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Ungewollt schwanger: Zwei Drittel haben verhütet  
  Wegen mangelnder Kooperation der Männer und trotz unzähliger Verhütungsmethoden scheint die rationale Familienplanung nicht recht zu funktionieren. Eine aktuelle Studie französischer Forscher zeigt, dass ein Drittel aller Frauen unbeabsichtigt schwanger werden - zwei Drittel davon hatten vergeblich verhütet.  
Das sind 22 Prozent aller Frauen insgesamt, also knapp ein Viertel. Etwa jede fünfte Frau, die unbeabsichtigt schwanger wird, hat vergeblich die Pille geschluckt, etwa jede zehnte ein Pessar (Diaphragma) benutzt.
Situation in allen Industriestaaten ähnlich
Von diesen Zahlen berichten die Medizinerin Nathalie Bajos und ihr Forscherteam vom nationalen französischen Gesundheitsinstitut INSERM in einer aktuellen Publikation.

Selbst in Frankreich - dem europäischen Land, in dem prozentuell die meisten Frauen mit einer medizinischen Methode verhüten -, stelle Kontrazeption noch immer ein Problem dar, folgerte Bajos.

Die Forscherin geht davon aus, dass ihre Ergebnisse auch auf andere industrialisierte Staaten umzulegen sind.
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Die Studie ist unter dem Titel "Contraception: from accessibility to efficiency" in der aktuellen Ausgabe von "Human Reproduction" (Bd. 18., S. 994-999, Ausgabe vom 30.4.03) erschienen.
->   Human Reproduction
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20 Prozent verhüteten "natürlich"
Etwa zwölf Prozent der ungewollten Schwangerschaften geschahen trotz verwendeter Kondome, rund 20 Prozent nach "natürlichen Verhütungsmethoden" wie Coitus Interruptus und dem Vermeiden des Sexualverkehrs an fruchtbaren Tagen.

Knapp mehr als ein Drittel verzichtete auf jede Art von Verhütung. Die Hälfte der ungewollten Schwangerschaften endete mit einer Abtreibung.
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Die Studie
Bei der Studie wurden knapp 15.000 Frauen per Zufall aus dem Telefonbuch kontaktiert. Aus dieser repräsentativen Gruppe wurden 1.034 Frauen ausgewählt, die entweder innerhalb der vergangenen fünf Jahre eine Abtreibung hatten vornehmen lassen oder ungewollt ein Kind bekamen, sowie eine Kontrollgruppe, die aus 1.829 Frauen bestand. Seit dem Jahr 2000 werden diese ein Mal pro Jahr mit Hilfe eines Fragebogens zu ihrem Reproduktions- und Kontrazeptionsverhalten befragt.
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Ursache: Falsche oder fehlerhafte Anwendung
Hauptgrund für das häufige Versagen der Kontrazeption ist nach Angaben der Forscher die falsche oder fehlerhafte Anwendung ihrer Methoden.

60 Prozent aller unbeabsichtigt Schwangeren, die mit der Pille verhütet hatten, gaben an, diese an mindestens einem Tag nicht eingenommen zu haben. Was bei etwa einem Fünftel mit einer Krankheit begründet wurde bzw. mit dem Umstand, ein anderes Medikament eingenommen zu haben.
Pessar und Kondome: Pleiten, Pech und Pannen
57 Prozent der Pessar-Benutzerinnen, die trotzdem schwanger wurden, wussten nicht, warum - etwa ein Drittel von ihnen gab an, dass sich das Pessar in der falschen Position befunden habe oder während des Geschlechtsverkehrs "herausgefallen" sei.

Mehr als die Hälfte jener Frauen, deren Partner mit Kondomen verhüteten, berichteten, dass die Kondome während des Sexualverkehrs gerissen oder vorzeitig vom Penis gerutscht seien.

Bei jenen mit "natürlichen" Kontrazeptionsmethoden gab mehr als ein Viertel an, sich bei den fruchtbaren Tagen geirrt zu haben; zwei Drittel, dass der Coitus Interruptus zu spät angesetzt worden sei.
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Ein Drittel ohne jede Verhütungsmethode
Insgesamt ein Drittel aller ungewollt schwangeren Frauen ergriffen keinerlei regelmäßige Verhütungsmethode. Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich: Während zwei Drittel davon angaben, dass ihrer Ansicht nach "kein Risiko der Schwangerschaft" bestanden habe, beklagte sich jede Achte über einen Mangel an ausreichendem Rat und Information.
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"Effizient bedeutet nicht praktisch"
Was das Ergebnis ihrer Studien unter Beweis stelle, sei ein Missverhältnis zwischen den Bedürfnissen der Frauen nach Verhütung und den Methoden, die sie in der Praxis benutzen, meinte Studienleiterin Bajos in einer Aussendung. "Theoretische Effizienz und praktische Tauglichkeit sind nicht das Gleiche."

Bestes Beispiel dafür sei die Pille: Diese ist zwar theoretisch höchst wirksam, aber nicht unbedingt tauglich für Frauen, die nur unregelmäßigen Sex haben und deren Lebensstil nicht zu ihrer regelmäßigen Einnahme passt.

Das Diaphragma wiederum werde so gut wie nie verschrieben, obwohl es sich hervorragend für stabile Partnerschaften eigne.
Mehr Einfühlung der Ärzte vonnöten
Um Familienplanung in Zukunft noch sicherer zu gestalten, wünschen sich die Autorinnen der Studie mehr Einfühlungsvermögen der Ärzte, welche die Verhütungsmethoden verschreiben.

Der beste Weg dafür sei nicht theoretisch zu finden, sondern nur, wenn das tatsächliche Leben der Frauen berücksichtigt werde. Deshalb sollten die Ärzte "auf die tatsächlichen Wünsche der Frauen eingehen."
->   INSERM
->   European Society of Human Reproduction
->   Mehr über Schwangerschaft und Verhütung in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010