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FSME-Viren als Gentherapie-Kandidaten  
  Um Erbsubstanz in Zellen einzuschleusen, werden oft Viren als "Gen-Fähren" verwendet. Nicht immer mit dem gewünschten Erfolg. Eine mögliche Alternative von Wiener Forschern: das FSME-Virus.  
"Wir sind derzeit dabei, das Potenzial von Flavi-Viren - also so genannte RNA-Viren, zu denen auch das FSME-Virus gehört, für gentherapeutische Anwendungen experimentell auszuloten", erklärte Christian Mandl vom Institut für Virologie der Universität Wien gegenüber der APA.
Viren als "Gen-Fähren"
Viren sind nach wie vor jenes "Mittel", mit dem die Forscher neue Gen-Informationen in Zellen bzw. Organismen einbringen wollen. Das ist für sie eine ganz natürliche Funktion.

Der Wiener Wissenschaftler: "Der Erfolg eines Virus beruht auf seiner Fähigkeit, genetische Information in geeignete Wirtszellen einzubringen und dort zu Proteinen umschreiben zu lassen. Diese Eigenschaft versucht man auszunützen, indem Viren gentechnisch so verändert werden, dass sie ein oder mehrere therapeutische Gene in die richtigen Zellen einschleusen."
Misserfolge bei Therapien mit Retro-Viren
Dazu verwenden die Gentherapeuten bisher oft Retroviren. Mit gutem Grund: Retroviren bauen ihre Erbsubstanz stabil in die DNA der Zellen des Empfängers ein. Doch nachdem man durch eine solche Gentherapie bei elf Buben, die an einer kombinierten schweren Körperabwehr-Schwäche litten, vorübergehend Erfolg gehabt hatte, kam laut Mandl die kalte Dusche.

Der Wiener Wissenschaftler: "Zwei dieser Kinder entwickelten Leukämie." Irgendwie waren offenbar Blutkrebs-auslösende Gene aktiviert worden. Auch bei einem dritten behandelten Kind wurde entdeckt, dass die Retroviren-Erbsubstanz in einem Gen eingebaut worden war, das eine Rolle bei der Entstehung von Krebs spielen kann.
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Virologie-Institut in Wien: Experten in Sachen FSME
Seit Jahrzehnten beschäftigen sich die Fachleute an dem Wiener Institut mit dem Verursacher der "Zeckenkrankheit". Der ehemalige Vorstand Christian Kunz entwickelte den ersten Impfstoff gegen die FSME. 1995 gelang es dem Team um Kunz, Franz X. Heinz und Christian Mandl, gemeinsam mit Spezialisten der Harvard University (Boston/USA) die genaue Zusammensetzung und die räumliche Struktur der Hüllenproteine des FSME-Virus zu entschlüsseln. 1998 berichteten sie davon, dass man die Erbsubstanz der Krankheitserreger eventuell selbst als Impfung verwenden könnte.
->   Institut für Virologie der Universität Wien
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RNA-Viren: Vermehrung außerhalb des Zellkerns
Retroviren sind als "Genfähren" wahrscheinlich nicht der Weisheit letzter Schluss. Christian Mandl: "In jüngster Zeit werden auch Viren mit RNA-Erbsubstanz für bestimmte Anwendungen in Betracht gezogen. Die meisten RNA-Viren wickeln im Gegensatz zu DNA- und Retroviren ihren gesamten Vermehrungszyklus außerhalb des Zellkerns ab. Ein Einbau (der mit ihnen eingeschleusten Erbsubstanz, Anm.) in das Wirtsgenom mit dem verbundenen Risiko für die Entstehung von Krebs ist bei diesen Viren daher nicht möglich."
FSME-Erreger: Erste Reporter-Gene eingeschleust ...
Zu diesen RNA-Viren gehören auch die Erreger der FSME. Die Wiener Wissenschaftler konnten jedenfalls bereits Reporter-Gene in die Erbsubstanz der Erreger einbringen. Mandl: "Zunächst versucht man dann, Zellen damit genetisch zu verändern."
... zu Testzwecken mit Fluoreszenz-Wirkung
Zumeist handelt es sich dabei um Gene, welche die mit der Genfähre infizierten Zellen unter Licht fluoreszieren lassen. Damit kann das Prinzip getestet werden. Erst dann folgen Tierversuche bzw. Tests, bei denen man wirklich für eventuelle Therapien verwendete Erbgutbestandteile einschleust.
Viren werden vorher "entschärft"
Mandl: "Natürlich muss man dazu die Viren so verändern, dass sie nicht mehr krank machen können. Das ist aber relativ einfach." Bei den FSME-Viren konnten die Wiener Wissenschaftler schon vor Jahren klären, welche Strukturen für die "Zeckenkrankheit" verantwortlich sind.
Nur vorübergehende Wirkung
Ein Problem: Mit diesen RNA-Viren lässt sich wahrscheinlich neue Erbsubstanz nur vorübergehend in Zellen etablieren.

Der Wissenschaftler: "Aber das ist ja auch nicht bei allen geplanten Anwendungen möglich. Wenn man beispielsweise im Rahmen einer Krebs-Gentherapie bösartige Zellen beseitigen will, ist ja nur eine vorübergehende Wirkung erforderlich."
Spezielle Gen-Fähren für spezielle Anwendungen
Überhaupt glaubt Mandl, dass man in Zukunft einzelne Virus-Genfähren für jeweils die passenden Anwendungen schaffen wird: Will man beispielsweise Zellen der Atemwege mit "neuen" Genen versorgen, böte sich natürlich das Schnupfenvirus (Rhinoviren) an.
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FSME-Viren für Nervenzellen
Der Experte: "FSME-Viren infizieren hingegen Nervenzellen im Zentralnervensystem (Gehirn und Rückenmark, Anm.)." Sie könnten also eventuell gut geeignet für eine Gentherapie auf diesem Gebiet sein.
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Weitere Flaviviren, die in Frage kommen
Auch noch andere Flaviviren, zu denen die FSME-Erreger gehören, könnten in Zukunft in veränderter Form zu Vehikeln für die Gentherapie werden: Dengue-Fieber-Erreger, die Verursacher der Japan-Enzephalitis oder gar die Hepatitis C-Erreger. Letztere führen - leider - sehr häufig zu chronischen Leberentzündungen.

Auf der anderen Seite könnte man gerade diese "Fähigkeit" auch für eine langfristige Gentherapie nutzen, ohne dass deshalb möglicherweise gefährliche Veränderungen im Zellkern geschehen.
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01.01.2010