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Ein einzelnes Gen für Übergewicht, Falten und Haarwuchs  
  Um Übergewicht und Fettsucht zu bekämpfen, setzen Wissenschaftler mittlerweile verstärkt auf einen biotechnologischen Ansatz: Medikamente, die gezielt auf Gene wirken sollen, die beim Fettstoffwechsel im Körper eine Rolle spielen. Wie komplex solche Prozesse allerdings sind, haben nun US-Wissenschaftler am Beispiel eines solchen "Fett-Gens" beobachten können. Bei Mäusen ist das von dem Gen kodierte Protein nicht nur für den Fettstoffwechsel zuständig, sondern hat auch entscheidenden Einfluss auf die normale Entwicklung von Haut und Haaren.  
Die Wissenschaftler unter der Leitung des Mediziners und Zellbiologen Jeffrey Miner von der Washington University School of Medicine züchteten ursprünglich Mäuse für völlig anders geartete Forschungen.

Dabei entstand eine so genannte spontane Mutation: ein faltenfreier Mäuse-Stamm, der eine äußerst interessante Gen-Mutation aufwies, wie die Forscher in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) berichten.
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"Cloning of wrinkle-free mouse mutation"
Der Artikel "Positional cloning of wrinkle-free, a previously uncharacterized mouse mutation, reveals crucial roles for fatty acid transport protein 4 in skin and hair development" ist in den PNAS erschienen als Online-Vorabpublikation (7. April 2003; doi:10.1073/pnas.0431186100).
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Mutation auf einem "Fett-Gen"
Die Mutation befand sich auf einem Gen, dass den Wissenschaftlern bereits bestens bekannt war - als mögliches Ziel einer Fettsucht-Behandlung.

Denn das entsprechende Protein - genannt Fettsäuren-Transportprotein 4 ("fatty acid transport protein"), kurz FATP4 - spielt, wie der Name schon sagt, eine Rolle beim Fettsäuren-Transport im Körper.
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FATP4: Verändert Fettsäuren-Absorbtion von Zellen
Das Protein gehört zu einer Gruppe von nur sechs weiteren bekannten Eiweißstoffen beim Menschen bzw. fünf bei Mäusen, die Fettsäuren transportieren. Gibt man diese Proteine zu Zellen in einer Petrischale, dann verändern sie die Art und Weise, in der Darmzellen Fettsäuren absorbieren. Da FATP4 als einziges im Darm zu finden ist, geht man davon aus, dass es eine äußerst wichtige Rolle bei der Verarbeitung von Fettsäuren aus der Nahrung spielt.
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Extrem dicke und straffe Mäusehaut
Die Mäuse allerdings fielen vor allem durch eine äußerliche Besonderheit auf: Ihre Haut schien den Forschern extrem straff und dick. Auch der Haarwuchs der Tiere war deutlich eingeschränkt.
Entscheidende Rolle bei der Hautentwicklung
Das von den Forschern identifizierte Gen scheint demnach auch eine wichtige Rolle bei der embryonalen Entwicklung der Haut zu spielen: Diese formt im Laufe ihrer Ausbildung eine Art Barriere, die verhindern soll, dass Wasser aus dem Körper strömt bzw. dass schädliche Substanzen hinein gelangen.

Mäuse mit einer FATP4-Mutation bildeten diese Schutzbarriere allerdings nicht vollständig aus. Stattdessen war ihre Haut etwa drei mal so dick wie die von normalen Mäusen - möglicherweise ein Versuch, das fehlende Schutzschild zu kompensieren, meinen die Wissenschaftler.
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Ursache für seltenen Gen-Defekt beim Menschen?
Die seltsamen Nager, die zudem alle kurz nach der Geburt starben, erinnerten die Wissenschaftler auch an eine seltene genetische Erkrankung beim Menschen: die so genannte restriktive Dermopathie. Deren Ursache ist allerdings bislang ungeklärt. Das FATP4 kodierende Gen könnten auch hier neue Hinweise liefern.
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Vorläufige Ergebnisse mit Potential für mehr
"Die Entdeckungen waren sicherlich eine Überraschung für uns", wird der Zellbiologe Jeffrey Miner in einer Aussendung der Washington University zitiert.

"Offensichtlich sind das vorläufige Ergebnisse, aber sie könnten Einblick in eine Vielzahl von Zuständen geben. Zum Beispiel könnte ein Medikament einige Merkmale dieser faltenfreien Mäuse nachahmen, wenn es das Protein teilweise unterdrücken würde."
Mögliche Nebenwirkungen bei Fettsucht-Behandlung
Der Wissenschaftler wies allerdings auch auf mögliche unerwünschte Nebenwirkungen einer auf das Protein gerichteten Fettsucht-Behandlung hin. Medikamente, die den Eiweißstoff zum Ziel hätten, so Miner, könnten Nebeneffekte an anderer Stelle im Körper hervorrufen.
Weitere Studien sollen folgen
Miner und seine Kollegen wollen nun die entwicklungsbiologische Rolle von Gen und Protein in weiteren Studien klären.

Nach Angaben der Universität haben die Forscher auch bereits ein Patent beantragt - auf die Verwendung von so genannten FATP4-Inhibitoren gegen Faltenbildung oder unerwünschten Haarwuchs.
->   Washington University School of Medicine
->   Alles zum Stichwort Fett-Gen im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010