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ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 
Die Rolle der Medien für Demokratie und Informationsgesellschaft  
  Die zunehmende Verbreitung neuer Medien und Kommunikationsformen bewirkt einen Verdrängungswettbewerb um die Aufmerksamkeit der Konsumenten. Dabei ist nicht nur der schlichte Konsum, sondern auch die - demokratiepolitisch wichtige -Bereitstellung eines Diskursraumes betroffen, wie die Kommunikationswissenschaftlerin Ursula Maier-Rabler in einem Gastbeitrag für science.ORF.at betont.  
Wie Untersuchungen zeigen, führt der Trend zur Schaffung individualisierter Informations-Umwelten. Problematisch dabei: Die Kluft zwischen Informierten und Nicht-Informierten droht zuzunehmen.
Pressefreiheit als Voraussetzung der Demokratie
von Ursula Maier-Rabler

Am 3.Mai wird der "Internationale Tag der Pressefreiheit" begangen, der 1991 auf Vorschlag der UNESCO ausgerufen wurde. Er erinnert an die "Erklärung von Windhoek", die am 3. Mai 1991 anlässlich eines UNO/UNESCO-Seminars zur Förderung einer unabhängigen und pluralistischen Presse in Windhoek/Namibia verabschiedet wurde.

Die Pressefreiheit gilt als Grundvoraussetzung für die Demokratie und genau an diesen Zusammenhang wird auch anlässlich des 3. Mai immer wieder hingewiesen. Anlass genug, sich mit der Entwicklung von Demokratie und Medien in der Informationsgesellschaft zu beschäftigen.
Konkurrenz um Aufmerksamkeit
Welchen Veränderungen werden die traditionellen Massenmedien durch die fortschreitende Durchdringung unserer Gesellschaft mit digitalen Kommunikationsnetzwerken, also dem Internet, unterworfen werden?

Im Wesentlichen werden es die Massenmedien mit Konkurrenz um die Aufmerksamkeit des Publikums zu tun haben. Letztlich ist die Aufmerksamkeit, die die Menschen den Medien und den Informationstechnologien widmen können, beschränkt.

Entsprechend der jüngsten Ergebnisse der Medienforschung steigt die Nutzungsdauer der neuen digitalen Kommunikationstechnologien (Internet, Mobilkommunikation etc.) kontinuierlich und folglich werden andere Medien entsprechend weniger genutzt werden.
Bedeutungsverlust traditioneller Massenmedien
Der Verlust an Aufmerksamkeit führt zu einem fortschreitenden Bedeutungsverlust der traditionellen Massenmedien hinsichtlich einer ihrer gesellschaftlichen Kernfunktionen: der Herstellung eines demokratiepolitisch notwendigen Diskursraumes innerhalb einer bestimmten Gesellschaft bzw. einer politischen Verwaltungsebene (Staat, Bundesland etc.).
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Diskursräume: Die Agenda-Setting Funktion der Medien
Dieser Diskursraum ist insbesondere für Formen der repräsentativen Demokratie unerlässlich, da in ihm die Kommunikation zwischen gewählten politischen FunktionärInnen und den WählerInnen bzw. den betroffenen BürgerInnen organisiert wird. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Agenda-Setting Funktion der Medien und zwar sowohl in Richtung Politiker als auch in Richtung Bürger.

Konkret bezeichnet diese Themensetzungs-Funktion der Medien die Tatsache, dass zum Beispiel das, was um 19:30 in der Zeit im Bild kommt, sowohl von den Politikern als auch von den Fernsehzusehern / BürgerInnen für die relevanten Themen der Zeit / des Tages gehalten werden. Ähnliches gilt für die Aufmacher der Tageszeitungen und der politischen Magazine.
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Machtverlust durch Verfügbarkeit von Primärquellen
Neben dem Verlust an Aufmerksamkeit muss die 4. Macht in unserer Gesellschaft auch noch eine Machtverschiebung in Richtung der politisch interessierten Öffentlichkeit hinnehmen. Erlauben doch die neuen Technologien im Prinzip die Hinterfragung der publizierten Meinung durch direkten Zugriff auf Primärquellen etc.
Zwei Trends: Individualisierung und Mobilisierung
Wie kann in Zukunft die Herstellung öffentlichen Diskursraumes garantiert werden, wenn die Mitglieder einer Gesellschaft durch individuell gestaltete Informationskanälen in isolierten Informationsräumen leben?

Die Individualisierung und Personalisierung der einzelnen User in digitalen Informationsnetzwerken ermöglicht die Gestaltung, persönlicher Informationskanäle: man abonniert bestimmte Info- oder Unterhaltung-Services, blendet bzw. filtert bestimmte Informationen aus und gestaltet sich sein persönliches Interface.

Die Mobilisierung charakterisiert den Trend, buchstäblich überall Zugang zu diesen individualisierten Informationsumwelten zu haben. Beides führt letztlich zur Fragmentierung der Gesellschaft und zur Dominanz individueller Einzelinteressen.
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Die Medienroute des Demokratiezentrums
Das Demokratiezentrum Wien bietet zu diesem Themenbereich eine so genannte Medienroute mit verschiedenen Schwerpunkten an. Dazu gehören: Medien und Politik, Medienmacht, Medien und Öffentlichkeit, E-Democracy sowie Medien - Terror - Krieg. Die Medienroute wird ständig weiterentwickelt und aktualisiert.
->   Mehr dazu auf www.demokratiezentrum.org
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Offene Zukunftsfrage: Mediennutzung der Jugend
Natürlich wird die derzeitige Informationselite sich nach wie vor an den traditionellen Leitmedien unseres Landes orientieren. Auch bei der Online-Informationssuche vertrauen diese Gruppen den bekannten Medienmarken im Netz.

Denn die Zeit der Internet-Entwicklung noch viel zu kurz, um neue Informationsstrategien hervorgebracht zu haben. Wie das die heute 15-Jährigen in 10 Jahren machen werden, ist allerdings noch offen.

Schon heute wissen Medienforscher, dass bei den jungen Menschen das Zeitbudget für Fernsehen zugunsten der Internetnutzung sinkt und die Tageszeitungsnutzung bei jungen Menschen rückläufig ist.
Freie Information als Gestaltungsprinzip des Internets
Das Internet hat sich in einem anglo-amerikanischen Wissenschafts- und Wirtschaftskontext entfaltet. Das dort vorherrschende Prinzip der selbstverantwortlichen Informationssuche, das Prinzip des Teilens und Weitergebens von Informationen hat eine konstitutive Bedeutung für die amerikanische Gesellschaft.

Der Zugang zu Informationskanälen im Sinne der freien Meinungsäußerung ist ein maßgebliches Gestaltungsprinzip, das letztlich dafür verantwortlich ist, dass das Internet das geworden ist, was es heute ist:

Eine Kommunikationstechnologie, die in ihrer Gesamtheit nicht besessen werden kann, deren verteilte Knoten sowohl Zentrums- als auch Peripheriefunktionen übernehmen können, und wo die Funktionen bestimmter Netzwerkelemente nicht durch statische Zuschreibung, sondern durch aktive Nutzung/Nachfrage legitimiert ist.
Ziel: Selbstmotivierter, kritischer Umgang mit Information
Dieses Technologiedesign verlangt nach selbstverantwortlichen und selbstmotivierten Benutzern. Man weiß zwar, dass die Nutzungsdauer von Internet und Mobilkommunikation im Steigen begriffen ist, dass man aber gleichzeitig von einer selbstmotivierten und kritischen Informationssuche der Bürger und Bürgerinnen weit entfernt ist.
Bildungsdefizit bei Medien- und Demokratiekompetenz
Während die Erziehung der jungen Menschen zu kritischen Informationssuchenden und neugierigen Fragenden die größte Herausforderung für unser Bildungssystem ist, zeigen aktuelle Entwicklungen leider in eine andere Richtung.

Diese Forderung, die weit über die Vermittlung von Medienkompetenz hinaus geht, ist nicht nur in der derzeitigen Schule weit von einer Umsetzung entfernt - auch in der aktuellen LehrerInnen-Ausbildung dominiert eher Technologieskepsis und Angst vor Kontrollverlust.
Kritiker: Wissens-Kluft wird größer
So muss - zumindest auf absehbare Zeit noch - jenen Skeptikern Recht gegeben werden, die trotz der vielfältigen Möglichkeiten der neuen Technologien zur Informationssuche, von einer immer größer werdenden Wissenskluft zwischen den Informierten und den Nicht-Informierten sprechen, zwischen jenen, die aktiv am demokratiepolitischen Geschehen teilnehmen und jenen, die politische Informationsvermeidung betreiben.
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Ursula Maier-Rabler
Akademische Leiterin des Universitätsschwerpunktes "Information and Communication Technologies & Society" (ICT&S Center) der Universität Salzburg und Vorstandsmitglied des Demokratiezentrums Wien.
Kontakt: ursula.maier-rabler@sbg.ac.at
->   ICT&S Center der Universität Salzburg
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01.01.2010