News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung .  Technologie 
 
Wie Lichtpulse Materie magnetisieren  
  Weltweit arbeiten Forscher an licht- und magnetgesteuerte Computerspeichermedien. Denn Berechnungen zufolge sind diese wesentlich effizienter und schneller als konventionelle Technologien. Dass Materie unter Laserbestrahlung vom nicht magnetischen in einen magnetischen Zustand wechselt, hat nun ein internationales Forscherteam mit Hilfe von "Röntgen-Schnappschüssen" erstmals direkt beobachtet. Mit extrem kurzen Röntgenstrahlpulsen gelang es den Wissenschaftlern, diese Phasenübergänge in Echtzeit zu messen.  
Dieser Effekt ist von großem Interesse für die Optoelektronik und Photonik und kann dort zur Datenspeicherung oder -übertragung genutzt werden. Die Forscher von der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble haben ihre Arbeit im Fachmagazin "Science" veröffentlicht.
...
"Laser-Induced Ferroelectric Structural Order"
Der Artikel "Laser-Induced Ferroelectric Structural Order in an Organic Charge-Transfer Crystal" ist erschienen in "Science", Bd. 300, Seiten 612-615, vom 25. April 2003.
->   Der Artikel in "Science" (kostenpflichtig)
...
Magnetismus: Geordneter Zustand von Materie
Die Struktur fester Materie kann geordnet oder ungeordnet sein. Im ungeordneten Zustand weisen ihre Bausteine alle möglichen Orientierungen auf, so dass keine "makroskopischen" physikalischen Eigenschaften messbar sind.

Im geordneten Zustand hingegen sind alle Bausteine gleich ausgerichtet - eine Konsequenz dieser inneren Ordnung ist beispielsweise der Magnetismus: Ein ungeordneter Festkörper aus Eisen ist nicht magnetisch ("paramagnetisch"), ein geordneter sehr wohl ("ferromagnetisch").
Die Suche nach dem "Schalter"
In vielen Anwendungsbereichen des Magnetismus - Elektrooptik, Optoelektronik oder elektronische Datenspeicherung - besteht großes Interesse daran, ein Material zeitlich reversibel zwischen dem ungeordneten und dem geordneten Zustand hin- und her schalten zu können.
Bestrahlung mit Licht als Lösung?
In jüngster Zeit versucht man nun, die Magnetisierung und Demagnetisierung von Materie durch Bestrahlung mit Licht zu steuern und zu schalten, da Lichtphotonen das schnellste Transportmedium schlechthin sind.

Mit Hilfe der so genannten lichtinduzierten Phasenübergänge ist es tatsächlich möglich, unter geeigneten Bedingungen ungeordnete Materie durch Bestrahlung mit optischen Photonen im sichtbaren Bereich in einen zeitlich limitierten, also vorübergehenden geordneten Zustand zu überführen.
Bislang kein eindeutiger Beweis
Auf diese Weise ist es möglich, nicht magnetische Materialien unter Lichteinstrahlung vorübergehend in den ferroelektrischen Zustand zu überführen und umgekehrt.

Obwohl dieser Effekt seit einiger Zeit bekannt ist und erforscht wird, gab es bisher allerdings keinen eindeutigen Beweis für diese lichtinduzierte Ordnung.

Da die Ordnungsphänomene von sehr vorübergehender Natur sind, braucht man nicht nur extrem schnelle optische Methoden, um diese Ordnungen herzustellen, sondern auch mindestens genauso schnelle optische Methoden, um sie direkt zu beobachten.
"Röntgen-Schnappschüsse" brachten Abhilfe
Um diesen strukturellen Übergang nun zu beweisen und die Positionen der Moleküle in der vorübergehend geordneten Materie zu bestimmen, haben sich die Forscher eine neuartige Methode - die zeitaufgelöste Röntgenstrukturanalyse - zu Nutze gemacht.

Wurde Röntgenlicht in der Vergangenheit lediglich für statische Messungen herangezogen, ist es nunmehr möglich, wie in einem Film viele schnell aufeinander folgende "Schnappschüsse" von der sich ändernden Struktur von Materie zu machen und die Änderungen in Echtzeit zu verfolgen.
Ordnung durch Licht in Elektronenleiter
In der in "Science" veröffentlichten Arbeit haben die Forscher die photoinduzierte Ordnung in Tetrathiofulvalen-p-Chloranil, einer Modellsubstanz für einen so genannten eindimensionalen Elektronenleiter, untersucht.

Die Physiker beobachteten, wie ein solcher Kristall - durch Anregung mit einem 300 Femtosekunden-Laserpuls - innerhalb von Pikosekunden von der neutralen paramagnetischen in die ionische ferroelektrische Phase höherer Ordnung übergeht und in diesem Zustand einige Mikrosekunden verweilt.

Damit ist den Wissenschaftlern erstmals der direkte Beweis für eine lichtinduzierte vorübergehende Ordnung in einem Festkörper gelungen.
Übergang von Unordnung zu Ordnung
 
Grafik: Max-Planck-Institut f¿r biophysikalische Chemie

Durch Lichtanregung wird in dem eindimensionalen Elektronenleiter eine ferromagnetische Struktur gebildet, die sich wieder in die paramagnetische Struktur umwandelt.

Der geordnete Zustand stellt sich innerhalb von einem Millionstel einer Millionstel Sekunde (einer Pikosekunde) ein und "lebt" eine Millionstel Sekunde lang (eine Mikrosekunde).
Forschung an der European Synchrotron Radiation Facilty
Für diese anspruchsvollen Techniken benötige man allerdings sehr große Forschungsanlagen, wie die European Synchrotron Radiation Facilty (ESRF) in Grenoble, hieß es in einer Aussendung des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie in Göttingen.

Nur dort - in einer einzigartigen Konstellation aus ultraschnellen Lasersystemen und harten Röntgenpulsen - sei die Zeitauflösung der Röntgenpulse so kurz und ihre Röntgenphotonenintensität so groß, dass man die vorübergehenden Ordnungsphänomene "sehen" könne.
->   Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
->   European Synchrotron Radiation Facility
->   Mehr zum Stichwort Magnetismus in science.ORF.at
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung .  Technologie 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010