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Extra-Dimensionen in der Mikrowelt?  
  Mehr als 300 Jahre nachdem Newton seine Theorie der Gravitation vorgestellt hat, ist man immer noch nicht sicher, ob sie im Mikrokosmos wirklich gilt. Gemäß so genannter String-Theorien könnten im Bereich kleinster Abmessungen bislang unbekannte Raumdimensionen und Naturkräfte ihr Dasein fristen. Amerikanische Physiker haben diese Vorhersage der Theoretiker nun experimentell überprüft. Das Ergebnis: Unbekannte Kräfte wurden nicht gemessen, die Ikone Newton bleibt unversehrt.  
Um diesen Versuch realisieren zu können, entwickelten Joshua C. Long und seine Mitarbeiter von der University of Colorado einen völlig neues Messgerät: Mittels eines so genannten Hochfrequenz-Resonators wären sie - im Prinzip - imstande gewesen, kleinste Abweichungen im Bereich der erwarteten Gravitationskräfte festzustellen.
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"Limits to extra space-time dimensions"
Der Artikel "Upper limits to submillimetre-range forces from extra space-time dimensions" von Joshua C. Long, John C. Price und Mitarbeitern erschien im aktuellen Heft des Wissenmschaftsmagazins "Nature" (Band 421, Seiten 922-925; Ausgabe vom 27.2.2003).
->   Nature
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Ehrenwerter Newton
Nicht jedem Wissenschaftler wird die Ehre zuteil, in Lobreden der Dichterzunft erwähnt zu werden. Einem der größten aller Physiker, Sir Isaac Newton, ist das passiert: "Nature and Nature's laws lay hid in the night; God said, Let Newton be! And all was light", meinte der englische Dichter und Satiriker Alexander Pope im Anschluss an die wissenschaftliche Revolution, die die Newtonsche Gravitationstheorie ausgelöst hatte.

Auch aus heutiger Sicht ist diese Ehrung nur berechtigt, denn das Newtonsche Gravitationsgesetz hat sich in irdischen Dimensionen drei Jahrhunderte lang bestens bewährt - und gehört daher nach wie vor zum Standardrepertoire physikalischer Lehrinhalte.
Das Newtonsche Gravitationsgesetz
Gemäß diesem Gesetz ist die Kraft, die zwischen zwei Körpern wirkt, von drei Faktoren abhängig: Der Masse der beiden Körper, dem Quadrat ihres Abstandes sowie einer fundamentalen Naturgröße, der so genannten Gravitationskonstante.

Im Jahr 1798 gelang es dem englischen Physiker und Chemiker Henry Cavendish erstmals, diese Größe mittels einer Drehwaage zu bestimmen.
Stringtheorien sagen Abweichungen voraus
Neuere Theorien geben nunmehr wieder Anlass, die Natur der Gravitation unter die Lupe zu nehmen. Gemäß einer Klasse von Ansätzen, die unter dem Begriff "String-Theorien" subsumiert werden, könnte es Abweichungen von Newtons Gesetz im Bereich ultrakleiner Abstände geben.
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Stringtheorie: Die Welt als Saiteninstrument
String-Theorien heißen deswegen so, weil sie die fundamentalen Partikel als Vibrationen eindimensionaler winziger "Saiten" charakterisieren. Oberstes Ziel ist die Erstellung einer Theorie, die sowohl die Phänomene der Gravitation, als auch jene der Quantenwelt angemessen beschreibt. Eine der Konsequenzen dieses Ansinnens ist die Postulierung zusätzlicher Raum-Dimensionen. Diese Dimensionen sollten wiederum "aufgerollt" sein und deren Naturkräfte daher nur im Bereich kleinster Abstände zum Tragen kommen.
->   Mehr dazu bei www.superstringtheory.com
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Schwieriger Nachweis der schwachen Gravitation
Dass die experimentelle Überprüfung solcher Vorhersagen kein einfaches Unterfangen ist, zeigt ein Vergleich, den C.D. Hoyle in einem "Nature"-Begleitartikel anführt: Die Gravitation hat zwar eine große Reichweite, ist aber im Vergleich zum Elektromagnetismus sehr schwach.

Wollte man etwa den Betrag der elektromagnetischen Kraft in einem Wasserstoffatom so klein machen, dass er der Schwerkraft zwischen Proton und Elektron entspräche, so müsste der Abstand zwischen Atomkern und -hülle 2,5 Millionen Kilometer betragen. Zum Vergleich: Der Abstand zwischen Erde und Mond beträgt etwa ein Sechstel davon.
Experimentelle Lösung: Resonanz-Oszillator
Mit anderen Worten, der Anteil der Gravitation an Kräften, die im Bereich der Atome zu finden ist, kann mehr oder weniger vernachlässigt werden.
Und genau deswegen ist die Messung dessen so unglaublich anspruchsvoll.

Joshua C. Long und sein Team lösten das Problem durch die Entwicklung eines so genannten Hochfrequenz-Resonators, der imstande ist, Abweichungen von den Newtonschen Voraussagen im Distanzbereich von 108 Mikrometern zu registrieren.
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Theorie sagt Kraft im Abstand von 100 Mikrometern voraus
Diese Distanz ist deswegen von Belang, weil gemäß den Vorhersagen einiger String-Theoretiker, die "aufgerollten" Raumdimensionen gravitationsähnliche Kräfte mit einem Wirkungsbereich von 100 Mikrometern entfalten sollten.

Ein Beispiel dafür ist die Arbeit "Extra Dimensions at the Weak Scale and Deviations from Newtonian Gravity" von Z. Chacko und E. Perazzi, die als Volltext am CERN Document Server erhältlich ist.
->   Zum Original Artikel
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"Newton is holding his ground"
Joshua Long und seine Mitarbeiter konnten indes keinerlei neue Kräfte finden: "So far, Newton is holding his ground", stellte C. D. Hoyle in seinem Kommentar trocken fest.

Ganz vorbei ist es mit der Hoffnung auf Extradimensionen und neuen Naturkräften allerdings noch nicht. Die von Long und seinem Team entwickelte Messmethode ist so leistungsfähig, dass damit auch geringere Reichweiten untersucht werden könnten - und vielleicht gibt es dann noch die eine oder andere Überraschung für Sir Isaac Newton.

Robert Czepel, science.ORF.at
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01.01.2010