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Wenn der Babyblues andauert  
  Fast alle Mütter kennen ihn: den Babyblues, eine depressive Verstimmung kurz nach der Geburt. Bei den meisten Frauen ist der unangenehme Zustand schnell vorbei. Neueste Studien zeigen aber, dass er bei 10 -15 Prozent aller Mütter länger anhält und zur ernsthaften Krise werden kann.  
Bislang wenig beachtet, wird derzeit weltweit an großangelegten Studien über die nachgeburtliche oder postpartale Depression PPD geforscht.
Die Forschung steht am Anfang
In Australien wurde im Herbst die weltweit größte Studie gestartet: 100.000 schwangere Frauen werden in einem Langzeitprojekt begleitet. Auch in Österreich versucht man dem Phänomen auf die Spur zu kommen.
Erste Ergebnisse bei Wiener Studie
Hier werden im Auftrag der Wiener Frauengesundheitsbeauftragten derzeit über 2000 Frauen in drei Wiener Spitälern untersucht und befragt. Die Studie soll Grundlage für ein neues Betreuungsmodell sein, das bereits mit der Schwangerschaft beginnt

Die ersten Ergebnisse zeigen, dass es drei wesentliche Ursachen geben kann, warum das erwartete Mutterglück in Tränen erstickt: persönlicher Stress, soziale Unsicherheit, psychische Anfälligkeit.
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Mutter als Schicksal
Generationen haben es so gelernt und weitergegeben: die höchste Erfüllung des Frauenlebens ist die Mutterschaft. Was für viele die Erfüllung ist, bedeutet für manche ungeahnten Stress. Der soziale Druck, eine perfekte Mutter zu sein, überfordert.
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Übermotivation führt oft zu negativen Ergebnissen
Der Anspruch, alles richtig zu machen, bewirkt das Gegenteil. Es verkrampft die Beziehung zwischen Mutter und Kind. Der Nachwuchs reagiert oft mit Unverständnis auf die Initiativen der Mutter - was für zusätzliche Verunsicherung sorgt.

Diese Verhalten kann zu einer Spirale führen, die sich immer weiter dreht, bis die Mutter sogar ihr Baby ablehnt - ein Verhalten, das Folgen für die Entwicklung des Kindes haben kann.
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Tabuthema Depression
Es dauert lange, bis man sich die Situation eingesteht, erzählen viele Betroffene. Eine Depression zu haben, gehört noch immer zu den Krankheiten, die man einfach nicht hat.
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Mama allein zuhause
Was die Situation oft verschlimmert: der Partner stellt keine echte Hilfe für die Mutter dar. Auch durch die Veränderungen in der Gesellschaft, von der Großfamilie zum Paar- oder gar Single-Haushalt bleiben Mütter oft mit ihren Problemen allein.

Dann genügen die alltäglichen Probleme, die Sorgen um die Existenz, die in der heutigen Wettbewerbsgesellschaft allgegenwärtig ist, um eine anhaltende Depression auszulösen.
Vom Babyblues zur dauerhaften Depression
Die Gefahr der Entstehung einer anhaltenden Depression ist nicht zu unterschätzen. Denn knapp ein Drittel der an postpartale Depression Erkrankten haben bereits Anlagen für eine Depression oder ähnliche Stimmungsstörungen, die erst bei Stress-Situationen und hormonellen Umstellungen auftreten.
Schnelle Hilfe kann Eskalation vermeiden
Im Extremfall kann aus der schweren postpartalen Depression eine Psychose mit Selbstgefährdung und Gefährdung des Kindes werden.

Daher kommt es laut dem Leiter der Kinderklinik am Wiener Wilhelminenspital Andreas Lischka auf rasche Hilfe an, bevor sich das Verhältnis Mutter-Kind problematisch entwickelt und so auch das Kind bereits psychosomatische Symptome, vor allem Schlaf- und Essstörungen, zeigt.
Fächerübergreifende Zusammenarbeit
An Lischkas Klinik gibt es eine der ersten österreichischen Betreuungseinrichtungen, die auf einer eigenen Mutter-Kind-Station umfassende Hilfe für Betroffene anbietet.

Kinderärzte, Psychologen, Sozialarbeiter und Psychiater stimmen ihre Behandlung auf das Bedürfnis von Müttern mit PPD und ihren Kindern ab.

Oft hilft bereits eine Sozialarbeiterin, die die tägliche Arbeit abnimmt um die Probleme zu verkleinern. Eine Gesprächstherapie unterstützt das Bewältigen von Stress-Situationen, und wenn nötig, sorgt auch der von einem Psychiater dosierte Einsatz von Medikamenten für Erleichterung.
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Durch Vergleich zur Sicherheit
Weil es für die frühkindliche Entwicklung wichtig ist, das Mütter und Kinder zusammen bleiben, wird in Glanzing auch die Therapie gemeinsam durchgeführt - mit verblüffend simplen Mitteln.

Einfache Videoaufzeichnungen machen es möglich: so kann eine überbesorgte Mutter z. B. feststellen, dass ihr Kind gar nicht Angst hat, wenn es alleingelassen wird.
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Glückliche Mütter - glückliche Kinder
Auch die Interaktionen, zuviel oder zuwenig Aufmerksamkeit, lassen sich mit solchen Videoanalysen deutlich zeigen und nachvollziehen. Der Lernerfolg ist durch dieses Feedback garantiert.

Oft genügen wenige Wochen der Behandlung und der Babyblues ist vorbei, die Aufgabe Kind wird mit Lebensfreude wahrgenommen.

Eine flächendeckende Betreuung für betroffene Mütter ist in Österreich aber nicht möglich. Denn die notwendigen Mutter-Kind-Stationen, um ca. 10.000 Frauen jährlich zu betreuen, gibt es nicht.

Thomas Matzek, Modern Times
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Mehr zu diesem Thema erfahren Sie am 21.02.03 in Modern Times Gesundheit um 22.35 in ORF 2.
->   Modern Times
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->   Selbsthilfegruppe "Postpartale Depression"
 
 
 
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01.01.2010