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Heimische Ortsnamen im Altdeutschen Namenbuch  
  Das Altdeutsche Namenbuch bearbeitet sämtliche Quellen von Ortsnamen in Österreich und Südtirol, die bis zum Jahr 1200 schriftlich überliefert sind. Die Wissenschaftlerin Helen Bito stellt das Namenbuch, seit 1986 ein Unternehmen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, in einem Gastbeitrag in der Reihe "Young Science" vor - passend zum Tag des Buches, der am Mittwoch weltweit begangen wird.  
Das Altdeutsche Namenbuch
Von Helen Bito

Das Altdeutsche Namenbuch, das seit 1986 ein Unternehmen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist, erscheint seit 1989 in jährlich einer Lieferung mit durchschnittlich 80 Druckseiten und wird am Institut für Österreichische Dialekt- und Namenlexika erarbeitet.

Es stellt sich zur Aufgabe, sämtliche in Österreich und Südtirol bezeugten schriftlichen Quellen von Ortsnamen zu erfassen und nach wissenschaftlichen Kriterien zu bearbeiten.

Als zeitlicher Rahmen gelten die Anfänge schriftlicher Überlieferung einerseits, das Jahr 1200 als späteste Abfassungszeit andererseits. Der Aufbau der einzelnen Ortsnamenartikel gliedert sich in ein dreiteiliges Schema: Artikelkopf, Belegteil und etymologische Deutung.
Artikelkopf
Die alphabetisch gereihten Ortsnamenartikel bieten im Artikelkopf die amtliche Namenform samt zugehöriger Gemeinde, Politischem Bezirk sowie Bundesland, abgekommene bzw. unidentifizierbare Namen werden in der ältesten urkundlichen Notation angesetzt.
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Geografische Bestimmung der Gewässernamen
Die geografische Bestimmung der Gewässernamen erfolgt durch Angabe der Fließrichtung zum Hauptfluss und Nennung des der Mündung nächstgelegenen Ortes, ähnlich werden Berg- und Flurnamen durch Nennung nächstgelegener Siedlungen geographisch bestimmt.
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Belegteil
Der Belegteil listet die urkundlichen Belege chronologisch gereiht unter Angabe der Überlieferungsart in knappem Kontext, um sowohl den Charakter der Örtlichkeit zu vermitteln als auch die grammatische Einbettung. Die Quellensigle gibt Aufschluss über die Provenienz der Nennung.

Besonderes Gewicht wird auf die Überlieferungsart eines Quellenbeleges gelegt, da für die weitere philologische Auswertung nicht unerheblich ist, ob es sich um ein Original, eine spätere Kopie oder um eine Fälschung handelt.

Der Großteil des Belegmaterials wurde anhand der Handschriften kollationiert. Nach Bedarf werden Neudatierungen anhand der diplomatischen Sekundärliteratur ausgewiesen.
Etymologie
Die etymologische Deutung des Namens erfolgt in knapper Form, häufig wiederkehrende deutsche Grundwörter und Suffixe werden ohne weitere Referenzen angeführt, sonstige Appellativa und Personennamen werden in der normalalthochdeutschen Ansatzform analog den entsprechenden Lexika angesetzt.

Für die Etymologien fremdsprachiger Namen stehen eine Reihe von Fachleuten zur Verfügung. Gibt eine mundartliche Form Aufschlüsse zur Deutung, wird sie im Transkriptionssystem des "Wörterbuchs der bairischen Mundarten in Österreich" angeführt.
->   Mehr dazu: Kein "Zwutschkerl" - Bairische Mundarten in Österreich
Datenbank mit Namenmaterial
Der Abschluss des Namenbuches ist in etwa fünf Jahren zu erwarten, wobei die Namen des Bundeslandes Vorarlberg aus organisatorischen Gründen in einer eigenen Lieferung nach Abschluss der übrigen Bundesländer publiziert werden.

Um einen Überblick über die Quantität und Verbreitung einzelner Namen- und Bildungstypen, der lautlichen Erscheinungen und anderer Fragestellungen bieten zu können, wird das gesamte Namenmaterial derzeit in eine Datenbank überführt. Entsprechende Auswertungen inklusive kartographische Darstellungen sind als letzte Lieferung geplant.
Die "Sankt"-Namen
Die aktuelle Lieferung des Namenbuches reicht vom Artikel Salzburg (2. Teil) bis zu den Ortsnamen, die mit So- beginnen und beinhaltet auch alle "Sankt"-Namen in Österreich und Südtirol, die vor 1200 überliefert wurden, von Sankt Ägid bis Sankt Zeno.

Bei 170 Ortsnamen zeichnet das entsprechende Kirchenpatrozinium für den Namen verantwortlich. Nimmt man als Vergleich das Ortsverzeichnis 1991 der Statistika Austria zur Hand, so lassen sich heute mehr als 480 Namen finden, bei denen die Grundnamen der Ortsbezeichnungen mit Patroziniennamen gebildet sind.
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Eine Artikelauswahl
Zwei kurze Beispiele aus der aktuellen Lieferung sollen den Artikelaufbau konkret veranschaulichen:

Sankt Dionysen Gem. Traun, PB Linz-Land, O:
1121-38 predium ... ad sanctum Dionisium (Tr Passau Nr 121); um 1140 predio ... apud s. Dionisium (Tr Passau-SNikola Nr 102).
E: Patrozinium d. hl. Dionysius (von Paris).

Sankt Peter Gem. Sankt Jakob im Rosental, PB Villach Land, K:
1171 Dr 19.Jh. oratorium sancti Petri sub monte sancti Iacobi ... sub castro Rase (M Car 3 Nr 1144).
E: Patrozinium d. hl. Petrus (Apostel).
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Motiv häufig kirchliche Autorität
Die Motive bei der Patrozinienwahl sind verschiedenartig, der Großteil der "Sankt"-Orte verdankt seinen Namen allerdings kirchlicher Autorität, Reliquienbesitz, Liturgie und Tradition, missionarischer Notwendigkeit und Bedürfnissen des Volkes.

Der Typus der "Sankt"-Namen ist an keine bestimmte Zeit gebunden, das Auftreten ist breit über die Jahrhunderte gestreut. Obwohl die "Sankt"-Namen vor allem im Hoch- und Spätmittelalter produktiv werden, ist dennoch schon ca. jeder dritte "Sankt"-Name vor 1200 überliefert.
Benannt nach 47 verschiedenen Heiligen
Nach 47 verschiedenen Heiligen sind jene "Sankt"-Orte benannt, die in der aktuellen Lieferung des Altdeutschen Namenbuches vertreten sind. Die meisten Heiligen treten nur ein- bis zweimal auf. Am häufigsten namengebend in unserem Raum sind der heilige Georg und der heilige Martin.
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Informationen zur Autorin Helen Bito
Helen Bito, Studium der Deutschen Philologie und Geschichte in Wien. Diplomarbeit zu Ortsnamen in Oberösterreich (Die 'bach-Namen' in Oberösterreich'). Mitarbeit am Ortsnamenbuch des Landes Oberösterreich, hrsg. von Univ. Prof. Dr. Peter WIESINGER, Institut für Germanistik, Universität Wien. Mitarbeit an der 13. Lieferung des Altdeutschen Namenbuches, Österreichische Akademie der Wissenschaften. Lektorin am Institut für Geschichte an der Universität Wien: z.B. 'Historische Ortsnamenforschung' (SS 2002 und WS 2001).

Publikationen:
Altdeutsches Namenbuch, 13. Lieferung. Bearbeitet von Helen BITO - Isolde HAUSNER - Elisabeth SCHUSTER.
Richard REUTNER - Helen BITO - Peter WIESINGER: Die Ortsnamen des Politischen Bezirkes Vöcklabruck (Südliches Hausruckviertel). Wien 1997 (= Ortsnamenbuch des Landes Oberösterreich 4).

YOUNG SCIENCE ist eine Kooperation zwischen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und science.ORF.at. Junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen stellen ihre Arbeiten und Projekte in Originalbeiträgen vor.
->   Alle Beiträge in der Reihe "Young Science"
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Informationen zur Publikation "Altdeutsches Namenbuch"
Altdeutsches Namenbuch. Die Überlieferung der Ortsnamen in Österreich und Südtirol von den Anfängen bis 1200.

Hgg. v. Institut für österr. Dialekt- und Namenlexika der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Bearbeitet von Isolde HAUSNER u. Elisabeth SCHUSTER. 1989f. Publikationsstand: 13. Lieferungen (A-Sittendorf).
->   Institut für Österreichische Dialekt- und Namenlexika
 
 
 
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01.01.2010