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Biotech-Verband imitiert Heilungsprozess des Körpers  
  Amerikanischen Forschern gelang ein weiterer Schritt in Richtung Zukunft der Medizin. Sie stellten einen Biotech-Wundverband her, der Blutungen stoppt und mit dem Körpergewebe verwächst. Der Verband besteht aus einem Protein, das unter natürlichen Bedingungen an der Blutgerinnung beteiligt ist. Möglich wurde dies durch eine revolutionäre Technik, die "Electrospinning" genannt wird.  
Mit der selben Technik gelang der Arbeitsgruppe um Gary Bowlin von der Virginia Commonwealth University auch die Herstellung künstlicher Blutgefäße: Ein weiteres Indiz dafür, dass in der Medizin der Zukunft die Grenzen zwischen "natürlich" und "künstlich", "körpereigen" und "körperfremd" verschwimmen könnten.
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"Electrospinning of Nanofiber Fibrinogen"
Die Publikation "Electrospinning of Nanofiber Fibrinogen Structures" von Gary Bowlin und Mitarbeitern ist in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Nano Letters" erschienen (Ausgabe vom 12. Februar 2003).
->   Nano Letters
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Blutende Verletzung: Was tun?
"Angenommen sie hätten eine Verletzung mit starken Blutungen und ein Sanitäter versorgte sie auf der Straße: Was würde er tun?", fragt Gary Bowlin, Erstautor der neuen Studie: "Er würde vermutlich eine Mullbinde auflegen und fest darauf drücken. Wenn sie dann ins Spital kämen, würde das dortige Personal den Verband wieder runterreißen - und die Blutung begänne von neuem."
Neues Material verwächst mit Körper
Dieser und ähnliche Fälle könnten bald der Vergangenheit angehören: Die amerikanischen Biotechnologen entwickelten ein neuartiges Gewebe, das lediglich auf die Wunde aufgebracht werden muss - und damit die Blutgerinnung in Gang setzt. Doch dem nicht genug:

Der natürliche Wundverband könne nach Auskunft der Wissenschaftler auch länger auf der Wunde belassen werden: Der Körper behandle dann das Material als "seinesgleichen" und verwachse mit dem übrigen Gewebe.
Natürliche Wundheilung wird imitiert
Die Anwendungsmöglichkeiten des Materials sind breit: Von kleinen Schnitt- bis zur groben Fleischwunde könne, so Bowlin, die Blutung jeder Verletzung gestoppt werden. Ermöglicht wird diese Innovation durch einen relativ einfachen Trick.

Der natürliche Verband imitiert den körpereigenen Wundheilungsprozess. Das heißt, er besteht aus dem faserförmigen Protein "Fibrinogen", das auch im Körper eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung spielt.
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Blutgerinnung: Fibrin und Fibrinogen
Die Blutgerinnung ist ein komplizierter Prozess, der zunächst durch die Aggregation von Thrombozyten eingeleitet wird. Daraufhin wird eine biochemische Kaskade ausgelöst, im Rahmen derer spezielle Proteine (die so genannten Gerinnungsfaktoren) aktiviert werden. Eines davon ist das Fibrinogen, dessen Name sich vom lateinischen "fibra" (Faser) ableitet. Das Fibrinogen wird im Laufe der erwähnten Kaskade zu Fibrin umgewandelt, welches durch seine Fähigkeit zur vernetzenden Polymerisation die Blutgerinnung (i.e.S.) auslöst.
->   Mehr zur Blutgerinnung (gesundheit.de)
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Neuartige Technologie angewandt
Um den Verband aus dem körpereigenen Protein herzustellen, bedienten sich die amerikanischen Forscher einer neuartigen Technik, die "Electrospinning" genannt wird. Dabei wird ein Gewebe aus Fasern erzeugt, die sich in etwa so verhalten ,"wie das bei Spaghetti im Kochtopf der Fall ist", so Bowlins anschaulicher Vergleich.
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Electrospinning
Beim Electrospinning wird eine Fibrinogen-Lösung auf eine Düse aufgebracht, die gegen eine Metallplatte gerichtet ist. Dann wird ein elektrisches Feld angelegt. Ab einer gewissen Feldstärke überwindet die Anziehungskraft die Oberflächenspannung der Lösung und es entsteht ein kontinuierlicher Fluss, der sich auf dem Weg zu der Metallplatte (durch Verdampfung) in eine trockene Faserstruktur umwandelt.
->   Mehr zum Electrospinning (Virginia University)
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Fasern entsprechen ihrem natürlichem Gegenstück
"Der entscheidende Punkt ist, dass wir auf diese Weise Fasern herstellen können, die die selben Ausmaße aufweisen, wie jene in natürlichen Blutklumpen", erklärt Bowlin: "Der Körper empfindet diese Struktur daher als normal und die natürlichen Dinge nehmen ihren Lauf."

Der Durchmesser natürlicher Fibrinogen-Fasern bewegt sich im Bereich von 82 bis 91 Nanometern. Jener der durch "Electrospinning" gewonnenen Strukturen liegt mit 80 Nanometern nur knapp daneben. Zum Vergleich: Ein durchschnittliches menschliches Haar ist mit etwa 100 Mikrometern ca. 1.000 mal so dick.
Technologie mit Zukunft
Wie zukunftsträchtig diese Technik ist, zeigt ein Ergebnis, das die amerikanischen Biotechnologen zu Beginn dieses Jahres veröffentlicht haben: Damals berichtete die Arbeitsgruppe um Gary Bowlin von Blutgefäßen, die sie um künstlich hergestellte Kollagenfasern wachsen ließ. Letztere wurden wie der natürliche Wundverband mittels Electrospinning gewonnen.
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
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01.01.2010