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Wie Mikroorganismen die "Stickstoff-Düngung" regeln  
  Wissenschaftler haben im Schwarzen Meer bislang unbekannte Bakterien entdeckt. Die Mikroorganismen wandeln das für das Algenwachstum lebenswichtige Ammonium in Stickstoff um. Dieser neue entdeckte Abbau-Prozess läuft - im Gegensatz zu den bislang bekannten - ohne Sauerstoff ab. Die Auswirkungen sind enorm - auf den Stickstoffkreislauf, das Algenwachstum und damit letztlich auch auf das Klima.  
Die Forscher vom Bremer Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie haben gemeinsam mit niederländischen Kollegen bei einer Expeditionsfahrt mit dem Forschungsschiff "Meteor" die unbekannten Bakterien entdeckt. Ihre Ergebnisse wurden im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht.
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"Anaerobic ammonium oxidation by anammox bacteria"
Der Artikel "Anaerobic ammonium oxidation by anammox bacteria in the Black Sea" ist erschienen in "Nature", Bd. 422, Seiten 608-611 (vom 10. April 2003). In der gleichen Ausgabe ist ein begleitender Artikel in der Rubrik "New and Views" erschienen: "Solution to a marine mystery".
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Stickstoffdüngung für die "Blumen des Meeres"
Jeder Hobbygärtner kennt das Problem: Ohne Stickstoffdüngung wird es schwierig mit der Blumenpracht. Düngt man zuviel, hat man auch Probleme. Das gilt ebenso für die "Blumen des Meeres", die Algen.

Mikroskopisch kleine Algen (Phytoplankton) spielen für das globale Ökosystem eine wichtige Rolle, da sie mit Hilfe der Photosynthese das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre entfernen. Zum Wachsen brauchen sie stickstoffhaltige Nährstoffe wie Ammonium.
Indirekte Beeinflussung des Klimas
Diese Nährstoffe sind allerdings, im Gegensatz zu CO2, nur sehr begrenzt verfügbar. Je höher der Nährstoffgehalt, desto mehr Algen können wachsen und CO2 fixieren. Der Nährstoffgehalt im Ozean kann so indirekt die Menge an CO2 und damit das Klima beeinflussen.
Der Stickstoffkreislauf im Ozean
Will man also die heutige Entwicklung des Klimas genauer verstehen, gilt es zunächst den Stickstoffkreislauf im Ozean besser zu begreifen.

Der Stickstoffhaushalt wird bestimmt durch die Mengen und die Geschwindigkeiten, mit der Stickstoff in Form von Nitrat, Nitrit, Ammonium und anderen anorganischen Verbindungen gespeichert (fixiert) oder umgekehrt - als Stickstoffgas freigesetzt (Denitrifikation) wird.
Neuer Umwandlungs-Prozess ohne Sauerstoff
Bisher glaubte man, von den Faktoren, die den Stickstoffhaushalt im Ozean bestimmen, ein klares Bild zu haben. Die Ergebnisse der Wissenschaftler stellen dieses Bild jetzt allerdings in Frage.

Die unbekannten Bakterien besitzen demnach die Fähigkeit, das für das Algenwachstum lebenswichtige Ammonium in atmosphärischen Stickstoff umzuwandeln und damit als Nährstoff unzugänglich zu machen.

Dieser neue entdeckte Prozess läuft - im Gegensatz zu den bislang bekannten Umsetzungen von Ammonium (NH4) - ohne molekularen Sauerstoff ab. Die anaerobe Ammonium-Oxidation wird von den gleichnamigen Ammonium-Bakterien geleistet und stellt laut Studie den wichtigsten Abbauprozess für stickstoffhaltige Nährstoffe im Schwarzen Meer dar.
Ähnliche Bedingungen weit verbreitet
Da die Bedingungen, unter denen diese Bakterien im Schwarzen Meer leben, im Boden der Ozeane weit verbreitet sind, gehen die Forscher zudem davon aus, dass diese Bakterien für den globalen Stickstoffkreislauf von wesentlicher Bedeutung sind.
Schema der neu entdeckten Stickstoff-Freisetzung
 
Grafik: Max-Planck-Institut f?r marine Mikrobiologie

Grafik mit Erläuterung in einem größeren Format

Tatsächlich wurden erst vor wenigen Jahren ähnliche Bakterien entdeckt - in Kläranlagen. Diese Anammox-Mikroorganismen könnten in Zukunft eine wichtige Rolle beim Betrieb moderner Kläranlagen spielen.

Die Betreiber könnten dann auf den teuren Einsatz von Sauerstoffgas verzichten, denn die genügsamen Bakterien erledigen die notwendige Umsetzung von Ammonium zu Stickstoff ohne O2.
DNA-Vergleich zeigt die Verwandtschaft
Dass es aber marine Verwandte dieser Bakterien geben könnte, die sogar unser Klima und das Ökosystem Meer in nachhaltiger Weise beeinflussen, hat niemand geglaubt, da die Kläranlagen-Bakterien nur sehr langsam wachsen und damit im Meer keine tragende Rolle spielen sollten.

Aus den im Meerwasser lebenden Bakterien konnten die Forscher Erbsubstanz (DNA) isolieren und damit eindeutig beweisen, dass die Organismen nahe Verwandte der erst vor kurzem in Kläranlagen entdeckten Anammox-Bakterien sind.
->   Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Wie der Mensch den Stickstoffkreislauf beeinflusst
->   Genom des Stickstoff-Bakteriums entschlüsselt
 
 
 
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01.01.2010