News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 
Biologische Grundlagen einer Ernährungs-Weisheit  
  "Sage mir, was du isst - und ich sage dir, wer du bist", hieß es schon im 19. Jahrhundert. Biologische Grundlagen dieser Ernährungs-Weisheit haben zwei aktuelle Studien untersucht. Demnach beeinflusst der individuelle Geschmack die Ernährungsgewohnheiten - und damit auch ein mögliches Krankheitsrisiko. Selbst "evolutionäre Trends" lassen sich den Ergebnissen zufolge an der Nahrungswahl ablesen.  
Die Medizinerin Linda Bartoshuk von der Yale University sowie der Ernährungswissenschaftler Timothy Johns von der kanadischen McGill University stellten ihre Ergebnisse am Freitag auf der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science (AAAS) in Denver vor.
->   American Association for the Advancement of Science
Warum wir sind, was wir essen
"Sage mir, was du isst - und ich sage dir, wer du bist" - dieser allseits bekannte Satz stammt aus der "Physiologie des Geschmacks" von Jean Anthelme Brillat-Savarin - geschrieben im 19. Jahrhundert.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt heute die Medizinerin Linda Bartoshuk, wenn sie den Zusammenhang zwischen individuellem Geschmack, Ernährung und möglichen Krankheitsrisiken untersucht.

Denn, so ihre These, die geschmacklichen Unterschiede bedingen andere Ernährungsgewohnheiten und damit auch andere gesundheitliche Folgen.
Unterschiedlicher Geschmack - andere Ernährung
Wie die Forscherin auf der AAAS-Jahrestagung berichtete, weisen Menschen unterschiedliche geschmackliche Fähigkeiten auf - abhängig von der jeweiligen Konzentration an "Geschmacksknospen" bzw. spezifischen Sinneszellen auf der Zunge. Je feiner sie schmecken können, desto "wählerischer" sind sie bei der Nahrung.

Grundsätzlich gilt demnach: Menschen, deren Geschmackssinn besonders fein ausgeprägt ist, essen weniger süße und fette Nahrung - sie sind daher im allgemeinen schlank. Gleichzeitig jedoch essen sie meist weniger Gemüse, da dies für sie unangenehm bitter schmeckt. Die Folge: ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krebsarten.

Die für den individuell ausgeprägten Geschmackssinn verantwortlichen Gene - Bartoshuk unterscheidet "Nicht-Schmecker", "Mittel-Schmecker" und "Super-Schmecker" - sind, so ihre These, ein Produkt der Evolution: Jede Gruppe habe dadurch bestimmte gesundheitliche Vorteile gehabt, meint sie.
...
Der Geschmackssinn: Vier bis fünf Richtungen
Der Mensch nimmt Geschmack über die Zunge wahr - und unterscheidet dabei süß, sauer, salzig, bitter und - immer häufiger dazugezählt - umami. Dies verdankt er den kleinen Geschmacksknospen auf der Zunge, die für die Wahrnehmung des Geschmacks verantwortlich sind. Wenn diese Zellen zum Beispiel Zuckerstoffe binden, wird die Nahrung als süß empfunden. Besitzen sie einen Rezeptor für Glutamat, das in Fleisch vorhanden ist, entsteht der Geschmackseindruck umami. Die Geschmacksstoffe lösen einen chemischen Reiz aus, der in elektrische Erregung umgewandelt wird und dem Gehirn die jeweilige Geschmacksrichtung signalisiert.
->   Mehr Informationen zum Geschmackssinn
...
Evolutionäre Ernährungs-Trends
Der Ernährungswissenschaftler Timothy Johns dagegen hat sich die Essgewohnheiten bei einigen Naturvölkern genauer angesehen und dabei nach Hinweisen auf evolutionär bedingte Ernährungs-Trends gesucht.
Beispiel Antioxidantien: Keine neue Erkenntnis
Wie Johns meint, sind die "neuen" Erkenntnisse über gesunde Ernährung - etwa bezüglich der Wirkung so genannter Antioxidantien - so neu nicht:

Die Menschen, so seine These, verwenden tatsächlich seit langem pflanzliche Produkte, um die Nebenwirkungen einer Ernährung auszugleichen, die reich ist an tierischen Produkten.
Immer mehr schädliche Freie Radikale
Vor etwa zwei Millionen Jahren habe die Größe des menschlichen Gehirns und Körpers zugenommen, unsere Vorfahren hätten darauf hin immer mehr tierische Nahrungsmittel - vor allem Fleisch - zu sich genommen und weniger pflanzliche.

Die frühen Menschen nahmen also in steigendem Maße Fettsäuren und Cholesterin zu sich, so die Erläuterung des Ernährungsexperten.

Durch die Umwandlung dieser Nahrungsmittel in Energie entstanden im Körper aber auch so genannte Freie Radikale. Diese Verbindungen schädigen das Erbgut und auf lange Sicht die Gesundheit. Viele Pflanzen enthalten allerdings antioxidative Moleküle, welche diese Art von Schäden verhindern können.
Beispiel Massai: Pflanzliche "Nahrungsergänzungen"
Die Massai in Ostafrika sowie die Hochlandbewohner Tibets ernähren sich noch heute vergleichsweise fettreich und essen wenig Obst oder Gemüse - dennoch finden sich dort keine hohen Raten an Herzkreislauf-Erkrankungen.

Wie Timothy Johns herausgefunden hat, ist dies offenbar auf ganz bestimmte pflanzliche "Nahrungsergänzungen" zurückzuführen, welche die Massai verwenden: etwa Pflanzenmaterial als eine Art Kaugummi oder Wurzeln und Rindenstücke als Essensbeigabe.

Labortests haben demnach ergeben, dass diese pflanzlichen Stoffe einen zum Teil sehr hohen Anteil an Antioxidantien aufweisen - Komponenten, die den Cholesterin- und Fettlevel im Blut senken. Ähnlich ist die Situation in Tibet.
Vergleich mit den populären Vitaminpräparaten
Die Popularität von Nahrungsergänzungsmittel wie etwa Vitaminpräparaten in den modernen westlichen Kulturen scheine Teil einer sehr alten und weit verbreiteten Praxis zu sein, so Timothy Johns Schlussfolgerung.

Nach Meinung des Ernährungswissenschaftlers deutet alles darauf hin, dass sich diese Gewohnheiten auf Basis von evlutionären Einflüssen entwickelt haben - der Hang zur Nahrungsergänzung scheint also keineswegs unnatürlich zu sein, wie es vielen Menschen heute erscheine.
->   McGill University School of Dietetics and Human Nutrition
->   Yale University School of Medicine
->   Alles zum Thema Ernährung in science.ORF.at
Mehr zum Geschmacksinn im science.ORF.at-Archiv:
->   Die Signalwege der Geschmacksverarbeitung
->   Die unterschätzten Sinne: Schmecken und Riechen
->   Warum wir sauer schmecken
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010