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Gene in Ketten  
  Proteine, die die DNA "in Ketten legen", sorgen dafür, dass in einer Zelle immer nur die gewünschten Gene tatsächlich aktiv sind. Die neue Entdeckung von Wissenschaftlern am Wiener Institut für Molekulare Pathologie (IMP) könnte auch eine Erklärung dafür liefern, wie sich unterschiedliche Zelltypen entwickeln.  
Die Ergebnisse ihrer Forschung publizieren sie in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Nature (vol. 410, S. 116).
Verpackte DNA
Der DNA-Faden in jeder menschlichen Zelle wäre, ausgestreckt, fast zwei Meter lang. Tatsächlich liegt die DNA aber eng verpackt in den so genannten Chromosomen im Zellkern vor.
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Histone und Chromosomen
Histone sind kugelförmige Proteine, um die sich die DNA wickelt. So kann das lange fadenförmige Molekül organisiert und sehr dicht verpackt werden und passt in den winzigkleinen Zellkern hinein. Die gesamte DNA jeder menschlichen Zelle ist in 23 Abschnitte unterteilt. Diese 23 Abschnitte, verpackt um die Histone, sind die Chromosomen.
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Damit einzelne Gene aktiv sein können, muss die Verpackung an dieser Stelle der DNA etwas aufgelockert werden.
Histon-Code
Drei Enzym-Systeme dürften für diese Verpackungsdichte verantwortlich sein, indem sie die Histon-Moleküle ganz spezifisch verändern. Sie definieren so den "Histon-Code", den zweiten Mechanismus neben dem genetischen Code, der bestimmt, wann welche DNA-Abschnitte aktiv sind und wann nicht.
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Veränderung der Histone
Aus den Histon-Kügelchen ragen wie Antennen Anhänge heraus, die von den Enzymsystemen spezifisch verändert werden können. Erst vergangen Sommer konnten die Forscher um Dr. Thomas Jenuwein am Wiener IMP zeigen, dass eines dieser Systeme eine sogenannte Methyltransferase ist, die ganz speziell Methylgruppen an die Antennen hängt. Die anderen zwei Systeme zur Veränderung der Histone sind Acetylierungen und Phosphorylierungen.
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Durch die spezielle Veränderung der Histone verändert sich die Verpackungsdichte der DNA - manche Abschnitte sind dann so eng verpackt, dass die auf ihnen gespeicherte genetische Information nicht mehr abgelesen werden kann.
DNA in Ketten gelegt
Neueste Untersuchungen der Gruppe um Dr. Jenuwein zeigen jetzt, dass die Methylgruppen, die an die Histone angehängt werden, wie Haken funktionieren.

Das soeben entdeckte Protein HP1 erkennt diese Haken und hängt sich daran. Wie Glieder einer Kette verbindet es die Haken und hält so die Histone und damit die um sie gewickelte DNA ganz eng und stabil aneinander.

 
Artwork: Hannes Tkadletz


Die "blauen Planeten" symbolisieren die Histon-Moleküle, um die der (gelbe) DNA-Faden gewickelt ist. Die "Haken" stellen die Methylgruppen dar. Die "Kette" ist das Protein HP1, das diese Haken spezifisch erkennt, sich daran "einklinkt" und eine dichtere Packung der DNA bewirkt.
Durch diese dichte Verpackung ist die Erbinformation in dem Bereich nicht mehr abrufbar. In ausdifferenzierten Zellen (z.B. Hirnzellen, Muskelzellen, Hautzellen,...) können nicht mehr benötigte Gene so stillgelegt werden.
Mögliche Anwendungen
Noch sind die Forschungsergebnisse reine Grundlagenforschung - über mögliche künftige Anwendungen lässt sich aber zumindest schon spekulieren.
Stammzell-Ersatz
Wenn es Wissenschaftlern gelänge, diese Stilllegung des Erbguts an bestimmten Stellen wieder aufzuheben, wären die Zellen theoretisch wieder zur Entwicklung zu allen möglichen Zelltypen fähig.

Sie hätten dann eventuell ähnliche Eigenschaften wie die viel diskutierten Stammzellen. Es könnte Ersatzmaterial für unterschiedlichste Gewebstypen gezüchtet werden, ohne dass die ethisch umstrittenen embryonalen Stammzellen herangezogen werden müssten.
Krebs-Therapie
In Tierversuchen hat sich schon gezeigt, dass Mäuse, die keine solchen ¿Ketten¿ produzieren können, häufiger an Krebs erkranken. Den Mechanismus auszunützen könnte vielleicht auch eine neue Strategie zur Krebs-Bekämpfung ermöglichen.
Pille für den Mann?
Männliche Mäuse, denen die Fähigkeit zur Bildung dieser "Ketten" fehlt, produzieren unfruchtbare Spermien. Das eröffnet eventuell Möglichkeiten zur Entwicklung einer "Pille für den Mann".
->   Nature Magazine
->   Institut für Molekulare Pathologie
 
 
 
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01.01.2010