News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 
Diabetes bei Mäusen: Heilung durch Gentherapie  
  Mit Hilfe einer neuartigen Gentherapie ist es Wissenschaftlern gelungen, die Produktion und das Wachstum von Insulin produzierenden Zellen in der Leber von Mäusen anzuregen. Die an Diabetes leidenden Tiere konnten auf diese Art und Weise vollständig geheilt werden.  
"Das ist der Beweis eines Prinzips", meinte Lawrence Chan vom Baylor College of Medicine und Leiter der Studie in einer Aussendung. "Das Aufregende an den Ergebnissen unserer Versuche ist, dass die Mäuse wirklich geheilt sind".

Die Ergebnisse ihrer Arbeit veröffentlichten das Team um Chan in der Online-Ausgabe von "Nature Medicine".
Der Artikel in "Nature Medicine": "NeuroD-betacellulin gene therapy induces islet neogenesis in the liver and reverses diabetes in mice" (online veröffentlicht am 21. April 2003, DOI: 10.1038/nm867)
->   Original-Abstract
Bauchspeicheldrüse-ähnliche Zellen in der Leber
Die Wissenschaftler benutzten ein so genanntes NeuroD-Gen - einen Transkriptionsfaktor, der die Leber dazu anregt, Zellen zu produzieren, die den so genannten Langerhans'schen Inseln der Bauchspeicheldrüse ähneln. Diese Zellen können Insulin und andere Hormone der Bauchspeicheldrüse, die für die Normalisierung der Glukosewerte verantwortlich sind, produzieren.

Für den Gentransfer verwendeten die Wissenschaftler ein Adenovirus, dass zuvor seiner krankheitserregenden Eigenschaften beraubt wurde.
...
Produktionsstätte des Insulin
Die Langerhans'schen Inseln der Bauchspeicheldrüse bestehen in der Hauptsache aus drei verschiedenen Zelltypen, nämlich Alpha-, Beta- und Delta-Zellen.

Die Alpha-Zellen produzieren den Insulingegenspieler Glukagon, die Delta-Zellen das Wachstumshormon Somatotropin und die Beta-Zellen Insulin. Das fein abgespielte Zusammenspiel dieser Hormone ermöglicht es, den Blutzucker immer exakt den Bedürfnissen der jeweiligen Belastungssituation anzupassen.
...
Virus als Gen-Taxi
Bisher wurde vor allem versucht, Zellen der Bauchspeicheldrüse von gesunden Personen in die Bauchspeicheldrüse von Diabetikern zu transferieren. Diese Form der Therapie hat aber sehr viel Risiken. Daher gingen die Wissenschaftler einen anderen Weg, indem sie mit Hilfe eines Gens die Produktion von Bauchspeicheldrüsen-ähnlichen Zellen induzieren wollten.

Um Erbsubstanz in Zellen einzuschleusen, werden oft Viren als "Gen-Fähren" verwendet. Denn Viren sind das "Mittel", mit dem Forscher neue Gen-Informationen in Zellen bzw. Organismen einbringen, da diese Tätigkeit für Viren eine ganz natürliche Funktion ist. Das Überleben des Virus hängt von seiner Fähigkeit ab, genetische Information in geeignete Wirtszellen einzubringen und dort zu Proteinen umschreiben zu lassen.

Diese Eigenschaft versucht man auszunützen, indem Viren gentechnisch so verändert werden, dass sie ein oder mehrere therapeutische Gene in die richtigen Zellen einschleusen. Bei der nun vorgestellten Studie wurde ein Adenovirus, ein einfacher Erkältungsvirus, verwendet.
...
Adenoviren
Adenoviren werden in zwei Gattungen unterteilt, die Mastadenoviren, die Säugetiere infizieren können, und die Aviadenoviren, die in verschiedenen Vogelarten endemisch sind. Man unterscheidet mehr als 100 serologische Formen (Serotypen).
Im allgemeinen befallen Adenoviren vor allem das Epithel der Atemwege; sie verursachen etwa fünf bis 15 Prozent aller Erkältungskrankheiten. Obwohl sie hauptsächlich harmlose Erkrankungen auslösen, treten sie auch als Erreger von gravierenderen Krankheiten wie Keratokonjunktivitis, Gastroenteritis, Pneumonie, Bronchitis und Hepatitis auf. In sehr seltenen Fällen können Adenovirusinfektionen auch zum Tode führen.
->   Adenoviren (Virologie der Vet. Med. Wien)
...
Gen und Wachstumsfaktor
Der Transfer des NeuroD-Gens allein konnte die Diabetes der Mäuse allerdings nur teilweise heilen. Zu einer vollständigen Heilung kam es durch einen kombinierten Transfer mit dem Wachstumsfaktor Btc, der die Entstehung bestimmter Langerhans'scher Inselzellen - den Beta-Zellen - fördert.

"Bis jetzt konnte durch keine Gentherapie die Entstehung von Langerhans'schen Inseln angeregt werden", so Chan. Die Erfolge seiner Arbeit bedeuten aber nicht, dass diese Form der Gentherapie sofort auf den Menschen angewendet werden kann.
Probleme der Therapie
Das größte Problem dürfte der als Gen-Fähre verwendete Virus darstellen. Chan und seine Kollegen benutzten zwar das derzeit sicherste Virus für den Transport der Gene, Nebenwirkungen sind niemals ausgeschlossen.

So entwickelten die durch Chan und sein Team therapierten Mäuse eine spontane Gelbsucht. Bei ähnlichen Gentherapien, allerdings mit anderen Transportviren, kam es bei den Patienten zum Ausbruch von Leukämie.
->   FSME-Viren als Gentherapie-Kandidaten
Jahre des Wartens
"Wir möchten die sichersten Viren als Gen-Fähren einsetzen, die es gibt. Möglicherweise wird es die aber erst in ein paar Jahrzehnten geben", meinte Chang.

Der Vorteil seiner Therapie gegenüber den herkömmlichen Zelltransplantationstherapien wäre auf jeden Fall, dass sie den lebenslangen Gebrauch von Medikamenten, die die Abstoßungsreaktion des Immunsystems unterdrücken, erübrigen würde.
->   Baylor College of Medicine
->   Mehr über Diabetes in science.ORF.at
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010