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DNA-Doppel-Helix: Ein Draht-Modell feiert Geburtstag  
  "Wir waren daran gewöhnt zu glauben, dass unser Schicksal in den Sternen liegt. Jetzt wissen wir: Zu einem großen Teil liegt unsere Schicksal in unseren Genen." Nie um eine treffende Formulierung verlegen, fasste James Watson zusammen, was ihm und seinem Kollegen Francis Crick 1962 den Medizin-Nobelpreis brachte: die Entdeckung der Doppel-Helix-Struktur der Erbsubstanz DNA, die den beiden Wissenschaftlern vor genau 50 Jahren gelang.  
Erfolgreiches Basteln

Watson (links) und Crick mit ihrem Modell.
Am 28. Februar 1953 bastelten Watson und Crick am Cavendish Laboratory (Medical Research Council Unit für die Erforschung der Molekularstruktur biologischer Systeme) in Cambridge (Großbritannien) das erste Modell der Doppel-Helix aus Draht und Karton zusammen.

Erstmals schufen sie damit ein plastisches Bild, wie die Erbsubstanz der Organismen tatsächlich strukturiert ist: in der Form von zwei ineinander gedrehten Strickleiter-Molekülen aus den Basen Adenin (A) und Thymin (T) sowie Guanin (G) und Cytosin (C).
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Einen Monat später: Die Veröffentlichung
Am 25. April 1953 schrieben sie in ihrer berühmt gewordenen Veröffentlichung in "Nature", die nicht mehr als rund 900 Worte lang war: "Wir wollen eine Struktur für das Salz der Desoxyribose-Nukleinsäure (D.N.A) vorschlagen. Diese Struktur besitzt neue Merkmale, die von erheblichem biologischen Interesse sind. (...) Diese Struktur hat zwei helikale Ketten, die beide um dieselbe Achse gedreht sind ..."
->   Zum Originalartikel in Nature (pdf-File)
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Mütter und Väter des Erfolgs: Rosalind Franklin ...
Dabei waren die beiden Wissenschaftler (Watson geboren 1928 in Chicago, ursprünglich ein Zoologe; Crick 1916 gebürtiger Brite, zunächst Physiker) im Grunde nicht auf der Basis eigener Strukturuntersuchungen zu ihren Schlüssen gekommen:

Die Röntgenstruktur-Expertin Rosalind Franklin (Abteilung für Biophysik am King's College in London) hatte jene Röntgenbilder von kristallisierten DNA-Molekülen hergestellt, die auf das wirkliche Aussehen der Erbsubstanz hindeuteten. Sie starb bereits 1958 im Alter von 37 Jahren an Eierstockkrebs.
->   Mehr dazu in "Nature": "The double helix and the 'wronged heroine'"
... und Maurice Wilkins
Ihr Kollege Maurice Wilkins - er durfte den Nobelpreis mit Watson und Crick teilen - hatte ebenfalls Röntgenbilder der DNA angefertigt und Watson die noch nicht veröffentlichten Bilder gezeigt - und womöglich den entscheidenden Hinweis für das Modell geliefert.
Modell aus Draht und Karton
Dabei war der Clou von James D. Watson und Francis H. C. Crick eine wirklich epochale Idee bzw. Schlussfolgerung. In ihrem Büro bastelten sie aus von der Werkstatt des Instituts gelieferten Metallteilen, Draht sowie Karton gemäß ihren Vorstellungen ihr Modell: ein zwei Meter hohes Gerüst der Doppel-Helix. Und es entsprach doch glatt der Wirklichkeit.

 
Bild: APA

Verdeckte historische Erkenntnisse
Doch die Errungenschaft der beiden Wissenschaftler hat - historisch gesehen - andere und wohl ebenso wichtige Erkenntnisse verdeckt, die damals eine neue Ära der Biologie einläuteten: Frederick Sanger hatte erstmals die Aminosäure-Bestandteile eines Eiweißes entschlüsselt - von Insulin.

Der gebürtige Wiener Max Perutz (1914-2002) tat gleiches beim roten Blutfarbstoff Hämoglobin. Der ebenfalls aus Österreich vertriebene Erwin Chargaff (1905-2002) hatte bereits 1949 bewiesen, dass sich zwischen einzelnen Arten von Organismen die Zusammensetzung des Erbguts ("Nukleotidkomposition") unterscheidet.
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1953 - ein "annus mirabilis"
Aus Sicht von Perutz, der im Jahr 1962 mit dem Chemie-Nobelpreis geehrt wurde, war "1953 das 'annus mirabilis': Im März lösten Watson und Crick die DNA, im Juni wurde der Everest bezwungen und die Königen gekrönt. Im August löste ich das Phasenproblem beim Hämoglobin, welches das Tor zur Erforschung der Proteinstruktur öffnete. Und im September entdeckten Hugh Huxley und Jean Hanson den Mechanismus der Muskelkontraktion."
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Ruhm mit Verzögerung
Der Ruhm für die Erklärung der DNA-Struktur allerdings kam für Watson und Crick erst mit einigen Jahren Verspätung. Die Theorie der beiden war nämlich äußerst umstritten.

Erst 1958 bewiesen Arbeiten der Wissenschaftler Matthew Meselson und Franklin Stahl, dass das Aussehen des Moleküls auch mit den Vervielfältigungsmechanismen der Erbsubstanz bei der Zellteilung übereinstimmte: Die Doppel-Helix ist "semi-konservativ".

Bei jeder Vermehrung windet sie sich auf und spaltet sich in die beiden Stränge. Diese dienen wiederum als Matrizen für die neue DNA. Arthur Kornberg fand jenes Enzym, das diesen Nachbau durchführt: die Polymerase.
->   "Nature"-Schwerpunkt: 50 Jahre DNA (gratis)
->   Mehr zum Thema in science.ORF.at: Die Aufklärung der DNA-Struktur
->   Das science.ORF.at-Archiv zum Stichwort Erbgut
 
 
 
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01.01.2010