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Mysteriöse Hirnverletzungen: Ursache geklärt  
  Bei Verkehrsunfällen und Stürzen wird das Gehirn oft an zwei Stellen verletzt: Am Punkt des Aufpralls - und auf der direkt gegenüberliegenden Seite. Bisher konnten sich Mediziner jedoch nicht erklären, warum die Verletzung an der dem Aufprall gegenüberliegenden Stelle häufig stärker ist. Ein amerikanischer Neurologe und seine Tochter haben nun eine verblüffend einfache Erklärung für dieses Phänomen gefunden.  
Bisher nahm man an, dass durch die Wucht des Aufpralls des Kopfes das Gehirn im Inneren des Schädels praktisch hin und her geschleudert wird:

Bei einem Frontalaufprall stößt das Gehirn demnach an der Innenseite der Stirn an und wird dort zusammen gedrückt, bevor es aufgrund der Trägheitsgesetzte auf der gegenüber liegenden Innenseite erneut aufschlägt.

"Coup und Contrecoup" nennen die Mediziner diesen Vorgang. Die Folgen dieser schweren Verletzung hängen davon ab, welche Stelle das Gehirns im Inneren des Schädels aufprallt.
Ein umstrittenes Modell
"Dieses Modell des Coup-Contrecoup-Mechanismus bei Hirntraumata ist seit langem Gegenstand einer Kontroverse", erläutert der Neurologe William Drew von der Wright Patterson Air Force Base in Dayton, der gemeinsam mit seiner Tochter eine Alternativthese entwickelt hat.

Denn laut Drew erklärt es nicht, wieso die Schädigungen direkt unterhalb des ersten Aufprallpunktes (Coup) häufig weniger schwer sind, als am gegenüberliegenden Gehirnareal (Contrecoup).
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Kopfverletzungen und Schädel-Hirn-Trauma
Durch direkte Gewalteinwirkung auf den Schädel können Nervenzellen des Gehirns zerstört werden. Dadurch kann es in der Folge zu einer Funktionsstörung einzelner Gehirnregionen kommen:

Die leichteste Form des Schädel-Hirn-Traumas ist die Gehirnerschütterung. Hier ist es noch zu keiner Verletzung der Hirnsubstanz gekommen. Kopfschmerz, Schwindel und Erbrechen sind die Folge. Bei der mittleren bis schweren Form des Schädel-Hirn-Traumas handelt es sich um die so genannte Gehirnprellung. Hier kommt es bereits zu einer direkten Verletzung des Gehirns. Die schwerste Form ist das offene Schädel-Hirn-Trauma, verbunden mit zusätzlich auftretenden Gehirnblutungen. Hier wurde der Schädelknochen durch den Aufprall gespalten und das Gehirn liegt frei. Bei einem schweren Schädel-Hirn-Trauma verfallen die Betroffenen oft in ein Tage, Wochen oder gar Monate andauerndes Koma.
->   Mehr zum Thema Schädel-Hirn-Trauma
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Schwappende Gehirnflüssigkeit als Lösung?
Das Gehirn ist allerdings von einer Flüssigkeit umgeben, die es vor Erschütterungen und Verletzungen schützt. Dieses so genannte Liquors hat eine größere Dichte als das Gehirngewebe.

Der Neurologe Drew vermutete, dass bei einem Aufprall des Schädels das Liquor sich auf Grund der größeren Dichte zuerst nach vorne bewegt und so das Gehirn von der Stelle des Aufpralls weg drückt - an die gegenüberliegende Seite des Schädels -, danach fließt es zurück und das Gehirn wird in Richtung des Aufprallpunktes gedrückt.

Die erste Verletzung des Gehirns findet also nicht an der Stelle des Aufprallpunktes - Coup- statt, sondern an der gegenüberliegenden Seite des Gehirns, dem Contrecoup. Das Ergebnis der Vater-Tochter-Studien präsentierten die beiden auf dem Jahrestreffen der "American Academy of Neurology ".
Wenn der Kopf auf eine harte Oberfäche trifft
 


Das Ballonmodell als Nachweis
Um die Theorie zu prüfen, füllten Drew und seine Tochter Laura einen transparenten Behälter mit einer Flüssigkeit von der Dichte des Liquors. Das Gehirn in diesem improvisierten Schädel simulierten sie mit Hilfe eines Ballons der mit einer Salzlösung von der Dichte des Gehirngewebes gefüllt war und mit einem Haken am Boden des Behälters befestigt wurde.

Danach fuhren sie das Modell mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde gegen eine Wand. Videoaufnahmen zeigten deutlich, dass zuerst die dichtere Flüssigkeit vor schwappt und den Ballon gegen die Rückseite des Behälters drückt, dann strömt sie zurück und drängt den Ballon an die Frontalseite.
Auch auf die Bewegung des Kopfes kommt es an
Damit wird nicht nur erklärt, warum die Verletzung an der gegenüberliegenden Stelle des Aufpralls üblicherweise stärker ist, sondern auch, welche Rolle die Bewegung des Kopfes im Moment des Unfalls spielt.

"Wenn der Kopf nicht bewegt wird, also keine signifikante Veränderung des Bewegungsimpulses des Liquors stattfindet, und man wird z. B. von einem Baseball getroffen, dann wird der Contrecoup kaum stärker ausfallen als der Coup", meint Drew.
->   Anatomie und Funktionsweise des Gehirns
->   American Academy of Neurology
 
 
 
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01.01.2010