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SARS: Entstehung, Verbreitung und Ansteckungspotenzial  
  Mehr als 100 Tote und rund 3.000 Infizierte, das ist die bisherige Bilanz der lebensgefährlichen Lungenentzündung SARS. Erste Untersuchungen der DNA des bisher unbekannten Virus kommen zu dem Schluss, dass es sich um ein Coronarvirus, also einen Erreger von Erkältungskrankheiten handelt. Der Ö1-Radiodoktor beschäftigte sich am Montag mit der Entstehung, Verbreitung und dem Ansteckungspotenzial des SARS-Virus.  
Laut den Ergebnissen eines amerikanischen und deutschen Wissenschaftlerteams ähnelt das genetische Material des SARS-Virus keinem bekannten Coronarvirus, das man bislang in Tieren oder Menschen entdeckt hat.

Zunächst waren Paramyxoviren, die zum Beispiel Mumps und Masern hervorrufen, mit der Krankheit in Verbindung gebracht worden. Der amerikanischen Studie zufolge könnte dieses Virus SARS verstärken oder die Wahrscheinlichkeit der Ansteckung erhöhen.

Auf jeden Fall ist des SARS-Virus unter Menschen bisher offenbar noch nicht oder kaum aufgetreten, schreiben die Forscher.
Viren und die Fähigkeit der Veränderung
Die Mutation von Viren kennt man am besten von Grippeviren. Diese haben die Eigenschaft ihre Oberfläche verändern zu können. Dadurch sind die während der letzten Grippe gebildeten Abwehrkörper wirkungslos und die Körperabwehr muss sich nun mit den veränderten Eindringlingen herumschlagen.

Bei besonders starken Veränderungen - Mutationen - entsteht praktisch ein neuer Virustyp, der regelrechte Grippeepidemien oder sogar Pandemien - Stichwort: Spanische Grippe - auslösen kann.

"Ähnliches scheint bei der Entstehung des SARS-Virus passiert zu sein, denn 'normale' Coronarviren verursachen meist nur Schnupfen, Husten, Hals- und Kopfschmerzen mit erhöhter Temperatur", meint der Wiener Virologe Franz Heinz.
Übertragung von Mensch zu Mensch
"Das eigentlich beunruhigende bei SARS ist, dass es von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Dies macht die eigentliche Gefahr aus", erklärt Heinz weiter.

"Bei der Vogelgrippe, die vor einigen Jahren grassierte und viele Menschenleben kostete, handelt es sich auch um einen mutierten Coronarvirus, der aber nur vom Tier auf den Menschen übertragbar war, und nicht von Mensch zu Mensch."
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Coronarviren: Umweltresistente Erkältungsviren
Coronaviren sind behüllt und haben einen Durchmesser von 80 bis 160 nm. Das Genom besteht aus einzelsträngiger RNA. Coronaviren besitzen mit etwa 30.000 Basen das größte Genom aller bekannter RNA-Viren. Die Erreger gelten als relativ umweltresistent und können auf kontaminierten Oberflächen bis zu drei Stunden infektiös bleiben.

Beim Menschen verursachen Coronaviren Erkältungskrankheiten der oberen Atemwege. Die Erreger führen allerdings nicht nur beim Menschen Infektionen, sondern sind zudem auch bei Säugetieren wie auch bei Vögeln weit verbreitet.
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Woher kommt das Virus?
Ausgangpunkt des Virus ist Südostasien - wahrscheinlich Südchina -, über Hongkong und andere asiatische Großstädte gelang dem Virus der Sprung nach Amerika und Kanada, auch in einigen europäischen Ländern kam es schon zu SARS-Fällen.

"Die große Frage lautet aber nicht: In welcher geografischen Region entstand das Virus?, sondern: Wo leitet sich das Virus eigentlich her?" meint Heinz.

"Ist es ein bisher unbekanntes Coronavirus? Es sind ja noch nicht alle identifiziert. Oder hat es ein tierisches Reservoir, es gibt Coronaviren, die schwere Erkrankung bei Tieren verursachen, von diesen könnten Varianten entstehen, die auch für den Menschen gefährlich sein können", so Heinz weiter.
Artenschranke durchbrochen?
Für die zweite Möglichkeit spricht das plötzliche Auftreten des SARS-Virus. Diese legt die Vermutung nahe, dass auch dieser Erreger, wie andere RNA-Viren in der Region zuvor, die Speziesbarriere durchbrochen hat und jetzt für den Menschen pathogen wurde.

Die Ursachen hierfür liegen insbesondere in der industriellen Tierhaltung. Denkbar ist auch eine Ansteckung des Menschen mit dem SARS-Virus durch den Verzehr bestimmter infektiöser Tiere, wie dies für andere Infektionen (zum Beispiel Lassa-Fieber, Ebola-Fieber, Krim-Kongo-Fieber) belegt ist.
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Symptome von SARS
Hohes Fieber, trockener Husten, Kurzatmigkeit und Atembeschwerden sind nach WHO-Angaben die Hauptsymptome von SARS. Kopfschmerzen, Muskelsteifheit, Appetitlosigkeit, Durchfall und Verwirrungszustände gelten als weitere Anzeichen einer Infektion. Veränderungen des Brust-Röntgenbildes ähnlich wie bei Lungenentzündungen wurden ebenfalls beobachtet. Medizinern zufolge liegt die Inkubationszeit zwischen zwei und sieben Tagen, bevor Patienten die Grippe ähnlichen Symptome zeigen.
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Die Übertragung von SARS
Der WHO zufolge verbreitet sich das SARS-Virus über die so genannte Tröpfcheninfektion. Personen können sich beispielsweise über den Husten von Infizierten in einem Umkreis von rund einem Meter anstecken.

Daneben kann das Virus auch indirekt übertragen werden - etwa über infizierte Gegenstände, da es drei bis sechs Stunden außerhalb des menschlichen Körpers überlebt.

"Die Kombination einer Übertragung durch Tröpfchen- und Schmierinfektion könnte auch eine Erklärung dafür sein, dass der Großteil der Infizierten aus dem Familienverband des Erkrankten oder dessen Pflegepersonal stammt", vermutet der Virologe Heinz.
Geringeres Ansteckungspotential als zuerst vermutet
"SARS ist auf jeden Fall nicht so tödlich und ansteckend, wie man zuerst angenommen hat. Es gibt zum Beispiel keine Hinweise darauf, dass eine Übertragung während der Inkubationszeit erfolgt", erklärt Heinz.

Das bedeutet, der bereits infizierte aber noch nicht erkrankte Mensch kann keine anderen Menschen mit der Krankheit anstecken. Die Inkubationszeit der Krankheit scheint fünf bis sieben Tage zu sein.

"Daher sind die Gegenmaßnahmen, die getroffen werden, sehr zielführend. Die identifizierten Fälle werden abgeschirmt und isoliert (Quarantäne), so wird dem Virus der Boden für die Verbreitung entzogen", gibt sich Heinz optimistisch.
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Schutz vor SARS
Die weltweit hohe Reisetätigkeit erhöht Experten zufolge die Verbreitung des Virus. Die Ansteckungsgefahr kann jedoch durch Schutzmaßnahmen wie Filter-Masken, Kopfbedeckungen und Handschuhe verringert werden. Durch eine Reinigungslösung aus Wasser und gewöhnlichem Putzmittel lässt sich der Erreger unschädlich machen.
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Auf der Suche nach Heilung
Nach der Identifizierung des Virus bemühen sich die Wissenschaftler, einen Impfstoff gegen das Virus zu entdecken. Als erster Schritt wird jedoch versucht ein Testverfahren zu entwickeln, mit dem festgestellt werden kann, ob ein Patient an SARS erkrankt ist.

Am Institut für Virologie der Universität Wien gelang es einen Polymerase-Kettenreaktions-Test (PCR) auf einen typischen Erbgutabschnitt für das hinter der Krankheit vermutete Coronavirus zu entwickeln. Die Testergebnisse haben allerdings keine 100-prozentige Aussagekraft, sondern können die Krankheit nur mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen.

Bis zur Entwicklung eines Impfstoffes oder eines anderen Heilmittels gegen SARS wird es laut Schätzung der Mediziner noch zwei bis fünf Jahre dauern.

Walter Gerischer-Landrock, Ö1-Radiodoktor
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Ö1-Radiodoktor: Infomappe bestellen
Eine kostenlose Infomappe zur Sendung vom 14.4.03 kann bestellt werden unter: ORF Redaktion Radiodoktor, Postfach 1000, Kennwort SARS, 1040 Wien oder E-Mail: radiodoktor@orf.at

Die Experten bei "Radiodoktor" Manfred Götz waren: Franz Heinz, Virologe vom Institut für Virologie der Universität Wien, und
Hans Pichler, Leiter der 4.medizinische Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin des Kaiser Franz-Josefs Spitals.
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->   Mehr Information über SARS in science.ORF.at
->   Informationen der WHO zu SARS
 
 
 
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01.01.2010