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Zusammenhang von Popkultur und Wissensgesellschaft  
  Der Musiksender MTV und die in den USA entstandene Hip-Hop-Kultur sind zwei Beispiele, die für die moderne Popkultur stehen. In einer Seminararbeit - veröffentlicht in mnemopol.net und in science.ORF.at als Rezension nachzulesen - hat der Publizistik-Student Klaus Kienesberger anhand dieser beiden den Zusammenhang von Popkultur und Wissensgesellschaft untersucht.  
Yo, knowledge in da house?
rezensiert von Thomas Müller

Auf den ersten Blick sehen die beiden Begriffe aus wie ein Gegensatzpaar par excellence: Popkultur und Wissensgesellschaft. Kann es Zusammenhänge oder gar Symbiosen zwischen den beiden geben? Der Publizistik-Student Klaus Kienesberger suchte nach Antworten in Form einer Seminararbeit.

Die Kulturpessimisten der Marke Adorno und Horkheimer haben darauf eine klare Antwort: Nein. Laut den beiden Autoren hat die Kulturindustrie (alias Popkultur) die Eigenschaft alles zu nivellieren, kommerzialisieren und zum Entertainment zu pervertieren. Und das kann ja wohl mit Wissen nicht viel zu tun haben.

Diese Einstellung beruht aber auf einem reduzierten Bild von Popkultur und einem kulturkonservativen Begriff des Wissens. Beide sind einem steten Wandel unterworfen und althergebrachte Vorurteile bedürfen der Revision.
Popularisierung der Wissensproduktion
In seinen Hypothesen greift Kienesberger die Aspekte auf, die zu einem Konnex zwischen Pop und Wissen führen können. Das wären zunächst die Popularisierung der Wissensproduktion und -vermittlung, die mit Begriffen wie Infotainment und Edutainment behängt werden.
Die Folgen neuer Technologien
Weiters wirken sich neue Technologien wie die elektronischen Informationsnetzwerke massiv auf die Populärkultur aus. Die Produktion orientiert sich an den Bedürfnissen, der jeweils aktuellen Medien.

Da Wissen und die Kontrolle darüber auch Macht bedeutet, muss unter den neuen Prämissen der Popularisierung auch die Popkultur hier eine Rolle spielen. Dasselbe gilt auch für die Kommerzialisierung, die die Populärkultur quasi als Mitgift in die Ehe mit der Wissensgesellschaft einbringt.

Schließlich muss Popkultur differenzierter mit all ihren Mainstreams und Subkulturen gesehen werden, wobei letztere das Widerstandspotenzial der Popkultur ausmachen.
Viva MTV!
Um die Hypothesen zu untermauern, greift der Autor zwei Bespiele aus den letzten 20 Jahren auf: Den Musiksender MTV und die Hip-Hop-Kultur.

MTV sei eigentlich das Sender gewordene "Postmoderne Wissen" Lyotards. Neben dem scheinbaren Nihilismus der Nonsens-Shows und platten Popsongs, hat MTV einen Aspekt der von Kritikern gern ignoriert wird. Es finden sich im Programm auch durchaus informative Sendungen zu Themen wie Umwelt, Rassismus, HIV und Politik.
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Bunte Flecken: Schlingensief und Stuckrad-Barre
Im deutschsprachigem Programm finden sich auch bunte Flecken wie die anarchischen Sendungen des Theaterregisseurs Christoph Schlingensief und die Literatursendung des Popliteraten Benjamin Stuckrad-Barre, in der das Medium Buch "promotet" wurde.

Neben diesen (nicht immer unproblematischen) Aktivitäten sei aber die subtile Ironie gegenüber der Jugendkultur und ihren Auswüchsen das, was MTV wesentlich ausmache. Der Hintergrund eines milliardenschweren globalen Networks, das eigentlich zum Geldverdienen da ist, darf aber nicht vergessen werden.
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Hip-Hop und "Knowledge Gangstas"
Während MTV ein von "oben" organisiertes System darstellt, ist das zweite Beispiel, der Hip-Hop, eine Kultur, die in den untersten Gesellschaftsschichten der USA ihren Ursprung hat. In ihrer Hochblüte war sie ein Vehikel afroamerikanischer Künstler, um einer unterprivilegierten Gruppe Gehör zu verschaffen und vor allem den Afroamerikanern selbst Ideen zu vermitteln.

Die Hip-Hopper selbst bezeichneten sich selbst als "CNN der Schwarzen" oder als "Knowledge Gangstas". Sie machten bewusst vom emanzipatorischen Potential der Kunst Gebrauch und statuierten damit ein Exempel gegen die angeblich nivellierende und konformistische Wirkung der Populärkultur.
Der Widerspenstigen Zähmung?
Das in den Beispielen vermittelte Wissen ist bestimmt kein besonders elaboriertes. Popularisiertes Wissen ist keines, dass Sozialwissenschaftler unbedingt beeindrucken würde, aber das gesellschaftspolitische Potential ist unübersehbar.

Es zeigt sich, dass die Marktmechanismen, die globalisierten Einheitspop hervorbringen, auch die Kräfte mobilisieren, die ihnen misstrauisch gegenüberstehen. Die vermeintlich vom Geld gezähmte Popkultur der Herren Adorno und Horkheimer erweist sich also mitunter als bissiger, als die vorgeblich so kritische Wissenschaft.
->   Die Arbeit nachzulesen bei mnemopol.net
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Informationen zum Autor Klaus Kienesberger
Klaus Kienesberger (Jg. 1978) studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaft mit dem Spezialgebiet Mediengeschichte (Diplomarbeit: Kommunikationsstrukturen im Salzkammergut 1918-1955). Er war als Fachtutor tätig und arbeitet derzeit als Journalist bei verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften.
->   Weitere Rezensionen aus mnemopol.net in science.ORF.at
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01.01.2010