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Irak: Älteste Zeugnisse menschlicher Hochkultur zerstört  
  Entsetzen herrscht weltweit unter Archäologen und Kunsthistorikern über die Zerstörung der ältesten Zeugnisse und Denkmäler menschlicher Hochkultur im Irak. Denn immer mehr wird klar, dass zumindest in Bagdad unermessliche Kulturgüter durch Plünderung und Verwüstung für immer verlorengegangen sind.  
Scharf bewacht werden dieser Tage in Bagdad von den US-Truppen nur Objekte wie das Erdölministerium. Ungeschützt blieben hingegen das Nationalmuseum und die Nationalbibliothek.
Nationalmuseum: Bestände aus babylonischer Zeit
Bild: EPA
Leergeräumte Vitrinen im Nationalmuseum
Im Nationalmuseum befinden oder befanden sich vor allem Bestände aus babylonischer Zeit und 5.000 Jahre alte beschriebene Tafeln - mit die ältesten Schriftdokumente der Menschheit.

Laut Augenzeugenberichten ist davon kaum etwas übrig außer eingeschlagene Glasvitrinen und zertrümmerte Überreste antiker und vorantiker Töpferei. Doch die Verwüstung beschränkt sich nicht nur auf die Schauräume, weiß Wilfried Seipel, der Direktor des Wiener Kunsthistorischen Museums:

"Sie haben sogar die Depots und Tresore des Nationalmuseums aufgebrochen und mutwillig alles zerstört. Auch die Nationalbibliothek und das Musikkonservatorium mit allen Instrumenten sind vernichtet. Es ist mir unverständlich, warum die Amerikaner hier keine Vorkehrungen getroffen haben."
Älteste Hochkulturen der Menschheit
Schwarze Tage für die menschliche Zivilisation: Die meisten Schrifttafeln waren noch nicht wissenschaftlich bearbeitet, sind also für immer verloren.

Das so genannte Zweistromland brachte zwischen Euphrat und Tigris schon seit der Jungsteinzeit die ältesten so bezeichneten Hochkulturen der Menschheit hervor. Da geht es um Daten wie 8.000 bis 7.000 vor Christus.
Sumerer, Babylonier und Assyrer
 
Bild: EPA

Zerstörte Ausstellungsstücke in einem Bagdader Museum

Im Süden des Irak, rund um Uruk finden sich die ältesten Reste des Reiches der Sumerer. Im Mittelirak blühte das Reich von Babylon - am Rande der Ausgrabungen stand ein mittlerweile zerbombter Palast von Saddam Hussein - ob Babylon unter dem Bombardement gelitten hat, steht noch nicht fest.

Und auch für die im Nordirak befindlichen Überreste des assyrischen Reiches gibt es noch keine Bestandsaufnahme.
Plünderungen wie nach dem Krieg 1991
Belegt sind lediglich die Plünderungen, die unter den Augen der alliierten Truppen passieren. Schon 1991, nach dem letzten Krieg im Irak wurde geplündert, weiß der Wiener Archäologe und Irak-Spezialist Friedrich Schipper - vereinzelt von US-Soldaten, aber mehrheitlich von Irakern:

"Die Menschen haben damals teilweise mit Baggern antike Stätten ausgehoben. Zwischenhändler haben dann über Jordanien und über Kairo die Stücke in die beliebtesten europäischen und mexikanischen Umschlagplätze gebracht: London, Genf und in den USA : New York."

Womit auch jetzt auf wundersame Weise gerade jene US-amerikanische Stadt in den nächsten Jahren mit einer merkwürdigen Flut von milliardenschweren Kulturgegenständen überschwemmt werden könnte, die als Stadt des 11. September quasi die Kronzeugin dieses Krieges ist.

Martin Haidinger, Ö1-Wissenschaftsredaktion
 
 
 
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01.01.2010