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Geisteswissenschaften oder ''Vom Nutzen des Unnützen''  
  27 Institute und mehr als 14.500 Studierende hat alleine die Geistes- und Kulturwissenschaftliche Fakultät der Universität Wien. Dennoch müssen sich diese Disziplinen immer wieder fragen lassen, welchen Profit sie bringen. Die Positionierung der Geistes- und Kulturwissenschaften in den Universitäten war daher am Montagabend Thema bei einem Podiumsgespräch der Universität Wien - unter dem Titel ''Vom Nutzen des Unnützen''.  
Den "Platz der Geistes- und Kulturwissenschaften in der neuen Universität" diskutierten die Sinologin Susanne Weigelin-Schwiedrzik, die Professorin für neuere Geschichte, Edith Saurer, der Rektor der Universität Wien, Georg Winckler, der Dekan der Geistes- und Kulturwissenschaftlichen Fakultät, Franz Römer, sowie der Germanist Wendelin Schmidt-Dengler.
Leistungsschau der Geisteswissenschaften
Das Podiumsgespräch, das im Rahmen der Wiener Vorlesungen stattfand, bildete die Auftaktveranstaltung einer aktuellen Aktionswoche und "Leistungsschau" der Geistes- und Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien.
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Woche der Geisteswissenschaft an der Uni Wien
Unter dem Motto "Geist schafft Wissen - Geistes Wissen Schaft" will sich die Geistes- und Kulturwissenschaftliche Fakultät Wien von 3. bis 8. März selbst promoten: Alle 27 Institute präsentieren sich und ihre Arbeit durch Vorträge und Führungen. In der Aula des Uni-Campus ist zudem derzeit die Ausstellung "83 Zeugnisse aktueller Forschung" mit Plakaten zu aktuellen Projekten zu sehen. Die Vortragsreihe "27 Institute - 27 Vorträge" bietet Themen von der Afrikanistik bis hin zur Zeitgeschichte.
->   Genaue Informationen auf der Homepage der Uni Wien
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Winckler: ''Gute Ökonomen denken langfristig''
Geht man nach Winckler, Wirtschaftswissenschaftler und Rektor der Universität Wien, dann denken gute Ökonomen langfristig. Bezogen auf die Geisteswissenschaften heißt das, man sollte nicht auf den schnellen Profit warten, sondern den Disziplinen genügend Zeit für Ergebnisse lassen.
Geisteswissenschaften als ''Instanz der Qualitätssicherung''
Wincklers Aussage war eindeutig: Er hält es für falsch, einseitig auf die Naturwissenschaften zu setzen, sondern sieht die Geisteswissenschaften auch als Chance für eine eigene Positionierung der europäischen Universitäten. Nicht zuletzt seien sie eine "Instanz der Qualitätssicherung'", wie der Rektor betonte.
->   Informationen zu Georg Winckler
Selbstreflexion als Nutzen für die Gesellschaft
"Wir sind viel zu defensiv", leitete die deutsche Sinologin Susanne Weigelin-Schwiedrzik ihr streitbares Credo für die Geisteswissenschaften ein.

Für sie ist die Sachlage klar: Die Funktion und der Nutzen der Geisteswissenschaften für die Gesellschaft liegen zunächst darin, dass diese über die Gesellschaft reflektieren - "sei es im historischen, sei es im kulturellen, sei es im sozialen Kontext".
Das Fremde erkennen in einer globalisierten Welt
Die Sinologin verwies auf einen weiteren Bereich und Auftrag der Geisteswissenschaften. Man müsse nicht nur sich selbst, sondern auch das Andere, das Fremde zu erkennen. "In einer globalisierten Welt gehört dies zu den Grundlagen unserer Existenz."

Womit im Übrigen - streng nach der Definition der Wissenschaftlerin - nicht nur fremde Kulturen gemeint sind, sondern auch die historischen Dimensionen der eigenen Existenz.
Plädoyer für ''Methode des Perspektivwechsels''
Die Sinologin plädierte letztlich für eine neue "Methode des Perspektivwechsels". Das sei gerade heute aktuell, denn man habe ständig mit Menschen aus anderen kulturellen Kontexten zu tun.

"Die Geisteswissenschaften müssen offensiver sagen: Weder die Naturwissenschaften noch die Technik können sich für die Gesellschaft als nützlich erweisen, wenn sie nicht ergänzt werden durch eine Schlüsselfähigkeit, die Fähigkeit zur Methode des Perspektivwechsels", so Weigelin-Schwiedrzik.
->   Informationen zu Susanne Weigelin-Schwiedrzik
Leben nicht nur durch Biologie bestimmt
"Die Geistes- und Kulturwissenschaften stellen sich die Frage nach der Ordnung der Gesellschaft", fasste Edith Saurer, Professorin für neuere Geschichte an der Universität Wien, zusammen - und weitete diesen Anspruch aus auf die Frage nach der "Ordnung des Lebens". Und das Leben, so Saurer, gehe eben nicht in der Biologie auf und werde nicht alleine durch die Genetik bestimmt.

Das Problem der Disziplinen nach Saurer: Zwar bringe das, was die Geisteswissenschaften tun, sehr wohl Profit - allerdings in einem anderen Sinn, als das die Wirtschaft sieht.
UG 2002 ''äußerst autokratisch''
Ein Blick in die Zukunft stimmt die Historikerin allerdings ob des neuen Universitätsgesetzes (UG) 2002 bedenklich: Das UG sei äußerst autokratisch, so Saurer. "Es wird verzichtet auf Engagement und intellektuelle Ressourcen, die nicht mehr in den Entscheidungsprozess eingebunden werden."
->   Informationen zu Edith Saurer
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Heftige Kritik am Einfluss der Parteipolitik
Zudem kritisierte die Historikerin den Einfluss der Parteipolitik auf die Universitäten und verwies auf die parteipolitische Besetzung der Uni-Räte, die in den vergangenen Tagen häufig für Gesprächsstoff gesorgt hat, nachdem das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) bei einigen von der Regierung bestellten Uni-Räten einen "burschenschaftlichen bzw. rechtsextremen Hintergrund" geortet hatte.

Eine Tendenz, die Saurer für bedenklich hält und die sie an die "Rückkehr der 30er Jahre" denken lässt. Das sei bedrohlich für die Freiheit von Forschung und Lehre, so die Wissenschaftlerin.
->   science.ORF.at: Besetzung der Uni-Räte weiterhin umstritten
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Geisteswissenschaften in der Offensive stark
Der Germanist Wendelin Schmidt-Dengler trat ebenfalls streitbar auf - er sieht die Geisteswissenschaften immer dann stark, wenn sie in der Offensive sind.

So verwies er auf die Diskussion über eine mögliche Ausgliederung der Lehrerausbildung aus den Universitäten - und sieht damit vor allem eines gefährdet: das "kritische Potential". Nur durch die Ausbildung an den Universitäten erhalte man Lehrer, die dieses auch in die Schule tragen, so Schmidt-Dengler.

Sabine Aßmann, science.ORF.at
->   Informationen zu Wendelin Schmidt-Dengler
->   Die Geistes- und Kulturwissenschaftliche Fakultät der Uni Wien
->   Alles zum Thema Universitätsreform in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010