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Pflanzen verraten Geschichte des Kolosseums  
  Nicht nur Archäologen und Historiker können die Geschichte berühmter Baustätten nacherzählen, sondern auch Biologen. Das Kolosseum in Rom eignet sich dafür besonders gut: Durch seinen bestens dokumentierten Bestand an Pflanzen gelang es italienischen Forschern ein Bild des weltgrößten Amphitheaters - sowie der Stadt- und Klimaentwicklung Roms - zu zeichnen.  
Die Ökologin Giulia Caneva von der Universita Roma Tre und ihr Team werteten dafür Daten aus knapp vier Jahrhunderten aus. Das Resümee ihrer eben publizierten Studie: In den Veränderungen der Flora spiegelt sich die wechselvolle Geschichte Roms.
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Die Studie von Giulia Caneva und ihrem Team ist unter dem Titel "The Colosseum's use and state of abandonment as analysed through its flora" in der Fachzeitschrift "International Biodeterioration & Biodegradation" (Bd 51, Seiten 211-219, April 2003) erschienen.
->   Zum Original-Abstract
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Erste Pflanzen-Erfassung im Jahr 1643
Gebaut wurde das Kolosseum Ende des ersten Jahrhunderts unter den römischen Kaisern Vespasian und Titus. Bei den hunderttägigen Einweihungsfeierlichkeiten haben die Gladiatoren vermutlich 5.000 wilde Tiere getötet. Bis ins sechste Jahrhundert diente es für Gladiatorenkämpfe aller Art.

Bereits 1643 führte der Arzt Domenico Panaroli die erste Pflanzen-Erhebung durch. Zu diesem Zeitpunkt, so Giulia Caneva, war das Kolosseum die Herberge zahlreicher Römer: "Damals war es voller Leute, die dort gearbeitet und gewohnt haben, aber auch ein Versteck für Diebe", wird sie von Nature Science Update zitiert.
Bestuntersuchte Baustätte der Welt
1810 wurde unter Napoleon mit der Räumung des Kolosseums begonnen, im 19. Jahrhundert sein Pflanzen-Bestand dreimal erhoben, ebenso 1951 - sowie schließlich 2001 durch Caneva und ihr Team.

Daraus hat sich ein Datenbestand ergeben, der das Kolosseum zur vermutlich bestuntersuchten Baustätte der Welt macht.
684 verschiedene Pflanzenarten
Insgesamt beinhalten die Listen 684 verschiedene Pflanzenarten. Mit 420 Stück waren es im Jahr 1855 am meisten, heute sind es noch 242. Rund 200 der Spezies konnten bei allen Erhebungen erfasst werden.
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Kolosseum
Das Kolosseum (Amphitheatrum Flavium) gilt als das größte Theater der Welt. Erbaut wurde es 72 bis 80 n. Chr. unter den flavischen Kaisern Vespasian und Titus. Der viergeschossige, elliptische Bau ist 160 Meter breit und knapp 190 Meter lang, ursprünglich war er 57 Meter hoch und fasste mehr als 50.000 Zuschauer. Die Arena selbst misst knapp 80 x 50 Meter, sie war durch ein dreieinhalb Meter hohes und mit Geländer versehenes Podium von der Zuschauerbühne abgegrenzt. Die heute offen liegenden Unterbauten enthielten Abschnitte für Personal, Tierkäfige und Maschinerien. In der Antike häufig restauriert, diente das Kolosseum im Mittelalter als Festung, danach als Steinbruch. Papst Benedikt XIV. weihte 1744 die Ruine als Märtyrerstätte; seit dem 19. Jahrhundert steht das Kolosseum unter Denkmalschutz.
->   Geschichte des Amphitheaters
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Geänderte Nutzung, geänderte Flora
Mit der Änderung der Benutzung des Amphitheaters änderte sich auch seine Flora: Landwirtschaftliche Pflanzen wurden weniger, Unkräuter wurden mehr.

Im 20. Jahrhundert kam es zu einer stärkeren Fluktuation unterschiedlicher Arten, die teils beabsichtigt war und teils zufällig vor sich ging.
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Das Kolosseum im Web
Als weltweit erstes archäologisches Monument soll das Kolosseum bis April 2003 verkabelt werden. Das Projekt "Colosseumweb" soll es virtuellen Besuchern ermöglichen, Teile des Bauwerks zu betrachten, die normalerweise unzugänglich sind. Die "elektronischen Augen" sollen flexibel installiert werden, so dass sie ständig in alle Richtungen bewegt werden können.
->   Colosseumweb
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Urbane und klimatische Änderungen
Die Aufzeichnungen zeigen auch einen Trend zu Pflanzen, die wärmeres und trockeneres Klima bevorzugen. Caneva erklärt sich dies zum Teil aus dem Anwachsen Roms. Während das Kolosseum früher am Stadtrand gelegen war, befindet es sich heute in der Stadtmitte.

Zudem reflektieren die Daten die Klimaerwärmung der vergangenen Jahrhunderte sowie den sehr aktuellen Temperaturanstieg. Im 17. Jahrhundert war es in Rom viel kälter und nässer als heute. Ausschließlich lokale Ursachen dafür könne es nicht geben, so die Forscher.
->   Universita Roma Tre, Dipartimento di Biologia
->   Nature Science Update
->   science.ORF.at: Kolosseum - Finanziert durch Jerusalem-Feldzug?
 
 
 
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01.01.2010