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Die Geschlechter wandern anders  
  Menschen wandern seit rund zwei Millionen Jahren rund um die Erde, auf der Suche nach wärmeren Gefilden oder angenehmeren Lebensumständen. Vernünftigerweise, so könnte man meinen, hätten dies Frauen und Männer gemeinsam gemacht. Haben sie aber nicht.  
Molekular-Anthropologen, die die Spuren der seit jeher Reisenden anhand ihrer DNA-Verbreitung verfolgt haben, geben nämlich eine überraschende Antwort: Es existieren große Unterschiede in Art und Umfang, wie die beiden Geschlechter um unseren Planeten gewandert sind. Dies berichtet die jüngste Ausgabe des Science Magazines.
->   Originalartikel im Science Magazine: "Tracking the Sexes by Their Genes" von Elizabeth Pennisi (kostenpflichtiger Zugang)
DNA-Vergleich zeigt Wanderrouten
Durch die Analyse und den Vergleich von entweder durch die mütterliche oder väterliche Linie weitergegebene DNA, können die Forscher die Wander- und Aufenthaltsrouten von hunderten Generationen nachvollziehen. Zwar müssten noch viele Untersuchungen folgen, doch einige grobe Muster lassen sich schon heute erkennen.

David Goldstein vom University College London (UCL): "Es handelt sich dabei um eines der aufregendsten Momente beim Studium der menschlichen Evolution."
->   David Goldstein, Professor am Laboratory of Evolutionary Genetics des University College in London
Ehe-Tradition sorgt für Gen-Verteilung
In manchen Fällen zeigen die Gene, wie männliche Entdecker oder Krieger ihre Genome im Zuge ihrer Tagesaktivitäten an weit entfernte Plätze trugen. Für die Molekularanthropologen jedoch überraschend haben im allgemeinen die Frauen ihre DNA in einem weit größeren Raum verstreut als ihre Brüder. Naheliegender Grund: die Jahrtausende alte Tradition, dass verheiratete Frauen den Clans ihrer Männer folgen mussten.
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mtDNA nur weiblich vererbt
Die Forschungen begannen vor 15 Jahren, als die DNA von Mitochondrien untersucht wurde. Die mitochondriale DNA (mtDNA) wird ausschließlich vom Mutter zum Kind vererbt und entgeht dem üblichen Chromosomen-Austausch. Durch den Vergleich unterschiedlicher Gen-Sequenzen können Forscher Familienstammbäume bilden, die auf den Ort der Herkunft schließen lassen.
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Männliche und weibliche Routen
Durch die Schätzung einer durchschnittlichen Mutationsrate kann darüberhinaus auch darauf geschlossen werden, wann eine Gruppe von ihrem ursprünglichen Heimatgebiet ausgewandert war. Seit etwa fünf Jahren werden auf Basis des nur bei Männern vorkommenden Y-Chromosoms ähnliche Routen auch für das andere Geschlecht nachgezeichnet.
Beispiel: Beduinen im Sinai-Gebiet
Nun fügen die Wissenschaftler die beiden Analysen zusammen. Svante Pääbo, Genetiker am Max Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig, vergleicht mit seinem Team die molekularen Spuren von Beduinen-Gruppen im Sinai-Gebiet.

Ein Brauch der Beduinen besteht darin, dass Ehefrauen den Stämmen ihrer Männer zu folgen haben. Pääbos Untersuchungen bewiesen, dass diesem Gesetz so genannter patrilokaler Sozialstrukturen seit Jahrhunderten gefolgt wurde.

Da die Frauen ständig "in Bewegung" waren, ist auch die mtDNA gut verteilt. Im Gegensatz dazu häuften sich die genetischen Signaturen der Y-Chromosomen-Daten bei verschiedenen Beduinenstämmen. Somit ist bewiesen, dass gegenwärtige Genstrukturen einiges über Bevölkerungsstrukturen ihrer Vorfahren aussagen.
->   Svante Pääbo, Leiter der Abteilung für Genetik am Max Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig
Auch Skepsis ist angebracht
Zur Untersuchung von Pääbo gesellen sich zahlreiche andere, die in den vergangenen Jahren auch weit größere geographische Regionen beinhalteten. Dabei mischt sich zu der Erkenntnis auch eine Portion Skepsis: die Analysen Geschlechterdifferenz durch die Evolutionäre Anthropologie befänden sich manchen Kritikern zufolge auf dünnem Eis.

Speziell dann, wenn sich die Anthropologen auf sehr alte Perioden der Menschheitsgeschichte bezögen. Jüngere Entwicklungen könnten dabei weiter zurückliegende verdecken, meint etwa David Goldstein vom UCL.
->   Science Magazine
->   University College in London
->   Max Planck Institute for Evolutionary Anthropology
 
 
 
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01.01.2010