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Gen-Pionier Watson: Menschheit wird klug und schön  
  Vor 50 Jahren entdeckte James Watson mit Francis Crick die Struktur der DNA, heute sorgt er wieder für Schlagzeilen. Dummheit wie Schönheit, so meinte er in einem Interview, seien genetisch bedingt und insofern auch biotechnologisch zu bekämpfen bzw. zu fördern. Eine starke Ansage des Grandseigneurs der Gentechnik - just in Zeiten, in denen sie stark angezweifelt wird.  
Und zwar nicht nur aufgrund ethischer Bedenken, sondern auch was ihre praktische Effizienz betrifft.
Rückschläge bei Immundefizienz-Therapie
Bei den wenigen aktuellen Anwendungen - wie bei der Therapie der genetisch bedingten schweren Immunkrankheit SCID-X1 - gab es zuletzt Rückschläge.

Mitte Jänner wurde bekannt, dass in Frankreich zwei derart behandelte Kinder an Leukämie gestorben waren. Die entsprechenden Studien wurden daraufhin bis auf weiteres abgebrochen.

Inwiefern die Gen-Manipulation mit dem Ausbruch der Leukämie zu tun hat, ist bisher freilich ungeklärt.
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Seltene Immunkrankheit SCID-X1
Kinder, die unter SCID-X1 ("Severe Combined Immuno-deficiency Disease") leiden, müssen in einer sterilen Umgebung leben und sind deshalb auch als "Bubble Babies" bekannt. Die Krankheit ist auf ein defektes Gen des X-Chromosoms zurückzuführen, das für die Steuerung von weißen Blutkörperchen verantwortlich ist, die wiederum für die Immunabwehr wichtig sind. Betroffen sind ausschließlich Buben. Bei der Gentherapie wird ein normales Gen zur Steuerung der Blutkörperchen in die Blutbahn des Patienten eingebracht, um so das Immunsystem aufzubauen.

Im April 2000 war es französischen Medizinern zum ersten Mal gelungen, auf diese Weise die Immunschwäche zu behandeln. Erste Erfolge der Therapie hatten große Hoffnungen geweckt: Mehreren Kindern war es möglich, die Schutzzelte zu verlassen und ein vergleichsweise normales Leben zu führen.
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Watson: "Alle Menschen klug, ...
Während die Gegenwart der praktischen Anwendung von Gentechnik also noch nicht allzu rosig aussieht, träumen manche von einer ebensolchen Zukunft.

Unter ihnen der heute 74-jährige DNA-Pionier und Nobelpreisträger James Watson. Er hofft, dass durch genetische Manipulation einmal möglichst viele Menschen klug und schön werden.
... alle Mädchen hübsch"
"Die Leute sagen, es wäre schrecklich, wenn wir alle Mädchen hübsch machen würden. Ich finde, das wäre toll", sagte der Amerikaner in einer britischen Fernseh-Dokumentation, aus der am Freitag (28.2.) in der "Times" (London) zitiert wurde.

Watson hatte vor genau 50 Jahren zusammen mit Francis Crick in Cambridge die Struktur des Erbguts entdeckt. Zur Zeit ist er Präsident des Cold Spring Harbour Laboratory in New York.
->   Mehr dazu in: Ein Draht-Modell feiert Geburtstag
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Watson: Rüpel aus Tradition
James Watsons feministisches Feingefühl war schon vor 50 Jahren wenig ausgeprägt. Nach der Entdeckung der DNA-Struktur, wurde sein Verhalten kritisiert, weil er die dafür nötigen Röntgenbilder kristallisierter DNA-Moleküle von Rosalind Franklin nicht gewürdigt hatte. Während er gemeinsam mit Francis Crick und Maurice Wilkins mit dem Nobelpreis geadelt wurde, ging Franklin leer aus.

In seinem 1968 erschienenen Buch "The Double Helix" beschrieb Watson Franklin, die zehn Jahre zuvor gestorben war, laut Times als "frigiden, schlecht gekleideten und charmlosen Blaustrumpf", der keine Auszeichnung verdient habe.
->   Nature-Schwerpunkt: 50 Jahre DNA
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"Dumm, wenn man Dummheit nicht bekämpft"
Auch mangelnde Intelligenz ist nach seiner Ansicht genetisch begründet und könnte durch Veränderung bestimmter Gene behoben werden. "Wenn man wirklich dumm ist, würde ich das als Krankheit bezeichnen", sagte er. "Viele Leute sagen 'das hat mit Armut und so zu tun.' Aber das ist wahrscheinlich nicht so."

Wenn die Techniken zur Genveränderung erst einmal vorhanden seien, "wäre es dumm, das nicht zu nutzen", sagte Watson. Die Kinder, deren Intelligenz am Besten manipuliert werde, würden dann "die Welt dominieren".
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Familiäre Erklärung?
Watson hat sich schon des öfteren zur Verbesserung der "menschlichen Rasse" bekannt. Er selbst hat einen Sohn, der an einer kognitiven Störung ähnlich dem Autismus leidet. Zu diesem bezieht er öffentlich zwar wenig Stellung, nach eigenen Angaben hat er seine Ansichten diesbezüglich aber beeinflusst.
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Kritik an Watson
Wissenschaftler und Ethiker reagierten sehr kritisch auf Watsons Äußerungen. Sie bezweifelten, dass sich seine Visionen je realisieren lassen, und verurteilten sie als gefährlich und unethisch.

"Das ist so weit weg, dass es Science-Fiction ist, und deshalb ist es dumm, darüber jetzt zu reden", sagte der Psychologe und Buchautor Oliver James. "Es ist absolut nicht klar, dass Intelligenz in dieser Weise vorprogrammiert ist."
"Mehr Schlechtes als Gutes"
Der Bioethiker Tom Shakespeare von der Universität Newcastle sagte, Watson wolle vereinheitlichen, was die meisten Menschen als Teil natürlicher menschlicher Variation betrachteten.

Er befürchte, dass der für seine kontroversen Äußerungen bekannte Watson trotz seiner bahnbrechenden Entdeckungen unterm Strich "mehr Schlechtes als Gutes getan" habe.
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Gastkommentare von Genetiker Hengstschläger
Mit der Frage nach "Designerbabys" setzt sich auch immer wieder der österreichische Genetiker Markus Hengstschläger auseinander. Für science.ORF.at hat er bereits zwei Gastkommentare diesbezüglich verfasst.
"Designerbabys" und "Kinder nach Maß"
"Designer-Babys": Wer soll über Leben entscheiden?
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Menschenzüchtung unter den Nazis
Die "Times" ergänzte ihren Bericht über Watsons Äußerungen mit einem Hintergrund-Artikel über frühere Versuche zur "Menschenzüchtung" bis hin zu den Euthanasie-Verbrechen der Nationalsozialisten.
->   The Times
->   Cold Spring Harbour Laboratory
->   2003 Double Helix Celebrations
->   Mehr über Gentherapien in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010