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Forschungserfolge und Wirtschaft  
  In seiner Eigenschaft als Institutsvorstand der Virologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien war er maßgeblich an dem Zusammenschluss des Institutes mit der österreichischen Biotech-Firma Austrianova beteiligt. So konnten die finanziellen Mittel für Forschung und Ausbildung der Mitarbeiter des Institutes gesichert werden. Beides kommt dem Unternehmen wie auch dem Institut zu Gute. Walter H. Günzburg im Gespräch über Erfolge in der Forschung und deren Vorrausetzungen.  
Herr Günzburg, wie würden Sie die momentane Lage in der Gentherapie-Forschung beschreiben?
Die Entwicklung einer Gentherapie vom Konzept bis zur einsetzbaren Behandlung ist ein langer, teuerer Weg, und die nötigen Mittel dazu stehen universitären Forschungseinrichtungen nicht zur Verfügung. Schon aus diesem Grund ist die Kooperation der Grundlagenforschung mit der Biotech-Industrie erforderlich. Allerdings ist es auch bedeutend schwieriger geworden, an die nötigen Geldmittel heran zu kommen.

Die anfängliche Euphorie ist - zumindest unter den Investoren - einer realistischeren Erwartungshaltung gewichen. Die Forschung ist auf dem richtigen Weg, aber die ersten Erfolge kommen langsamer als erhofft und es sind immer noch zahlreiche Probleme bis zur kommerziellen Anwendung zu bewältigen.
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Zur Person
Walter H. Günzburg ist ordentlicher Professor am Institut für Virologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien und Institutsvorstand, Aufsichtsratsvorsitzender und wissenschaftlicher Berater des österreichischen Biotech-Unternehmens Austrianova, sowie Gründungsmitglied des Österreichischen Netzwerks für Gentherapie.
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Sie sind mit Ihrem Institut diesen zukunftsweisenden Weg der Kooperation zwischen Universität und Industrie ja bereits gegangen. Würden Sie uns Ihr sogenanntes "Integrationsmodell" kurz erläutern?
Als ich im Jahre 1996 hier am Institut begann, standen mir eine Handvoll Mitarbeiter und ein Jahresbudget von rund 50.000 Euro zur Verfügung. Das ist zu wenig, um sinnvolle Forschung zu betreiben. Nach dem Zusammenschluss mit der Austrianova arbeiten jetzt mehr als 56 Personen an gemeinsamen Projekten, unabhängig von der strukturellen Zugehörigkeit. Das Jahresbudget beläuft sich nunmehr auf rund vier Millionen Euro.

Für das Institut bedeutet das die langfristige Finanzierung der Forschung und die Ausbildung von hochqualifizierten wissenschaftlichen Mitarbeitern, die sowohl der Universität in der Lehre als auch dem Unternehmen zu Gute kommen. Die zentrale Unternehmensaufgabe der Austrianova ist es, die am Institut für Virologie gewonnen wissenschaftlichen Erkenntnisse in wirtschaftlich verwertbare Produkte umzusetzen.
Wie beurteilen Sie das herrschende politische Klima in Österreich für die Entwicklung der Biotechnologie?
Österreich ist sich der Wichtigkeit der Biotechnologie durchaus bewusst und versucht, den Standort Österreich zu fördern. Es gibt zahlreiche staatliche Programme, wie "Life Science Austria" der Innovationsagentur, oder die Unterstützung des Forschungsförderungsfonds (FFF), die die Umsetzung wissenschaftlicher Ergebnisse in wirtschaftliche Produkte erleichtern. Da sich die Investoren momentan sehr zurückhaltend zeigen, ist die staatliche Unterstützung dieses zukunftsträchtigen Feldes von höchster Wichtigkeit.
Sie sind Gründungsmitglied des Österreichischen Netzwerks für Gentherapie. Was sind die Ziele dieser Vereinigung?
Die Entwicklung gentherapeutischer Behandlungsmethoden verläuft von der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung bis zur Durchführung umfangreicher und aussagekräftiger klinischer Studien. Die ANGT (Austrian Network for Gene Therapy) ist eine multidisziplinäre Arbeitsgruppe, deren Ziel es ist, österreichweit Wissenschaftler, Kliniker und Industrie auf dem Gebiet der Gentherapie aktiv zusammen zu bringen.

Natürlich versuchen wir auch, ähnliche Aktivitäten in Europa und darüber hinaus einzubeziehen. Innerhalb Österreichs gibt es rund zehn im Laborbereich tätige Forschungsgruppen und etwa drei bis vier klinische Gruppen, die im Sektor Gentherapie aktiv sind.
Das Thema Gentherapie hat jüngst für Schlagzeilen gesorgt, als zwei Patienten an Leukämie erkrankten, nachdem sie zuvor im Rahmen einer klinischen Studie mit einem gentherapeutischen Verfahren behandelt wurden. Beunruhigen Sie solche Ereignisse?
Bei besagter klinischer Studie handelte es sich um eine Gruppe von elf Kindern, die an der schweren Erbkrankheit SCID (Severe Combined Immunodeficiency) litten. SCID-Patienten müssen von der Außenwelt hermetisch abgeschirmt werden, weil ihr Immunsystem schon mit normalerweise harmlosen Erregern nicht fertig wird.

In dieser im Jahr 1999 in Frankreich durchgeführten Studie versuchte man, intakte Kopien des defekten Gens mittels eines Virusvektors in die Zellen der Patienten einzuschleusen und so die Krankheit zu heilen. Die Mehrzahl der Kinder zeigte auch tatsächlich eine deutliche Verbesserung ihres Zustandes, welche ihnen ein weitgehend normales Leben ermöglichte. Diese Ergebnisse wurden später anhand vier weiterer Patienten in London bestätigt.

Im Herbst 2002 entwickelten zwei der Kinder eine behandelbare Leukämie, die wahrscheinlich mit der erfolgten Gentherapie in Zusammenhang steht. Man vermutet jedoch, dass für die Entstehung der Leukämie das Aufeinandertreffen verschiedener spezifischer Faktoren notwendig ist.

Ein Schwerpunkt unserer Forschungen ist daher, bessere Virusvektoren, bzw. auch künstliche Alternativen dazu zu entwickeln, um die Wahrscheinlichkeit solcher Ereignisse zu verringern. Dennoch stimmen uns diese ersten Erfolge optimistisch, denn immerhin wurden die übrigen Kindern durch die Therapie geheilt.
Wie lange müssen sich die Patienten noch gedulden, bis die ersten gentherapeutischen Behandlungen auf breiter Basis zur Anwendung gelangen?
Ich fürchte, da wird sich die Öffentlichkeit noch länger gedulden müssen. Obwohl bei der Behandlung von SCID oder auch der Hämophilie bereits erste Erfolge erzielt wurden, ist die momentane Behandlungsprozedur sehr komplex und nur in ein paar besonders dafür ausgerichteten Zentren experimentell anwendbar.

Hier bedarf es eine "Off-the-Shelf" - Strategie, um diese Behandlung zur Routine zu machen. Ähnlich ist es in der Krebsforschung. Es ist eher unwahrscheinlich, dass innerhalb der kommenden 5 Jahren ein gentherapeutisches Verfahren die Marktzulassung erlangt. Doch wir arbeiten hart daran.
->   Institut für Virologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien
->   Österreichisches Netzwerk für Gentherapie, ANGT
->   Life Science Austria
 
 
 
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01.01.2010