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Aufregung um Universitätsräte der Regierung  
  Der Rektor der Universität Wien, Georg Winckler, ist durch die "mangelnde Sensibilität" der Bundesregierung bei der Bestellung der Universitätsräte seiner Hochschule "irritiert". Vor allem ein Name stört Winckler: Friedrich Stefan, Notar in Wien und Mitglied der Burschenschaft Olympia, wie der Rektor am Freitag erklärte. Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) ortet bei Stefan sowie bei weiteren von der Regierung bestellten Uni-Räten einen "burschenschaftlichen bzw. rechtsextremen Hintergrund".  
Stefan sei Obmann des Altherren-Verbandes der Olympia, der - und dabei beruft sich Winckler auf das DÖW - "den Südtirol-Terror von Burschenschaftern unter der Führung des Neonazis Norbert Burger als 'Einsatz für das bedrohte Grenzlanddeutschtum'" bezeichnet habe.

Insgesamt umfasst die Liste vier Personen, die von der Regierung auf Vorschlag von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) für die Uni Wien in den Uni-Rat nominiert wurden.
UG 2002: Uni-Räte müssen Beitrag zu Uni-Zielen leisten
"Die Universität Wien will eine Rolle im europäischen Forschungsraum spielen. Wie kann man einer italienischen Universität, mit der eine Kooperation aufgebaut werden soll, erklären, dass jemand im Universitätsrat sitzt, der von 'bedrohtem Grenzlanddeutschtum' spricht", sagte Winckler.

Der Rektor zitiert in diesem Zusammenhang aus dem Universitätsgesetz (UG) 2002, wonach die Mitglieder des Uni-Rates "auf Grund ihrer hervorragenden Kenntnisse und Erfahrungen einen Beitrag zur Erreichung der Ziele und Aufgaben der Universität leisten können" müssen.

"Solche Aussagen, wie Stefan sie getätigt hat, leisten keinen Beitrag dazu, sondern schaden der europäischen Positionierung der Universität Wien", erklärte Winckler. Den Nachweis, dass ein von der Regierung nominiertes Uni-Rat-Mitglied einen Beitrag zur Erreichung der Uni-Ziele leisten könne, müsse auch von der Bundesregierung erbracht werden, das sei ihre gesetzliche Verpflichtung.
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Hintergrund: Bisher 118 Uni-Räte bestellt
Die Regierung und die Unis haben jeweils 59 Universitätsräte für die künftig 21 Hochschulen bestellt. Sie sollen in Zukunft eine dem Aufsichtsrat eines Unternehmens vergleichbare Funktion erfüllen. Bis Ende März wird von den bisher bestellten Räten pro Uni noch ein zusätzlicher Vertreter gewählt. Insgesamt werden die Räte aus 139 Mitgliedern bestehen.

Der Universitätsrat hat künftig eine zentrale Bedeutung für die Arbeit der Universität, etwa vergleichbar dem Aufsichtsrat eines Unternehmens. Zu einer seiner wichtigsten Aufgaben zählt die Wahl des Rektors aus einem Dreiervorschlag des Senats (bzw. des Gründungskonvents bei erstmaliger Bestellung).
->   science.ORF.at: Regierung bestellt 59 Uni-Räte
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Winckler: "Liste enthält auch ausgezeichnete Namen"
Winckler betont ausdrücklich, dass er nicht allgemein gegen die Bestellung der Uni-Räte seiner Universität sei. "Die Liste enthält auch ausgezeichnete Namen. Meine Kritik bezieht sich nur auf Personen, die keinen Beitrag zu unserer Entwicklung und Positionierung leisten können", sagte der Rektor.
Abberufung nur in bestimmten Fällen möglich
Eine Abberufung von Universitätsräten ist übrigens nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich: Laut UG kann sie nur auf Grund einer schweren Pflichtverletzung, einer strafgerichtlichen Verurteilung oder wegen mangelnder körperlicher oder geistiger Eignung erfolgen.

Die Abberufung verlangt übereinstimmende, mit Zweidrittelmehrheit gefasste Beschlüsse des Senats und Rektorats der Hochschule und muss dann durch den jeweiligen Bildungsminister per Bescheid erfolgen.
DÖW spricht von "burschenschaftlich bzw. rechtsextrem"
Das DÖW hat neben Stefan noch weitere von der Regierung bestellte Universitäts-Räte "mit burschenschaftlichem bzw. rechtsextremem Hintergrund" geortet:

Namentlich nennt das Dokumentationsarchiv: Gerhard Pendl, Uni-Rat der künftigen Medizinischen Universität Wien, ehemaliger Dekan der Medizinischen Fakultät der Uni Graz und laut DÖW "Alter Herr" der Wiener Burschenschaft Oberösterreicher Germanen und Autor in der "Aula";

Udo Losert, Uni-Rat an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, Vorstand des Instituts für Biomedizinische Forschung an der künftigen Medizin-Uni Wien und laut DÖW "Alter Herr" der Wiener Grenzlandmannschaft Cimbria:

und schließlich Peter Weiß, Uni-Rat der Kunstuniversität Linz, Direktor des Karolinger Verlags, in dem laut DÖW Schriften von "deklarierten Antidemokraten" erscheinen und dessen Verlag "zumindest bis 2001 mit zehn Prozent am W3-Verlag beteiligt war, dem Eigentümer der FPÖ-nahen Wochenzeitung 'Zur Zeit'".
->   Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes
Bestellungen für die SPÖ "aufklärungsbedürftig"
Für "überaus aufklärungsbedürftig" hält SPÖ-Abgeordneter Josef Broukal die Bestellung der Burschenschafter zu Uni-Räten. SPÖ-Wissenschaftssprecher Erwin Niederwieser kündigte eine Parlamentarische Anfrage an.

Niederwieser will vor allem Aufklärung, "wieweit die FPÖ, allen voran der ehemalige Wissenschaftssprecher Martin Graf, bei der Bestellung der Uni-Räte Einfluss genommen hat".
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Gab es sonstige Vorabsprachen?
Zudem erwarte er sich eine klare Antwort, wer die Räte ausgesucht habe, welche finanzielle Entschädigung ihnen versprochen worden sei und ob es sonstige Vorabsprachen gebe. "Spannend" sei auch, wieweit die bestellten Personen die im Universitätsgesetz vorgeschriebenen Qualifikationen und besonderen Kenntnisse erfüllten, so Niederwieser in einer Aussendung.
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Weitere Schritte vorbehalten
Sollte Gehrer Antworten schuldig oder unpräzise bleiben, werde man sich weitere Schritte überlegen. "Das kann eine Dringliche Anfrage oder ein Antrag auf einen Untersuchungsausschuss sein", meinte der SPÖ-Politiker.
ÖH-Kritik: Parteipolitische Zuordnung der Uni-Räte
Kritik kommt auch von der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH): Mehr als die Hälfte der von der Regierung nominierten Räte könnten parteipolitisch zugeordnet werden.

Das reiche von Unterstützern des Personenkomitees von ÖVP-Chef Kanzler Wolfgang Schüssel bei der letzten Nationalratswahl über "engere Berater Wolfgang Schüssels wie Styria-Medienvorstandsvorsitzender Horst Pirker" bis zu ehemaligen Büromitgliedern von freiheitlichen Ministern wie Iris Klein und Christine Weber bzw. dem Ex-FPÖ-Gemeinderat Erich Marx.
Wahlwerbung für Schüssel
Von den von der Regierung bestellten Uni-Räten haben Karl Stoss, Andrea Biro-Unzeitig, Horst Seidler, Hildegunde Piza, Wilfried Seipel, Gabriele Zuna-Kratky, Peter Radel und Brigitte Winklehner bei der letzten Wahl für Schüssel geworben.
ÖVP: Kritik als "parteitaktisches Manöver"
Zurückgewiesen wird die Kritik Broukals von ÖVP-Wissenschaftssprecherin Gertrude Brinek: Diese sei ein "parteitaktisches Manöver", die von der Regierung bestellten Personen hätten bereits in der Vergangenheit wichtige öffentliche Funktionen bekleidet und könnten "auf Grund ihrer hervorragenden Kenntnisse und Erfahrungen einen Beitrag zur Erreichung der Ziele und Aufgaben der Universität leisten", so Brinek in einer Aussendung.

Der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) forderte die SPÖ auf, "endlich zur Kenntnis zu nehmen, dass sie sich spätestens seit der Universitätsreform nicht mehr als der 'Eigentümer' der Universitäten aufspielen kann".
->   Das Bildungsministerium
->   Uni-Räte der Hochschulen: Viel Wirtschaft, wenige Frauen
->   Alles zum Thema Uni-Räte und Uni-Reform in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010