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ENCODE - Zeitalter des genetischen Enzyklopädismus  
  Im April 2003 wird das menschliche Erbgut bis auf die letzte Base bestimmt sein. Doch was kommt danach? Das amerikanische "National Human Genome Research Institute" hat sich bereits für die biowissenschaftliche Zukunft gerüstet: Im Rahmen des Projekts ENCODE wird in den nächsten Jahren eine Enzyklopädie von DNA-Elementen erstellt. Dadurch soll im Genom die Spreu vom Weizen getrennt, d.h. die biologisch bedeutsamen Regionen ausfindig gemacht werden.  
Dabei hat das National Human Genome Research Institute (NHGRI) einen relativ unkonventionellen Weg zur Projektentwicklung eingeschlagen: Um der inhaltlichen Offenheit solcher langfristigen Grundlagenforschungen gerecht zu werden, hat man bereits im letzten Jahr um internationale Bewerbungen und Vorschläge für den Ablauf gebeten.

Mit dieser föderalen Projektstruktur will man die Untersuchungsziele Schritt für Schritt definieren sowie die Entwicklung adäquater Methoden vorantreiben.
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NHGRI und ENCODE in Schlagworten
Der Vorläufer des NHGRI wurde im Jahr 1989 mit dem Namen "National Center for Human Genome Research" gegründet. Ein Jahr später fand der offizielle Start des Humangenom-Projekts (HUGO) statt. Ursprüngliches Ziel des NHGRI war die Leitung und Organisation der HUGO-Beiträge der amerikanischen National Institutes of Health. Seit 1993 beschäftigt man sich zusätzlich mit der Entwicklung von Technologien zum Auffinden von Erbkrankheiten.

Das Akronym des zukünftigen Projekts "ENCODE" steht schließlich für " ENCyclopedia Of DNA Elements". Der offizielle Projektstart ist für den 7. März 2003 vorgesehen.
->   Zur ENCODE-Website
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Humane Sequenzdaten: Drei Orientierungspunkte
Angesichts der großen Zahl an "endgültigen" Veröffentlichungen von Sequenzdaten zum menschlichen Genom könnte sich leicht ein wenig Verwirrung einstellen. Daher ist es sinnvoll, sich an drei Schlüsselereignissen zu orientieren.

Im Jahr 1990 gab das internationale Humangenom-Konsortium bekannt, dass man über eine so genannte "draft sequence" verfüge, die etwa 90 Prozent des menschlichen Erbguts abdeckt.

Im Februar 2001 veröffentlichten schließlich die HUGO-Wissenschaftler und ihre Konkurrenten von Celera Genomics ihre Sequenzdaten zeitgleich in den Fachmagazinen "Nature" und "Science".
->   Genom-Entschlüsselung: Viele Fragen bleiben offen
100 Prozent Deckungsgrad im April 2003
Doch auch damit war noch kein hundertprozentiger Deckungsgrad erreicht worden. Dies soll nun endgültig im April 2003 der Fall sein. Allein: Mit Kenntnis der rohen Sequenzdaten ist nicht zwangsläufig biologisch-funktionales Wissen verbunden.

Denn man kennt zwar nun die Buchstaben (Nukleotidbasen) und den Übersetzungschlüssel (genetischer Code), aber daraus folgt noch lange nicht, dass der Sinn des gesamten Texts (des Genoms) einsichtig ist.

Dies u.a. deshalb, weil die biologisch bedeutsamen Regionen in einem Meer unwichtiger Sequenzabschnitte (z.B. "junk DNA") versteckt sind.
Verfeinerung des Wissens von Nöten
Aus diesem Grund will man nun seitens des NHGRI das vorhandene Wissen spezifizieren: Ziel ist es, zunächst die Protein-codierenden DNA-Bereiche von den nicht codierenden zu trennen. Außerdem will man all jene Regionen aufspüren, die durch eine spezifische genetische Funktion ausgezeichnet sind.
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Die genetischen Untersuchungsobjekte
Das sind, wie auf der ENCODE-Webpage nachzulesen ist, etwa "Promotoren", "Enhancer" oder andere Sequenzen der so genannten Transkriptionskontrolle. Weiters Sequenzen, die Einfluss auf die Chromosomenstruktur haben sowie die Replikationsursprünge, deren genaue Eigenschaften noch weitgehend unbekannt sind.
->   Mehr dazu auf der ENCODE-Webpage
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Pilotprojekt untersucht ein Prozent des Genoms
Das ENCODE-Programm wird zunächst mit einem Pilotprojekt starten, bei dem man die ausgewählten Forschungsmethoden an einem kleinen Teil des menschlichen Erbguts erproben will. Dieser Anteil soll etwa ein Prozent des Erbguts (bzw. 30 Megabasen) umfassen.
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Pilotprojekt: Promi-Sequenzen und zufällige Bereiche
Der 30 Megabasen umfassende Anteil wird wiederum in zwei Gruppen getrennt: Zum einen werden etwa 50 Prozent "per Hand" selektiert; das sind jene Regionen, innerhalb derer es besonders gut untersuchte Gene gibt und zudem eine große Menge an vergleichenden Sequenzdaten existiert.

Die zweite Hälfte besteht aus zufällig gewählten Bereichen, um einen repräsentativen Einblick in die Natur des Genoms zu gewinnen.
->   Mehr dazu auf der ENCODE-Webpage
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Auch Geld spielt eine Rolle
Last but not least sind auch finanzielle Aspekte nicht zu vernachlässigen: Das NHGRI hat immerhin 36 Millionen Dollar für die nächsten drei Jahre veranschlagt. Das Geld wird zwischen fünf bis 15 Gruppen aufgeteilt, die an dem Pilotprojekt teilnehmen sollen.

Langfristig ist jedoch mit der Investiton von viel höheren Finanzbeträgen zu rechnen: "Das ist, gelinde gesagt, ein außerordentlich bedeutsames Ereignis", bemerkt John Stamatoyannopopoulos vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston mit verbalem Händereiben.

Angesichts der kolportierten Beträge überlegt auch er eine Bewerbung um Teilnahme, denn: "Sie könnten eine Millarde Dollar dafür ausgeben - das ist viel mehr als für das Genomprojekt".

Robert Czepel, science.ORF.at
Mehr dazu in science.ORF.at
->   Menschliches Genom: Erkenntnisse aus der Entschlüsselung
->   Was macht das Menschsein aus?
->   Vom Genom zum Proteom
->   Von HUGO zu HUPO
 
 
 
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01.01.2010