorsorgeaktions- und Eingriffswerte beitragen sollen, um letztendlich die Dioxinbelastung des Menschen zu vermindern.
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Nähere Infornmationen:
Dr. Helmut TAUSCH, ARCS, Österreichisches Forschungszentrum Seibersdorf Ges.m.b.H.
Umwelt- & Lebenswissenschaften, Chemische Analytik
A-2444 Seibersdorf
Telefon: +43/(0)50550 - 3565
Fax: +43/(0)50550 - 3653
E-mail: helmut.tausch@arcs.ac.at
->   Homepage ARCS
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01.01.2010