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Aspirin-Wirkstoff hilft auch gegen Darmkrebs  
  Lange wurde es vermutet, jetzt haben zwei Studien es eindeutig bewiesen: Der Aspirin-Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) kann nicht nur Herzinfarkte verhindern, Schlaganfällen oder Diabetes vorbeugen und nicht zuletzt Schmerzen verhindern, sondern schützt auch vor Dickdarmkarzinomen. Das haben zwei US-Studien an Darmkrebs-Patienten und an Personen mit einem hohen Darmkrebs-Risiko ergeben. Voreilig sollte man die weißen Pillen oder Pülverchen dennoch nicht schlucken, denn der Wirkstoff kann durchaus auch unangenehme Begleiterscheinungen hervorrufen.  
Schutz ist "biologisch plausibel"
Beide Untersuchungen zu dem über 100 Jahre alten Mittel wurden gar wegen eindeutig positiver Befunde frühzeitig abgebrochen. Die Resultate werden in der neuesten Ausgabe des "New England Journal of Medicine" veröffentlicht.

"Ein schützender Effekt von Aspirin ist biologisch plausibel. Aspirin wirkt über die Hemmung der Cyclooxygenase-2, ein Enzym, das (vermehrt, Anm.) in Dickdarm-Karzinom-Gewebe gefunden wird. Epidemiologische Studien haben ziemlich konsistent eine Verringerung des Risikos (...) gezeigt", schreibt der US-Experte Thomas F. Imperiale von der Universität des US-Bundesstaates Indiana in einem Kommentar zu den beiden Studien.
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Die Studien
Die beiden Artikel sind unter den Titeln "A Randomized Trial of Aspirin to Prevent Colorectal Adenomas" (Bd. 348, S. 891-899; 6.3.2003) bzw. "A Randomized Trial of Aspirin to Prevent Colorectal Adenomas in Patients with Previous Colorectal Cancer" (Bd. 348, S. 883-890) im "New England Journal of Medicine" erschienen.
->   Zum Original-Abstract
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Eindeutige Beweise fehlten bislang
Bisher war bereits bekannt, dass die Rheumamittel Sulindac und Celecoxib bei Menschen mit einem ererbten besonders hohen Dickdarmkrebs-Risiko das Auftauchen von Darmpolypen als Vorstufe von Karzinomen reduzieren.

Für ASS lagen Beobachtungsstudien vor. Es fehlte aber der eindeutige Beweis durch eine exakt auf dieses Ziel hin gerichtete wissenschaftliche Untersuchung unter Verwendung von ASS bzw. einem Scheinmedikament (Placebo).
Studie 1: Patienten nach einer Krebsbehandlung
Robert S. Sandler von der Universität des US-Bundesstaates North Carolina und seine Co-Autoren wiesen insgesamt 635 Patienten, die bereits von Dickdarmkarzinomen geheilt worden waren, per Zufalls-Auswahl zwei Gruppen zu:

Eine Hälfte erhielt täglich 325 Milligramm ASS, die andere ein Scheinmedikament. In der Herzinfarkt-Vorbeugung wäre das eine recht hohe Dosis.
Deutliche Unterschiede bei Dickdarm-Adenomen
Nach 31 Monaten wurde die Studie abgebrochen. In der Aspirin-Gruppe wurde bei 17 Prozent der Probanden mindestens ein neuerliches (noch gutartiges) Adenom-Geschwulst registriert. In der Placebo-Gruppe war das bei 27 Prozent der Fall.

Dickdarm-Adenome gelten als die klassischen Vorstufen von Karzinomen. Unter Verwendung von ASS bedeutete das eine Verringerung der Gefahr um 35 Prozent.
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Der Aspirin-Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS)
Die in Aspirin enthaltene Acetylsalicylsäure (ASS) wirkt unter anderem schmerzstillend und fiebersenkend, indem die Substanz die so genannten Cyclooxygenasen hemmt. Diese Enzyme sind unter anderem für die Bildung von Prostaglandinen zuständig, die wiederum etwa bei der Entstehung von Schmerzen, Fieber und entzündlichen Vorgängen im Körper eine wichtige Rolle spielen.

Gerade erst hat der Pharma- und Chemiekonzern Bayer in den USA die Zulassungserweiterung für ASS zur Vorbeugung eines ersten Herzinfarktes beantragt. Der Antrag basiere auf einer Empfehlung der amerikanischen Herz-Gesellschaft sowie einer Arbeitsgruppe, die sich mit Präventionsmedizin beschäftige, teilte der Konzern am Dienstag (6.3.) mit. In Europa ist Aspirin bereits in Belgien, Italien, Griechenland, Portugal und der Türkei zur Primär-Prophylaxe gegen einen Herzinfarkt zugelassen.
->   Mehr Informationen zum Wirkstoff in medicine-worldwide.de
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Studie 2: Patienten mit hohem Darmkrebs-Risiko
Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kamen John A. Baron vom Norris Cotton Cancer Center in Dartmouth-Hitchcock (US-Bundesstaat New Hampshire) und seine Co-Autoren, nachdem sie 1.121 Patienten, welche von (noch) gutartigen Dickdarm-Adenomen befreit worden waren, entweder mit 81 Milligramm des Aspirin-Wirkstoffes (ASS), 325 Milligramm oder einem Scheinmedikament behandelten.

Daraufhin wiesen nach mindestens einem Jahr 47 Prozent der Probanden aus der Placebo-Gruppe wieder ein Adenom im Darm auf. Nach der Einnahme von 81 Milligramm ASS täglich war das bei 38 Prozent der Patienten der Fall und bei Einnahme von 325 Milligramm schließlich bei 45 Prozent.
Niedrig-Dosierung mit besserem Effekt
Interessant ist, dass offenbar die geringe Menge von 81 Milligramm pro Tag - das entspricht in den USA der Niedrig-Dosierung in der Herzinfarkt-Vorbeugung (Europa: 50 oder 100 Milligramm pro Tag) - offenbar einen besseren Effekt hatte.

"Niedrig dosiertes Aspirin hat einen moderaten chemo-prophylaktischen Effekt auf Adenome im Dickdarm", fassen auch die Fachleute ihre Ergebnisse zusammen.
Nicht voreilig Aspirin schlucken
Fachleute gehen davon aus, dass fast jeder Todesfall in Folge von Dickdarmkrebs zu verhindern wäre: 90 Prozent der Karzinome entstehen aus gutartigen Darm-Polypen. Würden sie frühzeitig erkannt und entfernt, könnte Krebs gar nicht entstehen.

Dennoch: Gefährdete sollten nicht voreilig Acetylsalicylsäure bzw. Aspirin zu schlucken beginnen. Denn der Wirkstoff kann Sodbrennen, Magenschmerzen und schlimmsten Falls Blutungen im Verdauungstrakt hervorrufen.

Kommentator Thomas F. Imperiale: "Obwohl Aspirin einen gewissen Nutzen in der Verhinderung von Dickdarmkrebs haben könnte, kann es noch nicht für diese Anwendung empfohlen werden und ist kein Ersatz für Früherkennung und die Überwachung (von Gefährdeten, Anm.)".
->   www.aspirin.de mit Informationen rund um Aspirin
->   Norris Cotton Cancer Center
->   University of North Carolina School of Medicine
->   "New England Journal of Medicine"
->   Alles zum Stichwort Aspirin im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010