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Alzheimer-Protein greift Mitochondrien an  
  Alleine in Europa leiden etwa fünf Millionen Menschen an Alzheimer. Die genauen Ursachen dieser Krankheit, die zu fortschreitendem Verfall der geistigen Fähigkeiten führt, sind bislang nicht geklärt. Einem neuen Mechanismus der Erkrankung sind nun US-Forscher auf die Spur gekommen - und haben damit möglicherweise den ersten echten biochemischen Signalweg entdeckt: Demnach blockiert ein Protein die Mitochondrien der betroffenen Nervenzellen und führt schließlich zu ihrem Absterben.  
Eine Gruppe von Wissenschaftlern von der University of Pennsylvania hat das so genannte "amyloid precursor protein", kurz APP näher untersucht. Ihre Ergebnisse sind nachzulesen im aktuellen Fachmagazin "The Journal of Cell Biology".
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"Amyloid precursor protein impairs mitochondrial function"
Der Artikel "Mitochondrial targeting and a novel transmembrane arrest of Alzheimer's amyloid precursor protein impairs mitochondrial function in neuronal cells" ist erschienen in "The Journal of Cell Biology", Bd. 161, Seiten 41-52, vom 14. April 2003 (doi:10.1083/jcb.200207030).
->   Abstract des Originalartikels in www.jcb.org
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APP: Längst als Alzheimer-Protein bekannt
Tatsächlich weiß man längst, dass APP bei der Entstehung von Alzheimer eine Rolle spielt. Bislang gingen Forscher allerdings davon aus, dass das Protein für die bekannten Eiweißablagerungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten verantwortlich ist.

Diese so genannten Plaques aus einem toxischen Eiweiß (Beta-Amyloid) wiederum durchsetzen laut Theorie die Hirnrinde der Erkrankten und zerstören dort die Nervenzellen - und zwar besonders in den Regionen des Gehirns, die Gedächtnis, Sprache und Denkfähigkeit steuern.

Die Untersuchungen der US-Forscher kommen nun zu einem anderen Ergebnis.
APP hungert "Kraftwerke der Zelle" aus
Demnach richtet das Protein selbst immensen Schaden in den Nervenzellen des Gehirns an: Im Wesentlichen hungert es die Mitochondrien, die "Kraftwerke" der Zelle, aus - und damit auch die sie beherbergenden Neuronen.

Nach Angaben der Wissenschaftler verschließt APP beim Passieren von so genannten Proteintransport-Kanälen ins Innere der Mitochondrien die diese umgebende Membran. Das blockiert schließlich völlig die Fähigkeit der Mitochondrien, andere Proteine zu "importieren" und Energie zu produzieren.
Zudem Ansammlung eines Toxins
Als ob dies nicht genug wäre, konnten die Forscher darüber hinaus weitere Schädigungen durch APP an Mäusezellen feststellen:

Das Ende des Proteins, das außerhalb des Mitochondrions geblieben war, enthält demzufolge ein Toxin. Dieses kommt auch in den bei Alzheimer symptomatischen Eiweißablagerungen, den Plaques vor und sammelt sich laut den Forschern in der Zelle an.
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Mitochondrien: Rund 1.000 Zelluläre Kraftwerke pro Zelle
Mitochondrien sind "zelluläre Kraftwerke". Eine der wichtigsten Aufgaben jeder lebenden Zelle ist die Gewinnung von Energie zur Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen. Energie wird dabei hauptsächlich in Form von Adenosin-Triphosphat (ATP) umgesetzt. Verantwortlich dafür sind unter anderem die rund 1.000 Mitochondrien in jeder Körperzelle.
->   Mehr Informationen in www.zum.de
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Erstmals echter Nachweis eines Signalweges
"Wissenschaftler haben viele biochemischen und biophysischen Phänomene beobachtet, die mit einer Alzheimer-Erkrankung assoziiert werden", erklärte dazu Hindupur Anandatheerthavarada, einer der Studienautoren, in einer Aussendung der University of Pennsylvania.

"Doch es ist unklar geblieben, ob dies die Ursachen oder nur Nebeneffekte [der Krankheit] sind. Der von uns beobachtete Signalweg, der direkt zu den üblichen Symptomen führt, ist der erste mit einer nachgewiesenen Fähigkeit, das neuronale Absterben zu verursachen, welches mit Alzheimer verbunden wird."
Neuer Ansatz für Medikamenten-Entwicklung
Warum bzw. auf welche Weise genau APP in den mitochondrialen Membran-Eingängen stecken bleibt, wollen die Forscher nun in weiteren Studien klären.

Möglich ist etwa, dass eine saure, negativ geladene Region des Proteins dafür verantwortlich ist, wie Experimente nach Angaben der Wissenschaftler bereits gezeigt haben. Hier könnte demnach ein neuer Ansatzpunkt für Medikamente liegen.
Derzeit keine Heilungsmöglichkeit
Derzeit kennt die Medizin keine Heilungsmöglichkeit für Alzheimer, Vorhandene Medikamente können den Verlauf der Krankheit lediglich verzögern und die kognitiven Fähigkeiten der Patienten unterstützen.

Selbst eine Diagnose konnte lange Zeit erst nach dem Tod eines Betroffenen eindeutig getroffen werden - durch Untersuchungen des Gehirns und Nachweiß der Plaques. Denn die Symptome von Alzheimer decken sich auch mit anderen Alterskrankheiten.

Neuere Studien konzentrieren sich allerdings zunehmend darauf, mit Hilfe von bildgebenden Verfahren wie beispielsweise der Positronen-Emissionstomographie (PET) die Veränderungen im Gehirn bereits im Frühstadium aufzuspüren.

Sabine Aßmann, science.ORF.at
->   Weitere Informationen zu Alzheimer in www.medicine-worldwide.de
->   The Journal of Cell Biology
->   Alles zum Stichwort Alzheimer in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010