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Prozess um billige Aids-Medikamente hat begonnen  
  In der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria hat heute der Prozess um billigere Aids-Medikamente begonnen. 39 internationale Pharmakonzerne haben gegen die Regierung des Landes Klage erhoben, die sich für Billigpräparate gegen die Immunschwäche stark macht. In dem Land mit der höchsten Aids-Rate Afrikas sind die Medikamente für die meisten Infizierten unerschwinglich.  
Südafrika kontra Pharmariesen
Vor dem Obersten Gerichtshof in Pretoria steht heute niemand anderes als die Regierung Südafrikas. Verklagt hat sie eine Gruppe von 39 internationalen Pharmaunternehmen, die ihre Patentrechte beschnitten sehen.

Bei dem Rechtsstreit wird die Frage verhandelt, ob sich ein Land mit hoher HIV-Infektionsrate wie Südafrika rechtlich problemlos Zugang zu preiswerten Medikamenten verschaffen darf.
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23 Millionen Infizierte in Afrika
In den Staaten südlich der Sahara sind mehr als 23 Millionen Menschen mit dem HI-Virus infiziert. In Südafrika sind es allein 4,2 Millionen. Viele afrikanische Länder stehen vor der größten sozialen Katastrophe ihrer Geschichte. Nach UNICEF-Angaben sterben zehn Mal mehr Menschen an Aids als in gewaltsamen Konflikten, Aids ist dort bereits die häufigste Todesursache.
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Generika als Alternative
Es geht um die so genannten Generika. Sie werden zwar nicht unter Markennamen verkauft, sind jedoch chemisch identisch mit dem Markenmedikament. Solche alternativen Produkte - z.B. aus Thailand - würden nur einen Bruchteil der Markenwaren kosten.
->   Informationen zu Generika
Gesetzesentwurf als Notmaßnahme
Südafrika, das Land mit Afrikas höchster HIV-Infektionsrate, hatte bereits 1998 ein Gesetz vorbereitet, das den Zugang zu den preiswerten Medikamenten sichern sollte.

Die Regierung in Pretoria hatte sich darauf berufen, aus besonderem öffentlichen Interesse heraus im Falle eines gesundheitlichen Notstandes Maßnahmen wie Parallelimporte, Zwangslizenzierung oder Substitution bestimmter Medikamente durch Nachahmerpräparate zu ermöglichen.

Diese Maßnahmen stellen Schutzmechanismen dar, die im so genannten TRIPS-Abkommen der Welthandelsorganisation geregelt sind.
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TRIPS-Abkommen
Das TRIPS-Abkommen (Trade Related Aspects of Intellectual
Property Agreement) regelt Eigentumsrechte bzw. Patentrechte auf internationaler Ebene. Mit intellectual property sind alle Arten geistigen Eigentums gemeint: Arbeiten von Künstlern und Musikern ebenso wie wissenschaftliche Entdeckungen, z.B. neue Medikamente.

Zu Stande kam das Abkommen 1994, bis zu einer Einigung der damals 125 teilnehmenden Staaten hatte es allerdings fast 8 Jahre gedauert. Begonnen wurde bereits 1986 in Punta del Este, Uruguay. Daher auch der Name "Uruguay Round" für die Verhandlungen über das internationale Handelsabkommen, welches das seit 1948 existierenden GATT-Abkommen (General Agreement on Tariffs and Trade) ersetzen sollte. Unterzeichnet wurde das Abkommen schließlich am 15. April 1994 in Marrakesch, Marokko. 1995 entstand in Folge der Uruguay Round auch die WTO (World Trade Organisation).
->   Das Trips-Abkommen, nachzulesen bei der WTO
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USA unterstützten Pharmakonzerne
Dennoch hatte sich Südafrika lange Zeit von den USA mit Sanktionen bedroht gesehen. Die Regierung Clinton in Washington wollte die Interessen nationaler Unternehmen schützen, hatte ihre Position aber schließlich aufgegeben. Eine Haltung, die - inoffiziellen Angaben zufolge - auch von der neuen Regierung Bush gestützt wird.
Angebote der Pharmaunternehmen
Zwischenzeitlich versuchten die Pharmafirmen, eine außergerichtliche Einigung zu erreichen: Fünf Unternehmen boten an, die Preise für den so genannten Anti-Aids-Cocktail um bis zu 80 Prozent zu senken.

Südafrika lehnte das als ungenügend ab. Für die meisten Afrikaner wären die Medikamente auch dann weiter unerschwinglich.
Proteste im Vorfeld
Am Vorabend des Prozesses kam es in Südafrika zu ersten Protesten. Auf einem zentralen Platz der Stadt versammelten sich nach Angaben von Südafrikas bekanntem Aids-Aktivisten Zackie Achmat die ersten Kundgebungsteilnehmer.

Heute Früh protestierten etwa 150 Menschen vor dem Gerichtsgebäude in Pretoria gegen die Pharmakonzerne.
Unterstützung durch Hilfsorganisationen
Die Hilfsorganisation Oxfam sowie die mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Mediziner-Organisation Ärzte ohne Grenzen (Medecins Sans Frontieres; Abk.: MSF) unterstützen die südafrikanische Regierung in ihrem Kampf gegen die Pharmariesen. Sie forderten die Konzerne in einem offenen Brief auf, ihre Klage zurückzuziehen.

"Der Prozess in Pretoria ist eine eindeutige Warnung der Arzneimittelhersteller an die ärmeren Länder: Spielt nach unseren Regeln oder nehmt die Folgen in Kauf", betont Justin Forsyth von Oxfam.
->   Oxfam
Bei einer gemeinsamen Konferenz mit Oxfam sagte am Donnerstag Ellen 't Hoen von MSF: "Dieser Prozess in Südafrika sendet eine ganz klare Botschaft aus und hat nicht nur für das Land selber eine enorme Bedeutung. Es geht um die Frage, was zuerst kommt: das kommerzielle Interesse oder das der kranken Menschen."
->   MSF - Österreich
Vom Ausgang des Verfahrens vor dem Landgericht (High Court) wird eine Signalwirkung für andere Länder in der Dritten Welt erwartet.
 
 
 
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01.01.2010