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Wie der menschliche Geist fokussiert  
  Wie findet sich ein Autofahrer im Großstadtschungel der Straßen zurecht? Englische Kognitionswissenschaftler fanden jetzt neue Hinweise auf die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns bei der Konzentration auf spezifische Aufgaben.  
Die Psychologin Nilli Lavie und ihre Kollgegen vom University College in London entdeckten den wichtigen Einfluss des Arbeitsgedächtnisses (working memory) auf die Fähigkeit des Menschen, seine Aufmerksamkeit gezielt auf spezifische Aufgaben und Objekte zu richten, wie das Science Magazine in seiner neuen Ausgabe berichtet.
Leichte Ablenkung bei voller Auslastung
Das Arbeitsgedächtnis des Gehirns dient der Kurz- und Zwischenspeicherung von Information während gezielter Planung und logischem Denken. In einer kombinierten Verhaltens- und neurologischen Untersuchung konnten die Forscher zeigen, dass die Versuchspersonen bei einer vollen Auslastung des Arbeitsgedächtnisses sich sehr leicht von anderen Außenreizen ablenken ließen.
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Implikationen für Autotelefonie?
Viele Psychologen hatten angenommen, dass die Teile des Gehirns, die wie das Arbeitsgedächtnis, in bewusste Planung involviert sind, bei selektiver Aufmerksamkeit eine wichtige Rolle spielen. "Erst die Arbeit der englischen Psychologen konnte Licht auf den Einfluss des Arbeitsgedächtnisses auf die Prozesse der bewussten und selektiven Aufmerksamkeit werfen", so der Neurowissenschaftler Robert Desimone. Das könnte auch Auswirkungen auf die Debatte um die Gefahren beim Handytelefonieren im Auto werfen. Wenn ein Handygespräch die gesamte Aufmerksamkeit des Fahreres beansprucht, dann könnte er leichter von irrelevanten Reizen abgelenkt werden.
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Der Versuch
Um ihre Hypothese zu testen, ließen Nilli Lavie und ihre Kollegen Versuchspersonen Gesichter bekannter Personen betrachten und den Namen die Profession zuordnen. Zusätzlich wurde ihnen ein Gesicht gezeigt, das manchmal nicht mit dem Namen übereinstimmte. Das nötigte die Versuchspersonen dazu, das Gesicht zu ignorieren und sich auf den Text zu konzentrieren.

Um den Einfluss des Arbeitsgedächtnisses zu untersuchen, mussten die Versuchspersonen eine Reihe von Ziffern lernen, die sie auf Aufforderung hin wiederholen sollten. Betrug die Ziffernreihenfolge 01234, so war es für die Versuchspersonen ein leichtes, sich daran zu erinnern. Waren die Ziffern zufallsverteilt, wie etwa 30241, so waren die Versuchspersonen weitgehend damit beschäftigt, die neue Kombination korrekt wiederzugeben.

In dieser Situation benötigten sie wesentlich mehr Zeit, ein bekanntes Gesicht einem Namen zuzuordnen als in Anwesenheit des nichtpassenden Gesichts.
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Neurologischer Zusammenhang
Die Auslastung des Arbeitsgedächtnisses spielt also eine wesentliche Rolle bei der Fokussierung auf spezifische Aufgaben. Um diese Daten zu untermauern, machten die Forscher mit neurologischer Hilfe die Aktivitäten im Gehirn der Versuchspersonen bei den jeweiligen Aufgaben sichtbar. Dazu verwendten sie ein verfahren namens "Functional Magnetic Resonance Imaging".
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Unterschiede in der Gehirnaktivität
 


Unterschiede in der Gehirnaktivität in den einzelnen Gehirnregionen in Abhängigkeit der Auslastung des Arbeitsgedächtnisses.
Gehirnaktivität wie erwartet
Wie erwartet zeigte sich mehr Gehirnaktivität im prefrontalen Cortex (Großhirnrinde), wenn das Arbeitsgedächtnis der Versuchspersonen voll ausgelastet war. Die Forscher fanden allerdings auch, dass ablenkende Reize wie die nichtpassenden Gesichter eine erhöhte Aktivität in den hinteren Arealen des Gehirns hervorriefen.

Die Fähigkeit, sich auf relevante Information zu konzentrieren, hängt von der Auslastung des Arbeitsgedächtnisses ab. Je voller das Arbeitsgedächtnis, desto mehr wird irrelevante Information in die Verarbeitungsprozesse miteinbezogen, schließen die Psychologen. Von diesen Ergebnissen erwarten sich die Londoner Psychologen auch neue Ansätze in der Behandlung von Schizophrenie und Parkinson.
->   University College of London, Department of Psychology
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01.01.2010