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Massensterben: Asteroid löste globale Brände aus  
  Dass am Ende der Kreidezeit ein Gutteil der urzeitlichen Tier- und Pflanzenwelt infolge eines Asteroideneinschlags ausgelöscht wurde, gilt heute als gut gesicherte Lehrmeinung. Viel eher stellt sich angesichts dieser globalen Katastrophe die Frage, wie höhere Organismen dieses Zeitalter überhaupt überleben konnten. Neue Modelle zeigen im Detail, an welchen Stellen der Erde der Himmelskörper eine Spur der Zerstörung hinterließ - und wo es eine Chance gab zu überleben.  
Zu den relativ unbeschadeten Kontinenten zählten etwa Europa sowie das nördliche Asien. Die Computer-Simulation der urzeitlichen Apokalypse könnte im Prinzip auch dazu dienen, das Szenario zukünftiger Asteroiden- bzw. Meteoriteneinschläge zu bestimmen.
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Literatur-Tipp: Asteroiden im "New Scientist"
Das Wissenschaftsmagazin "New Scientist" widmet dem Thema Asteroideneinschlag in seiner aktuellen Ausgabe (19. April 2003) drei Artikel: Zwei beschäftigen sich mit der Vorhersage bzw. der Verhinderung eines zukünftigen Impacts, Ivan Semeniuk geht in seinem Aufsatz "Fires of the apocalypse" (S. 32-35) schließlich der Frage nach, inwieweit der Ablauf der Katastrophe in der Kreidezeit zu rekonstruieren ist.
->   New Scientist
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Faunenschnitte als Hinweis auf Massensterben
Die Art und Weise, wie Paläontologen die Erdzeitalter einteilen, ist nicht ganz zufällig: Zwischen den bekannten Hauptepochen Paläo-, Meso- und Känozoikum liegen so genannte Faunenschnitte, abrupte Änderungen des Artenspektrums, die u.a. durch Massensterben verursacht sein können.
Der Klassiker: "Chicxulub" bei Mexiko
Als diesbezüglicher Klassiker gilt die Katastrophe an der Grenze zwischen Kreidezeit und Tertiär: Vor etwa 65 Millionen Jahren schlug ein zehn Kilometer großer Himmelskörper nahe der mexikanischen Halbinsel Yucatan ein, der so genannte Chicxulub-Krater ist heute noch stiller Zeuge dieser globalen Katastrophe.

Unter Fachleuten gibt es kaum mehr Diskussionen über die Richtigkeit dieser Impact-Theorie des damaligen Massensterbens.
->   Neue Bilder vom Dino-Krater "Chicxulub"
"Wie konnte überhaupt etwas überleben?"
Eher im Fluss befindet sich die Lehrmeinung über die konkreten Szenarien, die der verheerende Einschlag nach sich zog. Eine neuere Interpretation geht davon aus, dass nicht etwa Klimaveränderungen oder Überschwemmungen den meisten Tier- und Pflanzenarten den Garaus machten, sondern globale Brände:

"Ich zweifle nicht daran, dass die Dinosaurier regelrecht gegrillt wurden", meint Jay Melosh von der University of Arizona im Gespräch mit New Scientist: "Mein Problem ist eher zu verstehen, wie überhaupt irgend etwas überleben konnte."
Die global fire-Hypothese
Melosh war der Erste, der - im Rahmen einer Nature-Publikation (Bd. 343, S. 251) - darauf hinwies, dass durch den Einschlag gewaltige Mengen an Staub empor geschleudert wurden. Diese Materie sei bei ihrem Wiedereintritt in die Atmosphäre dermaßen aufgeheizt worden, so dass sich die Erde in ein Feuerinferno verwandelt haben musste.
Bestätigungen: Ruß ...
Zwei Funde aus den letzten Jahren zeigen, dass Melosh mit seinen Berechnungen die richtige Fährte aufgenommen hatte. Zum einen jener von Wendy Wolbach von der University of Chicago, die in dänischen Sedimenten der Kreidezeit Spuren von Ruß entdeckte.

Später wurden auch an anderen Stellen gleichen Alters - einschließlich des pazifischen Ozeans - solche Rußpartikel nachgewiesen, was als Bestätigung der gobal fire-Hypothese gewertet wurde.
... und Sporen
Der zweite Beleg stammt aus der so genannten Sporologie: Durch fossile Funde weiß man, dass sich das Verhältnis der Sporen von Samenpflanzen zu jenen der Farne am Ende der Kreidezeit drastisch verschoben hat.

Eine Erklärung für die plötzliche Zunahme der urtümlichen Farn-Sporen könnte im Verschwinden großer, verholzter Pflanzen liegen. Es liegt nahe, dies ebenfalls auf die Wirkung globaler Brände zurückzuführen.
Neues Modell bringt detaillierte Kenntnisse
Detaillierte Kenntnisse vom urzeitlichen Feuerinferno hat man allerdings erst seit September letzten Jahres. Damals publizierten David Kring von der University of Arizona und Dan Durda vom Southwest Research Institute in Boulder eine computerbasierte Analyse des Hergangs der Katastrophe.
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Die Arbeit "Trajectories and distribution of material ejected fro the Chicxulub impact crater: Implications for post-impact widlfires" von D.A. Kring and D.D. Durda erschien im "Journal of Geophysical Research 107(E6)" (DOI: 10.1029/2001JE001532).
->   Journal of Geophysical Research
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Die Eckdaten des Infernos
Einige Eckdaten des Szenarios geben Aufschluss über die gigantische Zerstörungskraft der Detonation: Etwa 10.000 Kubikkilometer der Erdkruste wurden in heißen Dampf und feine Partikel verwandelt.

Ein Teil davon wurde so weit in den Weltraum geschleudert, dass er erst auf halbem Weg zum Mond vom Gravitationsfeld der Erde gestoppt wurde und wieder auf diese zurückfiel.
Globale Flächenbrände
Flüssige und feste Stoffe - Kring und Durda sprechen von "high energy ejecta" - verteilten sich daraufhin um den ganzen Globus und lösten die eigentliche gobale Katastrophe aus: Wo immer dieses Material auf die Erde zurückfiel, es löste Flächenbrände aus.

Etwa eine Stunde nach dem Einschlag bildete sich laut dem Modell noch ein zweiter hot spot der Zerstörung: In Indien - damals noch eine Insel -, wo die Brände ebenfalls die gesamte Fauna und Flora vernichteten.
->   Der Verlauf der Katastrophe im 20 Minuten-Takt (Univ. Arizona)
Europa und Asien blieben - relativ - verschont
Aufgrund der ostwärts gerichteten Erdrotation breitete sich die Feuersbrunst in den folgenden Stunden in Richtung Westen aus - und bedeckte fast den ganzen Erdball.

Sieht man von globalen Klimaveränderungen, saurem Regen u.ä. ab, kamen nach Krings und Durdas Modell zwei Regionen relativ glimpflich davon: Europa und das nördliche Asien. Dies könnte auch die Erklärung dafür sein, warum überhaupt höhere Lebewesen das Inferno überlebten.
Vorhersage einer Katastrophe - riskantes Unterfangen
Nach Ansicht von New Scientist-Autor Ivan Semeniuk könnte das Modell - entsprechende Eingangsdaten vorausgesetzt - auch dazu dienen, im Fall eines zukünftigen Asteroideneinschlages die relativ sicheren Zonen auf der Erde zu bestimmen.

Sollte die Simulation dabei versagen, erübrigt sich allerdings nicht nur die wissenschaftliche, sondern jegliche Diskussion: "Denn", so Semeniuk, "dann gibt es wohl niemanden mehr, der Kring und Durda auf Schadenersatz verklagen könnte."

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Hompage von David Kring
->   Homepage von Jay Melosh
->   Homepage von Dan Durda
 
 
 
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01.01.2010