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Die Wissenschafts-Journals und der Irak-Krieg  
  USA und Großbritannien: Das sind nicht nur jene Länder, die beim Krieg gegen den Irak federführend sind. In ihnen werden auch die wichtigsten Wissenschaftsjournale der Welt publiziert. Kein Wunder, dass sie nach der ersten Woche des Krieges auch dazu Stellung beziehen. Haupttenor: Er soll möglichst schnell beendet werden - bei der danach nötigen internationalen Zusammenarbeit für eine friedlichere Zukunft seien die Wissenschaftler besonders gefragt.  
Ablehnung und Skepsis überwiegt
Dass es bezüglich des "Kriegs gegen Saddam" keine homogene Meinung der Scientific Community gibt, ist offensichtlich. Bei öffentlich wahrnehmbaren Statements überwiegen aber skeptische bis ablehnende Haltungen.

An ein besonders spektakuläres Statement erinnert das dieswöchige Editorial von "Nature" (Bd. 422, Nr. 6939, S. 359): Der in Australien forschende britische Astronom Will Saunders hatte seine Meinung dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er in großen roten Lettern "No War" auf das Dach der Oper von Sydney malte.

Seine Aktion trug - außer seiner Verhaftung durch die australischen Behörden - aber ebenso wenig Früchte wie eine Unterschriftenaktion von 41 Nobelpreisträgern Ende Jänner.
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Nobelpreisträger gegen Präventivkrieg
Die Erklärung gegen einen Präventivkrieg der USA gegenüber den Irak wurde am 28. Jänner 2003 am Wohnsitz von Walter Kohn im kalifornischen Santa Barbara veröffentlicht. Kohn ist Chemienobelpreisträger von 1998 und musste in der NS-Zeit aus Österreich emigrieren.
->   Nobel Laureates on Iraq
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Besondere Verantwortung
Das "Nature"-Editorial spricht von einem vorherrschenden "Schweigen der Institutionen, die Forscher repräsentieren".

Dabei hätten Wissenschaftler eine besondere Verantwortung: Sie haben nicht nur die Bomben konstruiert, die nun beim Angriff auf den Irak verwendet werden, sondern auch jene Massenvernichtungswaffen, wegen denen dieser Krieg nach Darstellung der USA geführt wird.
Lancet kritisiert doppeltes Zeitmaß der USA ...
Vergleichsweise hart ins Gericht mit den USA geht das Vorwort von "The Lancet" (Bd. 361, Nr. 9363, S. 1065), in dem auf einen "ironischen Zufall" verwiesen wird.

In Doha, der Hauptstadt von Katar, befindet sich derzeit nicht nur das Kommandozentrum der US-Armee. Vor kurzem hat sich dort auch die Welthandelsorganisation WTO getroffen, um u.a. die Frage von medizinischer Versorgung in Entwicklungsländern zu diskutieren. Ein Kompromissvorschlag aller übrigen WTO-Mitglieder sei dabei von den USA abgelehnt worden.
... bei Kriegsargumenten und Patentrechten
In die Sackgasse waren die Verhandlungen bei der Frage geraten, was unter einem "Notfall für die öffentliche Gesundheit" - der den Zugang der ärmeren Nationen zu patentrechtlich geschützten Medikamenten erleichtert - zu verstehen sei.

"Der Mangel an Dringlichkeit in dieser Frage steht in scharfem Kontrast zu den Argumenten, die auf einen Krieg gegen den Irak gedrängt haben", kommentiert "The Lancet".
Armut ist auch eine Frage der Sicherheit
Wenn im Zusammenhang mit dem Irak immer mit dem Argument der Sicherheitsinteressen der USA hantiert werde, so seien "Krankheiten und Armut in gleichem Maße Gesundheitsfragen wie Fragen der Sicherheit".
Die vier Schlüsselrollen von und für "Science"
Vorsichtiger geht es Donald Kennedy, der Herausgeber des US-Forschermagazins "Science", an. In seinem aktuellen Vorwort (Bd. 299, Nr. 5615, S. 1945) sieht er vier Themenbereiche, in denen die Wissenschaft eine Rolle spielen kann - und die er leidenschaftslos aufzählt. Zum ersten bei den "smart bombs", bei den Waffensystemen, deren "Intelligenztest in den kommenden Wochen kaum ernster hätte ausfallen können".

Zweitens bei einer Art "Epidemiologie des Schlachtfelds" (Stichwort: Golfkriegssyndrom). Drittens in der Frage des Nachweises von Massenvernichtungswaffen in den Händen von Saddam Hussein.

Last but not least bei der Frage des Wiederaufbaus des Iraks nach Kriegsende. Um Infrastruktur zu reparieren, der Bevölkerung zu helfen und die Gesundheitssysteme zu schützen, bedürfe es "des gesamten Arsenals von Wissenschaft und Technologie", so Donald Kennedy.
Besonders wichtig: Internationale Zusammenarbeit ...
Eine These, der sich auch das aktuelle Vorwort von "Nature" anschließen könnte. Die Wissenschaftler sollten anerkennen, dass sie in der gegenwärtigen Situation "eine besondere Verantwortung" haben - vor allem was den Wiederaufbau von "internationaler Zusammenarbeit" betrifft.
... im Rahmen der Vereinten Nationen
Die Kooperation innerhalb der Vereinten Nationen und ihren Organisationen und Verträgen, bei denen Wissenschaftler eine entscheidende Rolle spielen - wie beim Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz, der UN-Biodiversitätsrichtlinie oder der Chemiewaffenkonvention - sei das Gebot der Stunde. Insbesondere nach einem erhofft raschen Kriegsende.

In diesem Punkt - und in der Kritik an US-Präsident Bush, der den UN-Organisationen meist skeptisch gegenübersteht - sind sich die Editoren von "Nature", "Science" und "The Lancet" einig.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
->   The Lancet
->   Science
->   Nature
 
 
 
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01.01.2010