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Wenn Flugzeuge mit den Flügeln schlagen  
  Das persönliche Flugzeug, das statt des Autos in der Garage steht, mag bisher zwar nur in Science-Fiction-Filmen vorkommen. Doch arbeiten Wissenschaftler am Langley Research Center (LaRC) der NASA an ausgefallenen Technologien, die das "Luft-Mobil" bald Wirklichkeit werden lassen könnten.  
Und das sei erst der Anfang, meldet die NASA. Biegsame, sich selbst heilende Flügel, die sich wie lebende Organismen verhalten. Bewegliche Bomber, die doppelt so agil sind wie modernste Kampfflugzeuge, und Schwärme winziger unbemannter Flugzeuge - das ist nur ein kleiner Teil der zukunftsträchtigen Möglichkeiten, die modernste Technologien in den nächsten Jahrzehnten zu bieten haben.
Das Flugzeug von morgen könnte mit biegsamen Flügeln ausgestattet sein. Dan braucht es keine Landeklappen mehr, hätte weniger Luftwiderstand und würde weniger Sprit verbrauchen.

"Schlaue Materialien" liegen diesem erhofften Quantensprung in der Luft- und Raumfahrttechnik zu Grunde. Materialien mit unheimlichen Eigenschaften: Sie biegen sich auf Befehl, "verspüren" Druck oder, werden sie in ein Magnetfeld gestellt, lassen sich aus dem flüssigen in den festen Zustand überführen.

"Das sind Technologien, von denen die meisten Menschen nicht einmal wissen, dass es sie gibt", meint Anna McGowan, Leiterin des "Morphing Projects" am LaRC, das diese neuen Technologien und Materialien entwickelt.
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Das Morphing-Projekt (Morphologie: die Lehre von den Formen) hat die Aufgabe, in die Zukunft zu blicken: Wie sieht das Design in der Luft- und Raumfahrt in 20 Jahren aus? Und mit Hilfe welcher Technologien wird das Wirklichkeit?
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Das persönliche Luft-Auto
Ein Beispiel: Ein persönliches Luft-Auto muss klein und kompakt sein. Es muss aber auch mit sehr niedriger und sehr hoher Geschwindigkeit fliegen können.

"Um zu so einem Fahrzeug zu kommen, braucht man wahrscheinlich einen Flügel, der seine Struktur radikal ändern kann", sagt McGowan. "Ein Flügel, der für eine niedrige Geschwindigkeit gebaut ist, hat ganz andere Eigenschaften als ein Flügel, der bei hohen Geschwindigkeiten funktioniert."

 


Flügel, die sich auf Befehl verbiegen
Einige Flugzeuge können ihre Flügel schon in eine andere Position bringen. Etwa der F-14 Tomcat der amerikanischen Marine und der B-1-Supersonic-Bomber. Doch diese Flugzeuge haben starre Flügel, die an große, schwere Schwingköpfe im Körper des Flugzeugs angebracht sind.

Die Wissenschaftler des Morphing-Projekts stellen sich hingegen einen Flügel vor, der sich auf Befehl entfaltet. Das kann er womöglich mit Hilfe von Metalllegierungen oder anderen "schlauen Stoffen", die über ein Formgedächtnis verfügen. Das Material des Flügels würde sich dann zur neuen Gestalt verformen.
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Legierungen mit Formgedächtnis haben die ungewöhnliche Eigenschaft, mit großer Kraft in ihre ursprüngliche Form zurückzuschnappen, wenn sie einer bestimmten Temperatur ausgesetzt sind. Jede Form kann auf diese Eigenschaft "trainiert" werden.
Lesen Sie mehr zu Formgedächtnismetallen in science.orf.at
->   Kunststoff mit gutem Gedächtnis
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Unter den vielen Materialien, die das Morphing-Projekt entwickelt, gehören die Formgedächtnismetalle noch zu den gewöhnlichen.

Man stelle sich eine Kugel vor, die eine Platte durchdringt - und das Material repariert sich augenblicklich wieder von selbst. Das ist nicht Science-Fiction, denn selbstheilende Materialien gibt es tatsächlich schon.
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Lesen Sie über einen selbstheilenden Kunststoff, der für künstliche Organ Verwendung finden soll, in science.orf.at
->   Selbstheilender Kunststoff für Organe
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Auch beim LaRC werden diese Materialien untersucht. "Um der Frage nachzugehen, warum sie das machen, haben wir im Prinzip die Stoffe zerlegt. Dadurch konnten wir mit Computermodellen auf der molekularen Ebene arbeiten", sagte McGowan. "Verstehen wir die Materialien einmal auf dieser Ebene, dann können wir auch 'schlaue Stoffe' entwerfen."
Stoffe mit Bewegung
Weitere Materialien, an denen am LaRC gearbeitet wird, sind Variationen von pizoelektrischen Stoffen. Diese Substanzen verbinden elektrischen Strom mit Bewegung. Verbiegt man einen pizoelektrischen Stoff, entsteht eine elektrische Spannung. Und umgekehrt: Legt man eine elektrische Spannung an das Material, dann verzerrt es sich.

Wissenschaftler können pizoelektrische Materialien entwerfen, die wie "Sensoren" oder "Akturatoren" funktionieren: Geräte, die kleine Bewegungen in Maschinen hervorrufen, wie etwa die Bewegung der Flügelklappen.

In Verbindung mit Mikroelektronik könnten diese Materialien einen großen Fortschritt im Flugzeugdesign bewirken.
Wie ein Körper funktionieren
Die Sensoren und Aktuatoren müssten dafür über den ganzen Flügel verteilt sein. Dann funktionieren sie auf ähnliche Weise wie der menschliche Körper. Denn unsere Körper haben durchgehend Muskeln und Nerven. Dadurch sind sie sich dauernd "bewusst", was mit ihnen passiert, und können darauf auf vielfältige Weise reagieren.

"Die Natur kann Dinge machen, denen wir nicht einmal nahe kommen", sagt McGowan. "Vögel sind um so vieles wendiger als unsere Flugzeuge. Sie können schweben, rückwärts und seitwärts fliegen. Nicht zu sprechen von Insekten, die auf dem Kopf fliegen und Loopings machen können."

Biomimetik nennt man dieses Lernen von der Natur.

 


Der kleine Unterschied
Vergleicht man diese Vision der leichten, biegsamen, sensorischen Materialien mit den starren, tauben und schweren Strukturen in heutigen Flugzeugen, kann man einen Geschmack des Unterschieds bekommen, den "schlaue Materialien" im Luftfahrtdesign machen könnten.

Und wie alle Grundlagenforschung werden auch Bereiche jenseits der Luft- und Raumfahrtindustrie auf diese "schlauen Stoffe" zurückgreifen.
->   NASA Smart Materials and Structures
->   Langley Research Center
 
 
 
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01.01.2010