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Sehsinn: Forscher entdecken essenzielles Protein  
  Die Funktionsweise des Sehsinnes ist zwar in weiten Teilen geklärt, doch es gibt nach wie vor offene Fragen. Deutsche Forscher haben nun ein für den Sehprozess essenzielles Protein entdeckt: Dem Eiweißstoff "Bassoon" kommt bei der Bildung und Funktion von Synapsen der Netzhaut eine zentrale Rolle zu. Er sorgt dafür, dass die Signalübertragung von den Lichtsinneszellen auf Nervenzellen reibungslos funktioniert. Fehlt das Protein, ist das Auge weitgehend blind.  
Die Forscher vom Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt/Main haben ihre Ergebnisse gemeinsam mit Kollegen vom Leibniz-Institut für Neurobiologie (Magdeburg) und der Universität Oldenburg im Fachmagazin "Neuron" veröffentlicht.
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"The Presynaptic Active Zone Protein Bassoon"
Der Artikel "The Presynaptic Active Zone Protein Bassoon is Essential for Photoreceptor Ribbon Synapse Formation in the Retina" von Oliver Dick, Susanne tom Dieck, Wilko Detlef Altrock, Josef Ammermüller, Reto Weiler, Craig Curtis Garner, Eckart Dieter Gundelfinger und Johann Helmut Brandstätter ist erschienen im Fachmagazin "Neuron", Bd. 37, Nr. 5, vom 6. März 2003.
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Mäuse ohne "Bassoon" nahezu blind
Die Funktion des Schlüsselproteins konnten die Forscher bei der Untersuchung genetisch veränderter Mäuse aufklären, die dieses Protein nicht mehr herstellen können: Ohne "Bassoon" waren die Synapsen ihrer Photorezeptoren so schwer geschädigt, dass die Mäuse nahezu blind wurden.
Synapsen im Auge: Molekulare Schalteinheiten
Die Netzhaut bzw. Retina ist der lichtaufnehmende, sensorische Teil unseres Auges, und die Synapsen der Photorezeptoren sind die erste Schaltstelle in der Übertragung von Lichtsignalen in der Retina.

Synapsen sind Kontaktstellen zwischen einer Signal-übertragenden (Präsynapse) und einer Signal-empfangenden Nervenzelle (Postsynapse). Sie sind die molekularen Schalteinheiten der Informationsverarbeitung an den Milliarden von Nervenzellen im menschlichen Gehirn.
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Aufbau der Netzhaut: Photorezeptoren und andere Zellen
Die Netzhaut oder Retina ist ein 0,2 bis 0,5 Millimeter dickes, aus mehreren Schichten aufgebautes Häutchen, das die Innenfläche des hinteren Augenballs auskleidet. Aus Sicht der Entwicklungsbiologie gehört die Netzhaut zum Zwischenhirn und ist daher ein Teil des Zentralnervensystems. Anatomisch betrachtet besteht die Netzhaut nicht nur aus Photorezeptoren (Stäbchen und Zäpfchen) sondern auch aus einer Vielzahl anderer Zelltypen, wie z.B. Bipolar-, Müller-, Amakrin- und Ganglien-Zellen.
->   Ausführliche Informationen zum menschlichen Auge
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"Bassoon": Ungewöhnlich groß - und essenziell
Ein ungewöhnlich großes Protein in der Präsynapse ist "Bassoon" (engl. Fagott), von man bereits vermutet hatte, dass es eine wichtige Rolle an der Synapse spielt.

Tatsächlich wandeln Lichtsinneszellen bzw. Photorezeptoren Lichtquanten in neuronale Signale um. Diese werden über die Freisetzung des chemischen Botenstoffes Glutamat an ihren Synapsen auf nachgeschaltete Nervenzellen übertragen. Hier kommt "Bassoon" ins Spiel.

Den Ergebnissen der Neurowissenschaftler zufolge ist das Protein ganz essenziell für die Verankerung des so genannten "synaptischen Bandes" des Photorezeptors an der Synapse. Man vermutet, dass dieses wie ein Förderband für den kontinuierlichen Nachschub von Vesikeln zur Freisetzung von Glutamat sorgt.
Signalübertragung wird unterbrochen
Fehlt "Bassoon", werden die synaptischen Bänder nicht mehr verankert. So gelangen die mit dem Botenstoff Glutamat gefüllten Vesikel nicht mehr geordnet an die Synapse, es findet keine Signalübertragung von den präsynaptischen Photorezeptoren auf die postsynaptischen Nervenzellen statt - und die Mäuse werden nahezu blind.
Die leistungsfähigste chemische Synapse
Die Photorezeptor-Synapse ist die komplexeste und leistungsfähigste chemische Synapse, die man im zentralen Nervensystem findet.

"Unsere Untersuchung zeigt nicht nur, dass "Bassoon" ein unverzichtbares Protein für den molekularen Aufbau der Photorezeptor-Synapse ist", kommentiert Johann Helmut Brandstätter vom Max-Planck-Institut die Forschungen.

"Sie liefert auch erstmals einen direkten Beweis dafür, dass das präsynaptische Band an der Bereitstellung von Transmittervesikeln für die Signalübertragung beteiligt ist". Nun gelte es zu klären, welche Zusammenhänge zwischen Defekten im "Bassoon"-Gen und Retina-Erkrankungen bestehen.
->   Max-Planck-Institut für Hirnforschung
->   Leibniz-Institut für Neurobiologie (Magdeburg)
->   Universität Oldenburg
Mehr über den Sehsinn des Menschen in science.ORF.at:
->   Die zellulären Mechanismen des "Bewegungsmelders"
 
 
 
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01.01.2010