News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung .  Leben 
 
Mutationen und Krebsentstehung: Der Zeitpunkt entscheidet  
  Dass zwischen UV-Strahlung und der Entstehung von Hautkrebs ein Zusammenhang besteht, ist eine medizinische Binsenweisheit. Der Grund: Energiereiche Strahlen bedingen mitunter irreparable Schäden am Erbgut der Hautzellen. Welche Rolle der Zeitpunkt einer Mutation spielt, wurde hingegen noch kaum erforscht. Das Modell eines österreichischen Biomathematikers zeigt nun: DNA-Schäden während der frühen Keimesentwicklung sind in hohem Maß für solche Krebsarten verantwortlich, die in höheren Lebensaltern auftreten.  
Dies deshalb, weil in frühen Entwicklungsphasen die Zellzahl der Organe stark anwächst. Mutationen lassen dem Modell zufolge Zelllinien entstehen, die DNA-Schäden als immanente Risikoerhöhung in die nächsten Zellgenerationen exportieren.

Das Modell wurde vom Biotheoretiker Martin Nowak vom Institute for Advanced Study in Princeton und einem amerikanischen Fachkollegen entwickelt.
...
"Developmental predisposition to cancer"
Die Arbeit "Developmental predisposition to cancer" von Steven A. Frank und Martin Nowak erschien in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Nature" (Band 422, S. 494, Ausgabe vom 3.4.2003).
->   Nature
...
Ursachen für Krebs: Gene und Umwelteinflüsse
Die Ursachen von Krebs sind vielfältig. Aufgrund von epidemiologischen Untersuchungen und Laborexperimenten weiß man schon lange, dass Krebs mit genetischen Faktoren zusammenhängt.

Aber auch Umwelteinflüsse haben einen bedeutenden Einfluss auf die so genannte Kanzerogenese. Dazu gehören etwa bestimmte Viren, chemische Substanzen oder energiereiche Strahlung.
Mutagene als Schlüsselsubstanzen
Eine Schlüsselrolle nehmen hierbei die so genannten Mutagene ein: Als solche bezeichnet man Substanzen - oder allgemeiner: Einflüsse, die zur Entstehung von Mutationen beitragen.

Das Wissen um den Zusammenhang von Krebs und Mutationen ist fast so alt wie die Mutationsforschung selbst. Grundsätzlich gilt der Zusammenhang:

Je häufiger und/oder schwerwiegender das Erbgut einer Zelle geschädigt wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese einmal zu einem bösartigen Tumor degeneriert.
...
Mehr Strahlung - weniger Mutationen?
Intuitiv würde man erwarten, dass ein positiver Zusammenhang zwischen (Mutagen-)Dosis und Wirkung besteht. Das muss aber nicht immer so sein: So haben etwa kürzlich Kai Rothkamm und Markus Löbrich von der Universität des Saarlandes, Homburg, festgestellt, dass DNA-Schäden durch höhere Röntgenstrahlen-Dosen von den zelleigenen Enzymen mit größerer Effizienz repariert werden, als das bei sehr niedrigen Dosen der Fall ist. Dies könnte durch einen Schwellenwert der Enzymaktivität erklärbar sein.

Die Arbeit " Evidence for a lack of DNA double-strand break repair in human cells exposed to very low X-ray doses" wird in Kürze auf der Website der "Proceedings of the National Academy of Sciences" abrufbar sein (doi:pnas.0830918100).
->   PNAS
...
Spielt der Zeitpunkt der Mutation eine Rolle?
Die Frage, ob der Zeitpunkt einer Mutation in der Lebensgeschichte eines Menschen eine Rolle spielt, wurde bis dato noch nicht eingehend untersucht. Steven A. Frank von der University of California und Martin A. Nowak vom Institute for Advanced Study in Princeton haben sich dieser Problemstellung nun angenommen.
Mathematisches Modell: Zwei Phasen der Entwicklung
Sie entwarfen ein mathematisches Modell, in dem sie die Entwicklung eines Menschen in zwei Phasen unterteilten: Zum einen die Phase der Organbildung in der frühen Kindheit und Jugend, die durch ein exponentielles Zellwachstum ausgezeichnet ist.

Zum anderen die restliche Lebensperiode, in der sich Organe und Gewebe in einem Fließgleichgewicht zwischen Auf- und Abbau befinden.

Zusätzlich griffen die beiden auf eine Arbeit des Briten John Cairns zurück, der letztes Jahr darauf hinwies, dass die höchsten Mutationsraten gerade in jenen Geweben stattfänden, die ein hohes Zellwachstum aufweisen.
->   Zum Abstract der Arbeit von J. Cairns
Schlussfolgerung: Frühe Mutationen entscheiden
Mit diesen Zutaten konnten Frank und Nowak mittels relativ einfacher mathematischer Überlegungen zu folgender Schlussfolgerung gelangen:

"Mutationen während der jugendlichen Entwicklung sind der Keim für einen Anteil genetisch veränderter Stammzellen. Diese Zelllinien sind wiederum für einen großen Anteil jener Krebsarten verantwortlich, die sich in späteren Lebensjahren entwickeln."
Erkrankungsdisposition in Kindheit festgelegt
Mit anderen Worten: Die Ursachen für im höheren Alter auftretende Krebsformen, wie Haut- oder Darmkrebs, sind am Beginn der Lebensspanne zu suchen.

Die Erkrankungsdisposition für gewisse Krebsformen dürfte in relativ hohem Maß bereits im Kindesalter festgelegt werden. Insofern erhält etwa die vernünftige Regel, Kleinkinder nicht zu intensiver Sonnenstrahlung auszusetzen, auch eine theoretische Begründung.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Homepage von Martin A. Nowak (Institute for Advanved Study)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Aspirin-Wirkstoff hilft auch gegen Darmkrebs
->   Studie: Milzbrand-Gift als Therapie gegen Krebs
->   Krebs heilen durch "positives Denken"?
->   Bakterien als Mittel gegen Krebs?
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung .  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010